Gute Nachrichten zum Montag: Die Partei der Nipster Deutschland (PND, wahlweise auch NPD) hat es dank unserer beispiellosen Aufklärungsarbeit nicht in den sächsischen Landtag geschafft.
Dafür belastet jedoch eine andere merkwürdige Modeerscheinung unsere nach wie vor weltschmerz-geplagte Seele: Der Serbst.
Der Serbst ist sozusagen der Nipster der Wetterkarte. Also ein Sommer, der gern so wäre wie der Herbst. Er trägt braune Blätter und ein sieben Tage Regenwettergesicht und er kocht Suppe aus Kürbis. Es scheint, als habe der Sommer, der anstatt – wie sonst immer üblich – Love, Peace and Happiness, dieses Jahr ausschließlich Elend über die Erde brachte, derzeit stark an Popularität verloren. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in ein dunkel funkelndes Herbstgewand zu hüllen. Wenn nichts mehr geht, geht nichts über novembergraue Nebelschwaden, schwarze Krähen auf kahlen Baumwipfeln und Regen, der unaufhörlich melancholische Rhythmen ans Fenster trommelt. Der Serbst lanciert irgendwo zwischen spätherbstlicher Melancholie und dem letztem Aufbäumen des schwer seufzenden Sommers – vielen Chemnitzern geht das verständlicherweise an das sonst ja so ausgesprochen lebensfrohe Gemüt.
Dabei ist Chemnitz eine absolut fantastische Serbst-Stadt. Im Sommer manchmal ganz schön, aber in Grau gekleidet noch viel verlockender. Nun ist der Serbst in Chemnitz jedoch schon derart weit fortgeschritten, dass selbst die Freie Presse Weinpakete verlost, um etwaige Serbst-Depressionen bei ihren Lesern vorzubeugen. Weil wir zum Alkoholismus verlockende Aktionen bekanntermaßen grundsätzlich ablehen, haben wir deshalb lange überlegt, wie man sich den unzähmbaren Launen des Serbsts auf eine verträglichere Art vorsichtig annähern könnte.
Party könnte okay sein, aber im Club lässt es sich nicht so schön traurig aus dem Fenster gucken. Poesie bzw. Schnaps/Untenrum könnte helfen, aber die dafür zuständige Abteilung befindet sich immer noch in der „Sommer“pause. Was bleibt ist der Pop, den wir in letzter Zeit ohnehin schwer vernachlässigt hatten – dabei war er es, der letztendlich den Anlass zu unserer Gründung vor dreihundert Jahren gab. Das letzte Album des Monats gab es zuletzt im Juni, aber jede Ära endet bekanntermaßen irgendwann einmal. Als Trost haben wir nur für euch eine kleine Compilation der schönsten sommerlich-sentimenal-seichten Serbst-Songs zusammengestellt, die über das nahende Ende des Sommers hinweg helfen sollen.
Dabei gibt es durchaus Grund zur Freude auf den Herbst, und das liegt nicht nur an den neuen Alben von Leonard Cohen, Interpol, Caribou und alt-j, sondern hier in Chemnitz vor allem an einem: Konzerte, Konzerte, Konzerte – im aaltra zum Beispiel. Denn mal ehrlich: Davon hatte der Sommer, abgesehen von einigen Festivals, nicht sonderlich viel zu bieten. Deshalb freuen wir uns, dass die musikalische Serbst-Saison schon diese Woche mit zwei absoluten musikalischen Höhepunkten zum exzessiven Kulturkonsum verlockt.
Am Donnerstag beehrt Die höchste Eisenbahn das Weltecho. Die höchste Eisenbahn sind die beiden Songwriter Francesco Wilking von Tele und Moritz Krämer von Moritz Krämer, die gemeinsam ziemlich cleveren Deutsch-Indie-Schlager-Pop spielen mit dem sie im letzten Jahr zu Insider-Lieblingen unter den Indie-Liebhabern avancierten. Es wird also allerhöchste Eisenbahn, diese Band live zu bestauenen, bevor der Zug abgefahren ist.
Und weil der Serbst so schön ist, spielt gleich am nächten Tag, also am Freitag, der über alle Maßen talentierte Käptn Peng in der Spinnerei.
Robert Gwisdek ist Sohn. Und Schauspieler. Und er schreibt: Kürzlich erschien sein erster Roman „Der unsichtbare Apfel“. Robert Gwisdek macht auch Musik. Als Käptn Peng reimt er, mal mit seinem Bruder Shaban, mal mit seiner HipHop-Band die Tentakel von Delphi, mal alleine, über den Sinn und das Leben und über Kreise. Und das ist bizarr, fantastisch und schlichtweg weise.
Wir mögen das. (Hier Peng mit seinem Bruder)
Unser Fazit: Ein Serbst in Chemnitz ist fast so gut wie ein Hommer in Berlin.