Der Herbst ist gemeinhin unsere Lieblingsjahreszeit; was vielleicht daran liegt, dass die Hälfte der re:marx-Redaktion im November geboren wurde, vielleicht aber auch daran, dass man sich im Herbst endlich in Ruhe richtig „Chemnitz“ fühlen kann. Keine Ablenkung durch irgendwelche Kulturveranstaltungen, Straßenfeste, Hitzewellen, Freisitze, Frühlingsgefühle. Nur die Stadt und ihre tröstende Tristesse, diese elegante Einsamkeit, wie man sie sonst nur aus Rilke–Gedichten kennt.
Viele sind jedoch irritiert. In der Dunkelheit können sie ihre Gefühle nicht richtig einordnen, sie wissen nicht ganz genau, woher diese innere Leere plötzlich kommt. Ist das noch Chemnitz – oder doch schon eine handfeste Herbstdepression? Für alle diejenigen, die verunsichert sind, haben wir einen hochgradig wissenschaftlichen und absolut verlässlichen Psychotest entwickelt, der euch durch die dunkle Jahreszeit helfen wird.
So funktioniert’s: Die treffenden Antwortmöglichkeiten mental ankreuzen und anschließend zusammenzählen, welchen Buchstaben ihr am meisten gekreuzt habt.
Wie würdest du deine aktuelle Gefühlslage beschreiben?
A Wie einen dieser Chemnitzer Halbkreise, die oft bei Konzerten entstehen. Zwischen dir und dem Glück klafft eine riesige Lücke, in die du dich einfach nicht hinein traust.
C Wie einen endlosen Ritt durch die Bazillenröhre, bei dem dir alles mögliche entgegen kommt: Hakenkreuze, Hitlergrüße, halbtote MRB-Bahnen, Mackie Mether. Nur das Licht am Ende des Tunnels, das kommt einfach nicht.
B Wie eine Busfahrt mit der Linie 51 nach einer CFC-Heimniederlage.
D Wie die eines hochdekorierten Vereins-Maskottchens, das vor einigen Jahren seinen Job verloren hat, und jetzt beim Maskottchentreffen verzweifelt versucht, zurück ins Leben zu finden.
Du hast seit Tagen schlechte Laune – woran liegt das?
D Dein subversives Subkulturprojekt wird nicht im BidBook erwähnt.
A Du vermisst die lauen Mittwochabende im Weltecho, die Vibes vom Weindorf, den Zuckerwatteduft vom Bürgerfest, die Menschenmassen vom Kosmos, du vermisst das Brühl-Cornern mit deinen Freunden, das Aperol-Gläserklirren, du vermisst sogar die Eiserne-Kreuz-Tattoos im Gablenzer Freibad, die kleinen Dinge des Chemnitz-Lebens eben.
B Du willst Frahn als Mannschaftskapitän zurück, aber dein angemeldeter Dauertrauermarsch wurde vom Ordnungsamt nicht genehmigt.
C Der Fleischer hat geschlossen, die Grüne Helene macht dicht, das Caruso ist weg, dein Edeka ist auch nicht mehr das, was er mal war, in der Haamit gibt’s im Winter kein Abendbrot mehr… was machst du überhaupt noch hier?
Du kannst nachts nicht schlafen, weil…
C …du keinen eigenen Stellplatz hast, und dich fragst, wo du die nächsten Tage parken sollst.
D …der Lulatsch zu laut leuchtet. Außerdem hast du einen grauenhaften Druckfehler im BidBook gefunden und weißt jetzt nicht, wie du damit umgehen sollst.
A …alle coolen Chemnitzer gerade beim Weekender ausrasten, während du erkältet und allein und niedergeschlagen zuhause geblieben bist.
B Keine Ahnung, aber da sind definitiv die Ausländer dran schuld.
Wann hast du zuletzt geweint?
B Als Nico Köhler bei der Landtagswahl ganz knapp gegen diesen linksliberalen Peter Patt verloren hat.
A Als du beim Schaulaufen im Echo-Hof unglücklich gestolpert bist und dir die Chemnitz-Würde blutig geschlagen hast.
D Als du am Akteur*Innen-Tisch vorm Bilbao komplett ignoriert wurdest, obwohl du einen “Chemnitz2025”-Aufnäher an und ein brandneues Off-Theaterprojekt in der Tasche hattest.
C Als du erfahren hast, dass das neue CAB am Brühl jetzt auch noch eine Kinderspielecke hat – der Kaßberg ist offiziell am Ende.
Es ist Sonntag, und du raffst dich endlich mal wieder auf. Du…?
A … betrinkst dich im Döner-Drive-In besinnungslos mit Knoblauchsoße, glücklichen Erinnerungen und klebrigen Energydrinks.
B … setzt eine Online-Petition auf, die sich für eine rasche Brühl-Entlebung stark macht. Die herumlungernden Jugendlichen dort sind dir schon lange ein Dorn im Auge.
D … setzt dich in den Ringbus und schaust regungslos aus dem Fenster, lässt die Stadt an dir vorbeiziehen, lässt alles los: Die Fördergeldsorgen, die anstrengden Projekttreffen, den inhaltsleeren Smalltalk auf Ausstellungseröffnungen.
C … reservierst von 14 bis 19 Uhr einen Tisch bei Emmas Onkel, erscheinst aber nicht, weil du lieber ins Dreamers gegangen bist.
Wovor hast du derzeit am meisten Angst?
C Einsamkeit. Konkret davor, dass du bald mutterseelenallein auf dem Kaßberg wohnst, weil alle anderen auf den Brühl gezogen sind.
D Etwas zu verpassen. In Chemnitz ist mittlerweile so viel los, dass du nicht mehr überall sehen und gesehen werden kannst. Das macht dich unglaublich nervös.
B Unkontrollierte Pop-Up-Stores und Release-Events der linksgrünen Meinungsdiktatur. Denkt denn niemand auch mal an die arbeitende Bevölkerung!!??
A Die Oberbürgermeisterwahlen 2020. Noch eine dritte gruselige Wahl innerhalb eines Jahres verkraftest du einfach nicht.
In deinen Albträumen…
B ….steht der Insolvenzverwalter gemeinsam mit deinem Konto-Auszug höhnisch lachend vor deiner Tür und verkündet, dass er leider nichts mehr für dich tun kann.
D … gewinnt Dresden das Rennen um den Kulturhauptstadt-Titel.
A …. wird DJ Geyer zum Oberbürgermeister gewählt.
C … stürzt ein Flugzeug ins Hotel Mercure und hinterlässt die Stadt in Schutt und Asche.
Deine Freunde wollen ausgehen. Du…
C … verbrennst schnell dein 371-Heft und sagst, dass doch eh wieder nichts los ist in dieser „Drecksstadt“.
D … trinkst fix zwei Flaschen Rotwein und legst dir ein paar streitbare Diskurs-Themen zum Thema Sonnenbergbelebung und Gablenzgentrifizierung zurecht. Nicht, dass noch jemand denkt, du seist bürgerlich und langweilig.
B … kommst zwar mit, verlässt das Haus aber nicht ohne dein Pfefferspray, deinen Elektroschocker, deinen faltbaren Schlagstock. Man weiß ja nie heutzutage.
A… sagst, dass du zuhause bleiben willst, weil es dir zu kalt, zu dunkel, zu nass und das Lokomov eh viel zu weit weg vom Tesla ist.
Was lockt dich derzeit überhaupt noch raus?
B Die wöchentliche Gelbwestendemo am Freitagabend.
C Manchmal gehst du heimlich auf dem Brühl spazieren und guckst mit klammer Panik im Brustkorb, ob dort etwa schon wieder irgendwas Neues eröffnet hat.
D Du verstehst die Frage nicht. Es ist doch ständig irgendwas los. Die Frage ist vielmehr, was dich derzeit nicht raus lockt?
A Die Niners-Spiele in der Messe. Die einzige Chemnitz-Party, die man im Winter besuchen kann.
Was siehst du, wenn du aus dem Fenster guckst?
B Diesen scheißbunten Schornstein mit seiner chronisch guten Laune, den alle Chemnitzer neuerdings so abfeiern, obwohl sie ihn anfänglich so gehasst haben. Du hasst ihn immer noch, jeden Tag ein bisschen mehr.
D Deine Lieblingsfarbe. Den feinsten aller Zwischentöne. Grau.
A Die Überreste eines längst vergangenen Hochgefühls, das von einer erdrückenden Tristesse weggespült wurde, die jetzt wie ein dunkler Vorhang deinen Ausblick trübt.
C SCHLIMM!
Chemnitz im Sommer, das bedeutet für dich:
A Einen einzigen glückseligen Gefühls- und Partyrausch
B Die Freiheit, Schweinefleisch in rauen Mengen über selbstausgestoßenem Dieselrauch zu grillen
C Nichts.
D Leben! Lieben! Nach Leipzig fahren
Auflösung:
Überwiegend Antwort A
Das ist keine Herbstdepression, das ist noch Chemnitz. Allerdings hast du schlecht mit deinen Glückshormonen gehaushaltet, dein gesamtes Dopamin leichtsinnig im Sommer verpulvert und dir nichts für den standesgemäß wesentlich härteren Chemnitz-Winter aufgespart. Ohne die ganzen Festivals, Freisitze, Corner-Exzesse fühlst du dich plötzlich leer, traurig und antriebslos, fühlst du zum ersten mal wieder, wie das Leben in Chemnitz wirklich ist. Ohne Party-Make-Up und lulatschbunte Smokey-Eyes. Pur. Ungeschminkt. #wokeuplikechemnitz eben.
Unser Tipp: Wer ein echter Chemnitzer sein will, muss das auch mal aushalten können. Der nächste Sommer kommt bestimmt.
Überwiegend Antwort B
Das ist keine Herbstdepression, das ist noch Chemnitz. Nur dass sich dieses Chemnitz einfach nicht mehr wie deine Stadt anfühlt. Überall hängen sie rum, die Jugendlichen, die Ausländer, die CFC-Skandale, die Leute, die deine Stadt durch den Dreck ziehen. Jetzt wollen sie auch noch Kulturhauptstadt werden, wollen noch mehr Fremde in die Stadt locken, wollen noch lauter machen, noch bunter sein. Du willst einfach nur arbeiten und deine Ruhe und Daniel Frahn zurück.
Unser Tipp: Wenns dir hier zu bunt wird, dann zieh doch einfach weg. Vielleicht fühlst du dich ja in Gera, Glauchau oder Gößnitz wieder ein bisschen wohler.
Überwiegend Antwort C
Du hast keine Herbstdepression, du wohnst noch in Chemnitz, vor allem aber wohnst du auf dem Kaßberg. Das kann aktuell mitunter etwas deprimierend sein, weil alle deine Freunde jetzt auf den Brühl ziehen, was den Brühl zum neuen Berlin macht. Doch keine Sorge: Hinter den frisch sanierten und teilweise grenzkitschig verzierten Brühlfassaden wohnt man mindestens genauso so spießig wie auf dem Kaßberg, nur eben in flach.
Unser Tipp: Echte Chemnitz-Connaisseure investieren jetzt lieber in Wohneigentum auf der Carl-von-Ossietzky-Straße.
Überwiegend Antwort D
Du hast keine Herbstdepression, du wohnst noch in Chemnitz, und das aktuell ein bisschen zu gerne, was nicht ganz gewöhnlich, aber in der Regel gut behandelbar ist. Seit Monaten steckst du deine ganze Energie in die Entwicklung der Stadt, bekommst dafür aber vielleicht nicht immer die Anerkennung, die du dir wünschen würdest.
Unser Tipp: Fahr doch einfach mal zum Runterkommen und Ausruhen für ein Wochenende raus aus Chemnitz, nach Berlin zum Beispiel.