Die Qual der Chemnitzer OB-Wahl: Der re:marx-Wahlomat
Die Qual der Chemnitzer OB-Wahl: Der re:marx-Wahlomat

Die Qual der Chemnitzer OB-Wahl: Der re:marx-Wahlomat

Derzeit bewegen vor allem zwei wichtige Themen die Menschen in Chemnitz: Die Kulturhauptstadtbewerbung – und die Baustelle auf dem Hartmannplatz. Und dann gibt es noch Ereignisse, die sich jenseits der öffentlichen Wahrnehmung abspielen, die Chemnitzer OB-Wahl zum Beispiel. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, die Chemnitzer OB-Wahl wirft noch nicht einmal Schatten, so aussichtslos ist die Kandidatenlage, so langweilig ist der Wahlkampf. Niemand, der in Chemnitz ernsthaft was auf sich hält, weiß heute schon, wen er am Sonntag wählen wird. Um etwas Licht ins Langweilige zu bringen, haben wir in den vergangenen Wochen alle wichtigen Kandidat:innen nach Skills, Slogans und Schwachstellen für euch faktengecheckt – und dabei sogar herausgefunden, welchen Parteien sie zugehören. Leider sind wir danach auch kein bisschen schlauer geworden, sagen euch hier aber natürlich trotzdem, wen ihr wählen solltet.  

Sven Schulze
Partei: Das hübsche Türkis mag erfrischend wirken, aber lasst euch von dem da oben an der Laterne nichts vormachen, denn nach monatelanger Recherche haben wir exklusiv für euch aufgedeckt: Dieser Mann ist bei der SPD! Das ist mittlerweile ungefähr ähnlich peinlich, wie mit 15 mal nackt in der Bravo gewesen zu sein — kein Wunder also, dass er seine Vereinsfarben so sorgfältig versteckt.
Slogan: 0371 statt 08/15“. Finden wir ja eher so 3/10, „09111 statt 9/11“ hätte uns besser gefallen.
Wie er sich präsentiert: Gut gelaunt, umtriebig und bürgernah. Als einer der anpackt, einer, der Augenhöhe agiert – wobei Augenhöhe natürlich relativ ist, denn angeblich ist Herr Schulze ziemlich klein. Dafür ist er aber Mitglied bei der Feuerwehr, schenkt beim Weindorf eigenhändig Grauburgunder aus, rollt Servietten bei „Hans im Glück“ und immer tatkräftig die Ärmel hoch. Auf seiner Webseite prangt unter dem Punkt „Wie ich mir Politik vorstelle“ ein Bild vom Schlüpfermarkt — damit hat er die Wahl quasi schon gewonnen.
Was er verspricht: Das Übliche: Ordnung und Sauberkeit, Irgendwasmitwirtschaft, besseren Nahverkehr, Schule und Spielplätze, Chemnitz für alle. Kann man machen, kann man aber auch blind copypasten und zum Beispiel bei Frau Patt auf die Agenda setzen, es würde nicht auffallen.
Was er hält: Als Kämmerer vor allem das Geld gut zusammen. Der gut inszenierte Tatendrang trügt, denn unser Finanzbürgermeister ist ein knallharter Verwalter — und damit eigentlich perfekt für eine Stadt, die sich manchmal gar nicht wirklich vorwärts bewegen will.
Kernkompetenzen: Sport und Geld. Wenn Sven Schulze Insolvenzverwalter beim CFC wäre, hätte der CFC schon längst keine Schulden mehr, sondern RB Leipzig aufgekauft und 700 Millionen Euro Ablösesumme für Messi locker aus der Portokasse gezahlt.
Schwachstellen: Wird von der FDP unterstützt – einer Partei, die noch peinlicher ist als die SPD
Unbedingt wählen, wenn: ihr wollt, dass Chemnitz reich für immer bleibt. 

Almut Patt:
Partei: CDU
Slogan: „Stark. Sicher. Schnarchig äääh Solidarisch. Verschenkt massives Pun-Potenzial: Mit Slogans wie „Schach Patt!“, „Pattsituation für Chemnitz“ oder „Almut zur Wahrheit“ wären ihre Chancen sicher wesentlich höher.
Wie sie sich präsentiert: Die recht charmante rheinische Frohnatur, die Frau Patt eigentlich ist, hat man ihr für die Plakate vorsorglich ausgetrieben. Strategisch vielleicht gar nicht so schlecht: Zu viel Fröhlichkeit, und dann auch noch aus dem Westen, würde die hartgesottenen wahlberechtigten Chemnitz-Fressen nur überfordern. Blöd nur, dass man dabei alles, was nach Freude aussieht, wegretuschiert hat. Die Lawyer-and-Order-Lady guckt, als würde sie gleich eine Teufelsaustreibung an Chemnitz vornehmen, und dabei dieser außer Rand und Band geratenen Soddom-und-Gomorrha-Stadt das letzte Fünkchen Spaß aus der Seele saugen. Das I in Chemnitz steht bei ihr übrigens für den Lulatsch. Das finden wir wiederum gut — endlich mal eine konservative Katholikin, die sich offen zu den Gaypride-Farben bekennt.
Was sie verspricht: Überraschung: Irgendwas mit Wirtschaft und natürlich Ordnung und Sicherheit — das gibt’s zwar schon bei der AfD dauerhaft hirnreduziert im Sonderangebot, das wird aber ziehen, weil die paar Überwachungskameras in einem Gewalt-Moloch wie Chemnitz natürlich noch längst nicht ausreichen. Solidarität, das hat sie eindeutig von den Buntmacher*Innen geklaut, das ist außerdem ein Widerspruch zu Ordnung und Sicherheit — beides wird oft nicht sonderlich solidarisch durchgesetzt. Kurz: Frau Patt feiert einen CDU-Parteitag der Langeweile, und der Fortschritt ist nicht eingeladen.
Was sie hält: Auch wenn sie eine der kompetenteren Kandidat:innen ist: Wenn sie so Politik macht, wie sie auf den Plakaten guckt,  haben wir hier in den nächsten sieben Jahren nicht sonderlich viel zu lachen. Und das wäre ziemlich schade — Chemnitz lacht schließlich ausgesprochen gern.
Kernkompetenzen: Klassische Kultur, Kinder und Kirche.
Schwachstellen: Peter Patt.
Unbedingt wählen, wenn: es am Ende zu einer Stichwahl gegen den AfD-Typ kommt.

Volkmar Zschocke
Partei:
Die Grünen
Slogan:Für eine Politik der Achtsamkeit“. Ach Volkmar, Achtsamkeit scheint für das launisch labile Chemnitz ungefähr so wirksam wie Globuli gegen gebrochene Beine, Schnaps gegen Corona oder bunte Treppen gegen jahrelang geduldete rechte Strukturen.
Wie er sich präsentiert: Smart, fortschrittlich und offen, vor allem aber smart. Schaut auf den Plakaten zwar ein bisschen so, als würde Penisverlängerungen auf einem Teleshopping-Kanal verkaufen oder demnächst mit dem ZDF-Traumschiff auf die Schlossteichinseln fahren, besticht in den sozialen Medien aber mit beeindruckenden Chemnitz-von-oben-Drohnenbildern, setzt sich für den CSD und die Aufnahme von Geflüchteten ein und ist außerdem Team #legalizeit. Dieser Mann steht für das Soddom- und Gomorrha-Chemnitz, vor dem sich Frau Patt und Herr Oehme so sehr fürchten.
Was er verspricht: „Chemnitz größer denken“ — das hat sich bisher noch niemand getraut, und alle diejenigen, die es zumindest mal kurz versucht haben, sind daran gescheitert und umgehend nach Berlin gezogen. Wir sind also wirklich gespannt, wie er das machen will!
Was er hält: Einen gigantischen Dürüm in den Händen. Hat offensichtlich Humor und deshalb im Internet dazu aufgerufen, ihm diverse Dinge in die ein- und ausladende „Chemnitz größer denken“-Geste zu photoshoppen. Wenn Volkmar Zschocke Bürgermeister würde, wäre Chemnitz plötzlich die coolste Stadt im Umkreis von 30 Kilometern. Mindestens.
Kernkompetenzen: Alles, wo sich „smart“ davor setzen lässt: Smart Traffic, Smart Economy,  Smart Umweltschutz, Smart City, Smart Diversity, Smart Parking.
Schwachstellen: Ist zwischen all den Ordnungs- und Sicherheitsfanatikern und populistischen Schreihälsen leider viel zu nett und leise. Wird außerdem fälschlicherweise oft mit Volker Tzschucke verwechselt.
Unbedingt wählen, wenn:ihr den Zucht- und Ordnungsmeistern nicht die Stadt überlassen wollt. 

Susanne Schaper
Partei: Die Linke
Slogan: Konnten hier irgendwie nichts finden, außer „Die neue Oberbürgermeisterin für Chemnitz.“  Einfach, bodenständig und absolut zeit- und aussagelos.
Wie sie sich präsentiert: Ziemlich gut: Auf den Plakaten sieht sie von allen Kandidat*innen am sympathischsten aus. Außerdem malt sie gerne mit Ölfarben, hat Hunde, Kinder und als ausgebildete Krankenschwester alles auf Vorrat, was die ewige Patientin Chemnitz braucht: Sanfte Beruhigungsphrasen für das grundnervöse Sicherheitsbedürfnis, medizinische Kompetenz für den gebrechlichen Altersdurchschnitt, rhetorische Prothesen für die amputierte Fernverkehrsanbindung, ein Doppelherz für die soziale Gerechtigkeit und Hoffnung für das chronisch müde Nachtleben. Bekommt außerdem einen Soli-Zuschlag dafür, dass ihr Büro auf dem Sonnenberg mehrfach von vermutlich rechtsextremen Hakenkreuztattooträgern angegriffen wurde.
Was sie verspricht: Den Platz an der sächsischen Sonne. Will Chemnitz dorthin führen, wo es schon lange rechtmäßig hingehört: Auf Platz 1 der Städte in Sachsen. Dresden braucht sowieso niemand, Leipzig wird spätestens 2025 in die Metropolregion der zukünftigen Landes- und Kulturhauptstadt Chemnitz eingemeindet, der Minderwertigkeitskomplex packt seine sieben Selbstzweifel und zieht nach Burgstädt.
Was sie hält: Ihr 7-Punkte-Plan für Chemnitz klingt einerseits ganz passabel, andererseits haben sieben Punkte noch nie für den Klassenerhalt gereicht.
Kernkompetenzen: Gesundheitswesen und Hunde
Schwachstellen: Malt mit Ölfarben, wird von ihren Mitstreiter:innen „Susi“ genannt, schreit in Stadtratssitzungen
Unbedingt wählen, wenn: euch das AJZ am Herzen liegt oder ihr eine berufliche Zukunft als Partybeauftragte*r von Chemnitz vor Augen habt.

Lars Fassmann:
Partei: Kreatives Chemnitz
Slogan:Wir Bürger meistern das“.  Wir Wortspielsüchtigen mögen das.
Wie er sich präsentiert: Wie eine ziemlich brillante Parodie auf werdende Provinz-Politiker. Jedenfalls haben wir neulich nachts allein im Dunkeln fünfzehn mal hintereinander das Antritts-Video von ihm geguckt und danach nicht mehr gewusst, ob Lars Fassmann wirklich existiert oder doch nur eine Erfindung von re:marx ist. Dann haben wir das überdimensionierte Blow-Up am Brückenstraßen-Hochhaus aufhängen lassen, und gemerkt, dass wir damit zu weit gehen. Lars’ Kandidatur findet trotzdem statt, und man kann im Reallife nie genau unterscheiden, ob er gerade als Bürgermeisterkandidat, Immobilienhai, Kreativgönner, Unternehmer, Nerd oder re:marx-Satire-Projekt unterwegs ist. Kann zwar sehr gut digital, dafür aber keine Bürgernähe zulassen. 
Was er verspricht: Maker Faire statt Schlüpfermarkt, Digitalisierung statt Kommunikation via Telefax, Fernzug- und Flughafenzubringer statt ICE-Anbindung, CWE enteignen — Lars Fassman, oder Larsi, wie wir ihn liebevoll nennen, mutet den Chemnitzer:innen einiges zu. Das Schlimme daran ist: Im Kern hat er oft Recht, schielt dabei aber leider oft nach rechts.
Was er hält: Macht Chemnitz zur Statt der Träume: Zum Lars Angeles, dem Mekka für Kreative, die sich hier von schlecht bezahlten Freelancer-Jobs zu etwas weniger schlecht bezahlten Freelancer-Jobs hocharbeiten, um sich endlich den großen Traum vom Leben in unsanierten, kalten Bruchbuden mit Kachelofen und Kreativkredibiität leisten zu können.
Kernkompetenzen:  Populismus und Immobilien
Schwachstellen: Die Löcher in den Dächern seiner Häuser und den angeblichen Fakten seiner Facebook-Posts
Unbedingt wählen, wenn: ihr ausgebeutete Kreative seid – und es auch bleiben wollt!  

Matthias Eberlein
Partei: Freie Wähler
Slogan: Hat die mit Abstand allerbesten Wahlsprüche, „Stolz statt Scham“ zum Beispiel, oder „SOS — Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit“
Wie er sich präsentiert: Als Underdog, der Chemnitz endlich mal kleiner denken will – und damit sozusagen als Gegenspieler zum vollkommen größenwahnsinnigen Volkmar Zschocke, der in Chemnitz eine Art moderne Großstadt sieht, oder zum noch verrückteren Lars Fassmann, der von einer Chemnitzer Metropolregion mit 1,5 Millionen Menschen fabuliert. Matthias Eberlein ist der Mann des kleinen Städters: Er kümmert sich um Schlaglöcher, Dreckecken, ungepflegte Mittelstreifen, kleinere Schlaglöcher, vermüllte Straßenränder, dilettantisch geflickte Straßen, größere Schlaglöcher, verlassene Fabriken und riesige Schlaglöcher.
Was er verspricht: Straßen statt Schlaglöcher
Was er hält: die Straßen und Schlaglöcher sauber
Kernkompetenzen: Straßen und Schlaglöcher
Schwachstellen: Straßen und Schlaglöcher
Unbedingt wählen, wenn: euch Chemnitz in den letzten fünf Jahren viel zu großstädtisch geworden ist

Ulrich Oehme
Partei: Oehme macht zwar den Schulze, und verschweigt auf den Plakaten seine Parteizugehörigkeit, ist aber bei der AfD – und die verleiht rechte Flügel. Wobei der sich zum Rest der AfD ja ungefähr so verhält wie die SS zur SA.
Slogan: Ihr Oberbürger für Chemnitz.
Wie er sich präsentiert: Mit heimattreuer Hand auf der lokalstolz geschwollenen Brust vor dem absoluten Lieblingsort aller Chemnitzer:innen: dem neuen Technischem Rathaus. Kein Ort auf der Welt verspricht mehr bürokratischen Glanz und Verwaltungsglamour als der Pfropf, der das Conti-Loch stopft. Das Technische Rathaus ist nicht umsonst ein weltweit beliebtes Postkartenmotiv, denn hier werden Technokraten-Träume wahr. Oehme gibt sich derzeit gekonnt als Mann der Mitte, dabei steht er stramm am rechten Rand. Hat seine Plakate auf russisch untertitelt, und das macht natürlich Sinn, schließlich lässt er sich auch gern mal von Putin finanzieren.
Was er verspricht: Der römisch-katholische Gefährder steht natürlich auf Recht und Ordnung — dem BDSM der Rechtskonservativen. Möchte arabische Läden verbieten, Volksentscheide einführen, hat Angst vor Chemnitz Nazifrei, und außerdem dreist bei Frau Patt abgeschrieben („Für eine starke Wirtschaft“). Der Rest ist eigentlich gar nicht erwähnenswert und wir haben auch gar keinen Bock, die üblichen AfD-Inhalte hier wiederzukäuen.
Was er hält: sein Fähnchen in den Wind. Oehme biedert sich überall dort an, wo es gerade Sympathiepunkte zu holen gibt. Zum Beispiel neuerdings bei Soloselbstständigen und ICE-Stans.
Kernkompetenzen:  Dubiose Dienstreisen
Schwachstellen: Hat eine ausgeprägte Schwäche für SA-Parolen; beschäftigt Arthur Österle als Personenschützer, oder wie man auch sagen könnte: Er ist eben ein Nazi.
Unbedingt wählen, wenn: ihr mindestens drei Hakenkreuze auf euren Stimmzettel macht

3 Kommentare

  1. Joerg

    Schön geschrieben. Auch wenn der Start das nicht vermuten lässt, kann man doch eine (oder zwei) Wahlempfehlung heraus lesen. Also Beifall und ein Zugabe-Ruf. Vielleicht nehmt Ihr ja noch den Herrn Vogel mit rein.

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