Chemnitz und Blasmusik, das gehört zusammen wie Marx und Engels, Schmidt und Kippe, Hoeneß und die Bayern, Bockwurst und Bier, re:marx und bashing. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, dass C-Town endlich die Block Party bekommt, die sie auch wirklich verdient: Das Deutsche Musikfest.
Doch was zunächst nach Blaskapellenhölle und Kaffeefahrtenmekka klingt, entpuppt sich als überraschend junges („jung“ ist unter Einbeziehung der demografischen Situation der Stadt hierbei natürlich eher relativ) Straßenfest mit einem sanften Hauch Internationalität. Blasmusik ist eben nicht nur humpahumpatätärä oder an finstere Zeiten erinnernde Marschmusik, sondern bietet, man mag es kaum glauben, hin und wieder auch so etwas wie musikalischen Anspruch und innovative Impulse. Wem es also gelang, sich dem verlockenden Sog der stramm marschierenden Spielmannszüge zu entziehen, der konnte zwischen Bundeswehr Big Band und Marschmusikmeisterschaft durchaus ganz neue musikalische Grenzerfahrungen sammeln. So zum Beispiel im Weltecho, das mit Balkanbeats am Freitag und Trompetenrave am Samstag, zwei ganz andere Spielarten der Blasmusik kredenzte. Grund genug für die mutigen und stets investigativen Basher von re:marx, sich der Blasmusik-Erfahrung zu stellen. Aufgrund der hohen Gefahr haben wir unsere Kameras lieber zuhause gelassen und können nur mit provisorischen Bildmaterial dienen.
Bereits am Freitag gelang es zwei Redakteuren, sich einer Herausforderung zu stellen, die den exotischen Namen Saxofon trägt. Denn das spielt die exzentrische Hauptrolle bei Äl Jawala ,einer Gäng aus Freiburg, die ihr Revier mit einem derart bombastisch angelegten Balkan-Sound und exzessiven Sax-Orgien markierte, dass die Spucke nur so aus den beiden Kannen flog. Klingt ein bisschen eklig, machte aber überraschend viel Spaß. Doch nach ungefähr einer Stunde überkam unsere Redakteure trotz übelster Euphorie das ungewohnte Bedürfnis nach Ruhetherapie, Meeresrauschen oder Vogelgezwitscher und es blieb nichts als die Flucht in die ewig stille Nacht der Stadt der Moderne. Dennoch wurde der erste re:marx Gefahrentest vorerst unbeschadet bestanden. Fotos des ganzen Spektakels findet ihr hier.
Hauptact am Samstag waren die Terribly Overrated Youngsters, von der kundigen Fachpresse auch einfach nur T.O.Y. genannt, eingebettet von den Weltecho-Resident-DJs Kid Pedro und Zorro. Auch hier stellte sich einer unserer Redakteure der Herausforderung, allerdings weniger der der Blasmusik als der des Hipster-Daseins.
Das Besondere an T.O.Y. ist, dass sie unsere digitale Welt – so scheint es – wieder in eine anloge zu überführen wollen. Ihr Versuch besteht darin, einschlägige elektronische Hits mit analogen Instrumenten neu zu interpretieren – allerdings scheinen sie dabei einen French House-Fetish entwickelt zu haben. So gab es neben dem Opener, einer Coverversion von Daft Punk, ein buntes und erstaunlich abwechslungsreiches Potpourri an Daft Punk, J.U.S.T.I.C.E. und Daft Punk auf die Ohren. Aber eigentlich kann man hierbei nicht von einzelnen Stücken reden, die einfach nur gecovert wurden, denn die Band hatte aus dem Ganzen einfach ein bis zur Zugabe andauerndes Medley gebastelt. Ein besonderes Augenmerk sei hierbei noch, dass es sich bei der Band um hauptberuflich verdammt coole Säue handelt. Sei es nun ein beswingter Sänger / Keyborder, ein Bassist mit einem gülden glitzernden Bass, ein Gitarrist der neben AC/DC auch mal J.U.S.T.I.C.E. auspacken kann, ein Schlagzeuger als personifizierter Bass und natürlich – passend zum Deutschen Musikfest – ein gleich dreiköpfiges Ensemble an Blechbläsern. Alle zusammen schafften wirklich beeindruckende Neuinterpretationen der Vorbilder. Die anwesende Party-Crowd konnte man dabei sogar schon fast als euphorisch bezeichnen, man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sogar noch mehr Leute an diesem Abend hoch in die heiligen Hallen des Weltechos gekommen wären.
Puh. Am Ende können wir festhalten, dass das erste re:marx in Blasmusik-Gefahr dann doch keine so große Mutprobe war, wie zunächst angenommen, sondern viel mehr eine musikalische wie kulturelle Bereicherung.
Aus diesem Grund suchen wir natürlich weiterhin nach echten Herausforderung des Big City Lifes und trainieren schonmal unsere Nerven für Nachts auf dem Sonnenberg, Nackt an der Zenti und das große Sommerfest der Volksmusik.