Andrew Butler ist der Kopf von Hercules and Love Affair. Und Andrew Butler ist, naja, raus. Ziemlich raus.
Der Versuch, ihm im Interview güldene Geheimnisse seines Disco-Daseins zu entlocken beginnt mit einem eher unglamourösen Schmatzen. Andrew hat schließlich Hunger. Gänzlich unglamourös auch sein T-Shirt, auf dem das eher angsteinflößende Logo einer Death-Metal-Kombo (der seines Bruders nämlich) prangt. Ohnehin mag Andrew Metal, wie er uns verrät. Hätte er die Wahl zwischen einem Konzertbesuch von … and you will know us by the trail of dead oder Slayer – er würde Slayer nehmen. Klar. Musikalische Extreme sind sein Ding. Disco und Deathmetal, vereint in dem löchrigen Sweater, der das Metal-Shirt umrahmt. Dieser, so philosophiert Andrew, könnte ja genau so auch von Yves Saint Lauren stammen. Stammt er aber nicht. Sondern vom Flohmarkt. Überhaupt ist das mit dem Geschmack ja so eine Sache, sagt Andrew. Schließlich ist dieser nicht angeboren, sondern konditioniert. Hat er alles in seinem Studium gelernt. Gender Studies. In New York. Worüber wir hier aber eigentlich gerade sprechen, ist Disco. Warum ist Disco so verschrien? Und ist Disco wirklich so oberflächlich? Nein, ist es nicht, sagt Andrew. Zumindest nicht das, was Hercules and Love Affair machen. Das, ja, das hat einen tieferen Sinn. Disco, als Ausdruck von Melancholie. Deshalb auch der Albumtitel „Blue Songs“. Obwohl, blau kann ja so vieles bedeuten. Himmel und Meer und so, meint Andrew. Aber eigentlich, verrät er, eigentlich heißt das Album ja nur so, weil das Wort „blue“ so häufig fällt.
Dann stehen Spekulationen über das Publikum im Raum. Hamburg war total „gay“ sagt Andrew und Berlin natürlich auch. München hingegen war sehr „hipster“. Wie es heute Abend wohl wird? Wir vermuten: Hipster … Und liegen irgendwie falsch. Denn Leipzig ist irgendwie alles. Das überrascht, ist aber irgendwie auch angenehm.
Die Bühne, sie gehört nicht Andrew. Sie gehört Kim Ann Foxman, Aerea Negrot und Shaun Wright, die tanzen, animieren und singen, als gäbe es kein Morgen mehr, während Andrew hinten an den Synthies, ja was genau eigentlich tut? Einiges raucht und fragende Blicke seiner drei Sänger zugeworfen bekommt. Was diese aber stimmlich und tänzerisch so darbieten ist ein Augen- und Ohrenschmaus, der Gays, Hipster und Ü-30-Discogänger gleichermaßen beglückt. Lepizig schlägt sich ganz gut, muss sich allerdings auch mit dem Berghain messen lassen. Die Latte hängt also hoch. Doch gerade Sängerin Aerea Negrot, die schon seit geraumer Zeit in Berlin lebt und über dementsprechend gute Deutschkenntnisse verfügt, erweist sich als besonders agile Agitatorin, als unermüdliche Anheizerin. Und so wird der Gig von Hercules and Love Affair im Conne Island in Leipzig zu genau dem, was das Wort Disco an der Oberfläche ja verspricht: einer einzigen, großen Party.