Mehrmals wöchentlich zusammen mit den besten Buddys abhängen ist „beste Leben“, wie du sagen würdest, aber ihr könnt nicht immer nur kiffen und zocken oder zusammen ironisch den Bachelor schauen, denn Chemnitz hat so viel mehr zu bieten: Schlechte Fußwege, laute Ampeln, keine Parkplätze, eine prekäre Sicherheitslage und eine menschenleere Innenstadt nach Acht. Chemnitz braucht euch! Nicht breit auf dem Sofa, sondern draußen auf der Straße als selbstbesessene Selbstjustiz, als ehrenamtliche Egofighter, als freiwillige Straßenbelebungsmaßnahme. Heute erklären wir euch, wie ihr in nur acht Schritten eure eigene Bürgerwehr gründet und Chemnitz vor dem Verderben rettet.
1_ Mobilisiere motivierte Mitstreitende
und gründe eine Gang, das klingt nicht ganz so bieder wie „Bürgerstreife“ und beschreibt im Grunde auch gut, was ihr als Bürgerwehr so macht: Abends in der Gruppe ein bisschen sinnlos draußen abhängen, Quality Time in Chemnitz genießen, als Bande bonden, saufen und vielleicht ein bisschen Stress. Handelsübliche Bürgergangs sind meistens zu Fuß und mit Hunden, die Chico heißen, oder mit ihren Elektro-Seniorenmobilen unterwegs, aber wenn ihr richtig cool seid, könnt ihr die Stadt auch auf Inlinern oder Segways unsicher machen.
2_ Sucht euch ein gemeinsames Feindbild
das schweißt euch noch enger zusammen, ist der soziale Kitt eurer Gang und kompensiert ganz gut, dass sich euer eigenes Leben manchmal so leer und langweilig anfühlt. Fokussiert eure (gem)einsame Wut nicht auf Minderheiten oder Geflüchtete, das ist wirklich nur was für absolute Losergangs, hasst lieber konstruktiv, hasst gemeinsam für ein besseres Chemnitz. Es gibt vieles, wogegen man eine Bürgerwehr gründen kann: Gegen SUV-Fahrer, gegen Kreative, die uns die Freiräume wegnehmen, gegen überteuerte Kuchenpreise, gegen Überwachungskameras oder lautes Nachtleben in der Innenstadt oder gegen besinnungslose Ballspiele im Stadthallenpark. Gründet eine Ringbusbürgerwehr gegen drohende touristische Überfüllung, eine Brühlstreife gegen die Berlin-Mitteisierung des ehemals populeeren Prachtboulevards, eine Lauftruppe gegen die kommerzielle Ausschlachtung des Lulatschs oder am besten einfach eine Bürgerwehr gegen Bürgerwehren,
3_Nie wieder Langeweile!
Von wegen Chemnix los – mit eurer neuen Bürgerstreife habt ihr immer Fun und Action, sogar Sonntagabend, wenn alle Kneipen der Stadt verkatert schlummern. Ihr kommt regelmäßiger raus an die frische Luft, bleibt dabei fit, lernt neue Ecken der Stadt kennen und sammelt ganz beiläufig Selbstoptimierer-Punkte auf eurer Schrittzähler-App. Vielleicht trefft ihr unterwegs sogar noch andere Bürgerwehren, mit denen ihr eine Art Gang-Rivalität aufbauen und die Straße zurück in die Stadt holen könnt.
4_Entscheidet euch für eine Uniform
Die soziale Säule jeder guten Bürgerwehr ist ein stabiler Teamgeist und der entsteht nur durch stabile Teamkleidung, auch Uniform genannt. Besonders gut eignen sich erfahrungsgemäß blaue und schwarze Müllsäcke oder kompostierbare Biomülltüten, falls ihr auf dem Kaßberg unterwegs seid. Warnwesten sind zwar in Paris gerade très chic, aber bergen die Gefahr der Gelbwesten-Sucht. Im Prinzip passen aber beliebte Discounterfarben wie Rot, Gelb und Orange perfekt zu eurem billigen Anliegen und gewähren etwas mehr Verkehrssicherheit in der Nacht. Toll funktionieren auch Polizei-Uniformen aus dem Faschingsladen (Plastik-Handschellen nicht vergessen), ihr könnt euch auch als texanische Sheriffs oder als Michael Kohlhaasen verkleiden, wenn ihr einen etwas intellektuelleren Anspruch habt.
5_Bewaffnet euch
mit Bier und Kippen, die Chemnitzer Nächte sind leer und lang wie ein Ritt durch die spätilose Konsumwüste.
6_Sucht euch euer passendes Stadtgebiet
Man kann nicht auf allen Prügeleien gleichzeitig tanzen, deshalb solltet ihr euren Einsatz auf ein Stadtgebiet beschränken. Es gibt fast überall was zu tun: Umweltsünder am Schlossteich, Zugausfälle am Bahnhof, schlechter Geschmack an der Zenti, Wölfe im Wildgatter Rabenstein, Kindergeschrei im Kaßbergkarree, Hundekacke auf der Küchwaldwiese, Schmierereien am Brühl-Hochhaus – Zeit, dass endlich mal jemand richtig durchgreift! Das funktioniert vor allem dann, wenn eure ehrenamtliche Eingreiftruppe gezielt vor Ort und nicht lose im ganzen Stadtgebiet zerstreut vorgeht.
7_Einen aussagekräftigen Namen finden
Wenn ihr euch im basisdemokratischen Plenum auf ein Stadtgebiet geeinigt habt, braucht ihr noch einen knackigen Namen für unterwegs. „Revolution Chemnitz“ ist leider schon vergeben. Viele Bürgerwehren setzen auf Namen, die sich zufällig ganz praktisch mit SS oder SA abkürzen lassen, also „SUVegang Sonnenberg“, „Säuferstaffel Stadthallenpark“ oder „Schönau Army“. Der optimale Bürgerwehr-Name sollte immer ein bisschen martialisch klingen, in Frakturschrift gut aussehen und sich leicht grölen lassen. Lasst eurer kreativen Wut freien Lauf, baut gerne auch Ausrufezeichen oder Großbuchstaben mit ein. Sehr gut geeignet sind Namen wie: „B-Dorf brennt!“, „NEIN! zum Berlin-Brühl“, „KornerKÄMPFER Krassberg“, „Reichenhain bleibt regional“, „Weststraße wehrt sich!!“, „Ringbus RETTEN jetzt“, „Spätilos durch die Stadt“ „Grauzone Glösa“ oder „Unser Chemnitz und Karl-Marx-Stadt“. Das mit der Alliteration ist allerdings kein Muss, das machen wir nur, weil wir eine stilistische Zwangsstörung haben.
8_Gründe eine Facebookgruppe
Absolutes Muss zum Schluss: Eine geschlossene Facebookgruppe mit vielen Ausrufezeichen im Titel und dem Stadtteil-Ortsschild als Titelbild, in der ihr Artikel oder Bilder von Missständen posten und potenzielle neue Mitglieder akquirieren könnt.
Du hast alle Schritte beachtet? Deine Gäng steht schon in den Startlöchern? Los gehts! Make Chemnitz grey again!
Die nicen Illustrationen hat die liebe Cutesyartstuff für uns gemacht