Leserlyrik: Party vs. Poesie
Leserlyrik: Party vs. Poesie

Leserlyrik: Party vs. Poesie

Warum wir damals den schönen Slogan „Party, Pop und Poesie“ als catchy re:marx-Trademark auserkoren haben, wissen wir ehrlich gesagt selbst nicht mehr so genau. Vermutlich war es die anmutige Alliteration im besten Bauer-Sucht-Frau-Stil, die uns von geflügelten Worten als blühende Bastion der Hoffnung im grauen Gemnitz hat träumen lassen. Doch die Realität kennt keine Gnade und holte uns schnell auf den harten Beton-Boden der urbanen Tatsachen zurück. Alles was blieb war Party hier, Party da, ab und an ein Hauch von Pop, ansonsten jedoch jede Menge blinde Wut (wir nennen es den „kritischen Bloggerblick“), die in brutalen Bashings gipfelte und den Lesenden the Rage of re:marx mit jeder zweifelnden Zeile spüren ließ.

Für subtile poetische Wortgewächse hatte unser Aggressionsventil 2.0  bisher irgendwie keinen Platz, doch das soll sich ab nun ändern, denn zum Glück gibt es euch – und die Möglichkeit, uns anonyme Fanpost via Mail zukommen zu lassen.

So erhielten wir bereits im Februar von einem uns unbekannten Absender dieses wundervolle Gedicht, das uns zunächst zwar ein wenig zweifeln ließ, aber das wir euch dennoch um keinen Preis vorenthalten möchten. Interpretationsvorschläge sind willkommen.

was es ist

eines abends im bus richtung zentralhaltestelle:

wie immer bin ich unsichtbar in einer stadt ohne gefühl und sinn,
wo jeder jeden disst und mit kuhler gleichgültigkeit gegen haltestellenschilder pisst.
die stadt, die nach charakter sucht,
die ringelfarben streut, in der hoffnung es täte dem grauen sozialismus gut.
eine stadt, die sich in moderne verfängt,
weil über allem hier dieses kopflastige wesen hängt.
so offen ist, wie ein betonklotz eben ist,
und still steht, die jugend.im.puls, ihre verquirlten ideen und ausuferungen frisst.

geometrics

niemals wird hier die ruhe gestört,
nicht einmal wenn sich ein zitternder geist gitarre grummelnd ins zentrum verirrt.
wie oft schon habe ich diese stadt gehasst,
hier nicht weggekommen und den absprung verpasst.
fühle keinerlei verbund, obwohl hier die schönsten momente gelebt
und nach abenteuern immer wieder hierhin zurückgekehrt.
noch ein paar jahre wird sie mir nicht fehlen, diese stadt mitohne gesicht,
bis irgendwann das ende eines studiums meine spuren wegwischt.

und ihr wundert euch, warum die alten menschen die stadt übernehmen?
– weil sich die stadtlichter zu selben zeiten schlafen legen.
erkennt ihr diesen kreisellauf, der immer dichter läuft?
– bis schließlich die alten gehen und lassen c wie tschernobyl im regen stehen.

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