Nachdem wir die Oberflächlichkeiten von Instagram abgehandelt haben, brauchen wir echte Kunst: re;marx geht auf Vernissage. Ab einem Monatsgehalt von 3.000€ denkt der Chemnitzerin darüber nach, sich was hinzuhängen, hinzustellen — oder sich aufzuhängen. Damit ihr es leichter habt, in einer Welt, die früher einfacher war, und weil heute Tag der offenen Galerien ist hat Re:marx, der Jeff Koons unter den Chemnitz-Influencern, für euch die Galerien der Stadt besucht. Ein Führer durch die Verführungen der schönen Künste.
Galerie Hinten
Wir kommen etwas zu spät und müssen den re:marx-Tourbus auf dem Ampelübergang vorm Lokomov parken. In der Galerie Hinten hat sich eine lange Schlange gebildet, es ist sehr voll. Die roten Multiplexplatten, aus denen Theke und Tische gebaut sind, gefallen uns sofort. Es gibt Ingwerwasser, Zitronenwasser, Minzwasser und Gurkenwasser. Wir bestellen „Pizza Polpette“ und Bärlauchbrötchen. Die Bedienung ist nett. Der Bärlauchgeruch erinnert jedoch unangenehm an Südleipzig, dem Hauptverbreitungsgebiet von sächsischem Bärlauch. Ist also auch hier schon der Westen eingezogen? Die Hackfleischbälle auf der dünnen Pizza stimmen uns milde. Der Käse zerspritzt warm im Mund und einige Fettspritzer landen auf Lars Faßmanns MacBook.
Galerie Borssenanger
Zurück in der Innenstadt parken wir am Johannisplatz und klemmen einen Strafzettel unter den Scheibenwischer, ein alter Trick. Die Galerie ist voll und ein wichtiger Mann schreit rum. Wir werden gefragt, ob wir schonmal da waren und wissen würden, wie der Laden funktioniert. Wir bejahen und bekommen eine Plastikkarte ausgehändigt. Die Tische sind mit Kräuterbeeten verziert. Wir sind unsicher, ob wir davon essen dürfen und probieren heimlich Basilikum. Die Pasta müssen wir uns selbst holen, auch hier steht eine lange Schlange. Wir können sogar beim Kochen zuschauen, toll! Das Publikum in dieser Galerie verfügt augenscheinlich über eine höhere Kaufkraft: Markenkleidung von DIESEL, CampDavid und Amstaff ist hier nichts Besonderes.
Museum Gunzenhauser
Eigentlich wollten wir ins Freibad, doch jetzt sind wir irgendwie in den Drive-In gefahren. Der Mann hinter re:marx nörgelt schon wieder auf dem Beifahrerinnensitz herum und nervt damit, dass die Vernissage sicherlich drinnen ist. Wir parken zwischen zwei schnittigen Wagen mit Kennzeichen ERZ. Wir bestellen Pommes-Schranke (Ketchup+Mayo wie im Freibad), einen Cheese-Burger und einen Erdbeer-Milchshake. Das ist eher so Popart, die nach Pappe schmeckt.
Kunstsammlungen Chemnitz
ENDLICH mal Parkfläche. Niemand parkt hier außer uns, die Vernissage ist scheinbar schlecht besucht. Wir gehen rein und werden direkt von lauter Musik erschlagen. Klassik oder so, aber auf dem Programmflyer steht was von Wagner-Pizza. Zum Glück dauert dauert die Musik nur 200 Minuten, dann strömen die Vernissagebesucher aus kleinen Türen heraus, alle sind geil angezogen. Wir werden von der Masse an eine kleine Theke mitgerissen. Der Boden ist aus Mamor, alles ist 1994. Es gibt Würstchen und Campari-Orange — lecker! Die Musik geht wieder an und wir sehen zu, dass wir dort wegkommen.
Galerie Schmidt Rotluff
Die Vernissagebesucher sind überraschend alt! Gedeckte Farben statt greller Fummel, auch hier eine lange Schlange. Der Galeriechef verhandelt sehr laut. Wir hören Sachen wie „Käseeimer“, „Jogurtangebot, drei Stück für nur einen Euro“ und „darfs etwas mehr sein?“. Die Besucher sind begeistert von der Vielfalt. Die Exponate sind zwar teils schon abgelaufen, aber noch immer noch von sehr guter Qualität. Wir bekommen hier leider nichts auf die Hand, aber sichern uns zehn Ofenkäse für insgesamt 4€.
e.artis Contemporary
Wir parken den Wagen im Chemnitz Center, weil Googlemaps beim Eintippen des Galerienamens abgestürzt ist. Bei Ditsch holen wir uns saftige Analogkäsebrezeln und steigen in die Linie 21. Re:marx sitzt im Bus immer ganz hinten. Gibt es die Haltestelle „Getreidemarkt“ noch? Wahrscheinlich wurde die Haltestelle für die Glutenallergikerinnen weggegendert (Wort des Jahres 2017 der Chemnitzer GGG). Wir gehen rein und verlangen Kaffee. Er schmeckt schlecht. Die Raumgestaltung ist unruhig, wären wir doch im CC geblieben. Was sind das im Chemnitz Center eigentlich für komische Cafés zwischen den Ladenzeilen?
Neue Sächsische Galerie
Wir haben schlechte Laune, weil es nichts zu essen gab und gehen in die NSG an der Zenti. Irgendwer notiert „Recherche ob NSG zu schreiben PC ist“. Das Tolle an der Neuen Sächsischen Galerie sind die Öffnungszeiten. Bis 5 Uhr in der Früh kann man hier Döner, Falafel und Fischburger kaufen, außerdem gibt es Braustolz und Sternburg, Cola und Apfelkrümeltee. Die Bedienung ist unfreundlich, aber die Galerie relativ geschmackvoll: Plastikpalmen und Neon-Lichtinstallationen und so. Die Vernissagegäste waren vorher scheinbar schon im Fuchsbau, das ist eigentlich nicht angemessen. Aber es sind viele junge Leute dabei und das ist ja etwas Positives in dieser Szene.
Galerie Roter Turm
Wir wussten gar nicht, dass sich so viele Leute für Kunst interessieren. Die Galerie hat drei Eingänge, in die die Menschen in Massen hineinströmen. Hier muss es wirklich nichts besonderes geben, und das wollen wir auch. Die Kunst hängt in riesigen Glaskästen und ist sehr vielseitig. In einem dieser Kästen verkauft jemand fangfrische Fischbrötchen und fritierten Fisch in Boxen, wahlweise mit Remoulade oder Cocktailsoße. Wir bestellen einmal Matjes und einmal Fish & Chips und setzen uns an den Strand, um den Tag entspannt ausklingen zu lassen.