The Rage Of Chemnitz. Oder: Eine bittere Erkenntnis.
The Rage Of Chemnitz. Oder: Eine bittere Erkenntnis.

The Rage Of Chemnitz. Oder: Eine bittere Erkenntnis.

Niemand liebt es, wenn andere rumjammern. Trotzdem verfällt jeder gerne mal in sehr viel Selbstmitleid. Und wir sind schließlich auch nur Menschen. Deswegen bleibt festzuhalten: Das Leben eines Bloggers kann schon ganz schön deprimierend sein. Da werden nach stundenlanger Recherchearbeit knallharte Fragen formuliert, diese an einen Künstler XY gestellt, die natürlich für ihren Soundcheck gute ein bis zwei Stunden länger brauchen, wodurch sich so der vereinbarte Interviewtermin weiter und weiter nach hinten verschiebt, und im Anschluss das Gespräch in mühsamer Kleinstarbeit Wort für Wort verschriftlicht bis die Birne glüht. Mit einem unbeschreiblichen Gefühl des Stolzes wird dann der fertige Artikel in die Welt hinausgeworfen. Resonanz: Gegen null. Künstler kennt man eh nicht, wieso sollte das also interessant sein. Zusätzlich ist der Artikel ja eh viieel zuuu laaaaaang. Das Ergebnis für den vermeintlich kreativen Freigeist: Komplette Demotivierung.

Zusätzliches Salz in den aufgerissenen Wundenkrater des investigativen Bloggers streut seit noch gar nicht all zu langer Zeit ein Facebook-Projekt (oder sollte man bereits von einem „Phänomen“ sprechen?) mit dem verheißungsvollen blockbusterähnlichen Namen The Rage Of Chemnitz. Die Idee dahinter ist ziemlich simpel: Man nehme die längst etablierten Memes internationalen Formats und beziehe diese auf längst abgedroschene Chemnitzer Klischees. Das Ergebnis: Innerhalb von kürzester Zeit massive Likes (das Brot und die Währung des Bloggers) und unfassbar viel geheucheltes Lob und Anerkennung.

Verschiedene Faktoren scheinen hier das Erfolgsrezept zu sein. Zunächst haben wir hier den Aufwand: Wenn eine Idee erst mal vorhanden ist, dauert die Umsetzung durch mittlerweile milliardenfach vorhandene Meme-Creators nur wenige Minuten. Dadurch lässt sich wiederum die Frequenz an neuen Memes deutlich erhöhen. Der/die Macher schein(t)en beim Veröffentlichungszeitpunkt eben dieser eine gewisse Taktik zu verfolgen, die so simpel wie effektiv ist. Denn wann sind die meisten Facebookjünger gleichzeitig im Netzwerk ihres Vertrauens? Eben! Deswegen wird der Sonntag meistens dafür genutzt, die über die Woche angestauten, ähm, Projekte nach und nach rauszuhauen und so die meisten verkaterten Gefällt mir-Drücker abzugreifen. Dabei greift das Prinzip der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne unserer Generation: Ein paar Bilder inklusive wenigen Worten im ausgereiften Schulenglisch, und schon ist der kleiner Schmunzler da.

Prinzipiell kann man The Rage Of Chemnitz für die Idee an sich kaum Vorwürfe machen. Mehr Applaus bei so wenig Aufwand ist kaum möglich. Dennoch bleibt die bittere Erkenntnis, dass Aufwand und Hingabe nicht immer belohnt werden. Amen!

2 Kommentare

  1. „Dennoch bleibt die bittere Erkenntnis, dass Aufwand und Hingabe nicht immer belohnt werden. Amen!“ Doppel-Amen!

    Aber warum man deswegen jetzt so ein Hass auf „The Rage of Chemnitz“ schieben muss, verstehe ich nicht. Ich meine es gibt auch andere Facebook-Fanpages, welche noch „weniger“ Inhalte liefern und trotzdem innerhalb von 10 Tagen über 1000 Likes haben.
    „Die Bild-Zeitung“ ist auch beliebt, aber wohl kaum wegen der klugen Artikel.

    Menschen sind eben so und wenn man nur Artikel schreibt wegen der Aufmerksamkeit und nicht weil man es will, dann sollte man aufhören oder eben vom Niveau her ein paar Stufen herunter gehen.

  2. Badluckbrian

    Du siehst das falsch, es handelt sich dabei nicht um Klischees, sondern Fakten. Ich bin eher überrascht, dass nicht alle Chemnitzer total verblendet sind und einsehen, dass hier einiges schief läuft. Nicht ohne Grund kommt es zu Artikeln wie in der TAZ im letzten Jahr.

    Bis dahin, alles Gute aus dem Minsk des Westens.

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