Not So Urban Dictionary: Kulturhauptstadt – Chemnitz, Chemnitz – Kulturhauptstadt
Not So Urban Dictionary: Kulturhauptstadt – Chemnitz, Chemnitz – Kulturhauptstadt

Not So Urban Dictionary: Kulturhauptstadt – Chemnitz, Chemnitz – Kulturhauptstadt

In Chemnitz laufen die Vorbereitungen für die europäische Kulturhauptstadt derzeit auf Hochtouren oder vielleicht auch nicht, niemand weiß das so genau. Aber alle reden jetzt ständig darüber, weil alle jetzt super wichtig sind. Ihr würdet gerne mitreden, versteht bei all dem coolen Kulturtalk aber nur ICE-losen Bahnhof und fühlt euch wie ein Mittedreißig-Prä-Boomer, der zwar immer noch Jugendsprache verwendet, sich dabei aber immer wieder hart blamiert? Kein Problem: Unser Not So Urban Dictionary gibt euch einen Überblick über die wichtigsten Begriffe des Chemnitzer Kulturslangs.

 

Akteur:  Im Kultur- oder Kreativwirtschaftsbereich agierende Person, die vor allem nach (finanzieller) Anerkennung der Stadt Chemnitz strebt und beleidigt ist, wenn diese nicht wie gewünscht ausfällt. Nicht selten neigt der Akteur zu einer Selbstinszenierung als Kuha-Märtyrer, der sein Leben für ein besseres Chemnitz opfert. Verteidigt sein Revier (Chemnitz) häufig streng und neigt zu Rivalitäten, wenn Akteure von außerhalb invasiv in die heimischen Akteursgefilden eindringen. Konzentriertes Akteurs-Aufkommen ist vor allem hier zu beobachten: Sonnenberg, Open Space, POCHEN Biennale, Hand in Hand Vereinstreffen. 

Apfelbaum: Der Apfelbaum, auch bekannt als Kulturapfel, lateinisch Malus domestica, ist eine populäre Obstbaum-Art, deren Frucht (Apfel) der Menschheit ihren Platz im Paradies gekostet hat, weil die Frau natürlich mal wieder schwach geworden ist. Kulturäpfel werden seit etwa 4000 Jahren angebaut, und weil in Chemnitz alle Trends 4000 Jahre später ankommen, sollen nun im Rahmen der Kulturhauptstadt 4000 Apfelbäume im gesamten Stadtgebiet gepflanzt werden. Vgl. Weparapom 

Audience Development: pseudowissenschaftlicher Kulturmarketing-Begriff aus dem Englischen. Wirkt sehr wichtig, beschreibt aber eigentlich nur, wie man es schafft, dass nicht immer dieselben 200 Leute zu Chemnitzer Kunst-und Kulturveranstaltungen kommen. Pro-Tipp: Den Begriff beiläufig in Akteursnähe fallen lassen, wichtig für Verbal Content Development (spannende Gesprächsentwicklung). 

August 2018: Ein düsterer Sommermonat im Jahr 2018, in dem Chemnitz innerhalb einer Woche vom neuen Leipzig (Begehungen in Gartensparte) zum neuen Hoyerswerda (Nazi-Mob in Innenstadt) wurde. Letztendlich ausschlaggebend für den Titelgewinn, siehe auch: Nazis, Stille Mitte. 

Autodidakt: Person, die sich das SUV-Fahren im ungeländigen, asphaltierten Stadtgebiet selbst beigebracht hat. Alternativ aber auch: Person, die sich ihr Wissen oder Können selbst angeeignet hat. Autodidakt:innen gelten als die Underdogs der Kunstbubble. Und weil Chemnitz voller cooler Underdogs ist, ist das Autodidakt:innen-Aufkommen hier sehr hoch. Geplant ist deshalb die „Garage der Autodidakten“, in der Autodidakt:innen entweder ihre SUVs parken oder nach Bauhaus-Prinzip Kunst und Design von anderen „Meister“-Autodidakten lernen können. 

Bid Book: Das Bewerbungs- oder auch Bettelbuch, mit dem Chemnitz über 100 Seiten lang erfolgreich um den Kulturhauptstadt-Titel gebettelt hat. Eigentlich nicht mehr als ein gut gestalteter Förderantrag mit Stadtentwicklungskonzept, mittlerweile jedoch die Bibel aller Chemnitzer Kulturgläubigen. Im Bid Book steht das künstlerische Programm für das Kulturhauptstadtjahr, wovon 80 Prozent umgesetzt werden müssen –  ob die Kuha GmbH das wirklich schafft, steht allerdings noch zu 80 Prozent in den Sternen. Insgesamt wurden zwei Bid Books eingereicht, wobei das Zweite von der CWE c-förmig von Rennradmännern in Chemnitz2025-gebrandeter Presswurst-Kluft nach Berlin geradelt wurde. 

Bottom-Up-Prozess: Die Dynamik in den Facebook-Kommentarspalten, wenn die wütende Bevölkerung wegen eines windschiefen Weihnachtsbaumes oder im Schlossteich versunkenen Skodas DIE DA OBEN fragt, ob das jetzt Kulturhauptstadt sein soll!!!??!?!

C3: Städtische Tochtergesellschaft, die für Veranstaltungen und Veranstaltungszentren, Freiwild-Konzerte, Esoterikmessen, die Kaisermania, aufblasbare Hüte, wichtige Maker Gatherings und Mario-Barth-Verkehrschaos verantwortlich ist. 

C The Unseen: Kulturhauptstadt-Motto, das eigentlich und offensichtlich „Chemnitz, die Ungesehene“ beziehungsweise „Sieh das Ungesehene“ heißen soll, von der Kuha GmbH neuerdings aber falsch als „Sieh das Unbekannte“ und „Unbekanntes sichtbar machen“ übersetzt wird, weil niemand in Chemnitz Englisch kann. Mit „ungesehen“ waren ursprünglich marginalisierte Menschen, junge, unentdeckte Kunst und Subkultur, europäische Nachbarn, ungesehene Biografien oder ungesehenes Engagement gemeint, die Kuha GmbH macht daraus nun aber lieber eine provinzbiedermeierliche „Bastel- und Macherkultur“. 

CWE: Städtische Tochtergesellschaft, die für Wirtschaft, Tourismus, Imagepolitur und das Kosmos zuständig ist. Hat sich im Bewerbungsprozess hauptsächlich um die stadtinterne Kommunikation gekümmert und die Stille Mitte mit Kulis, Stickern und Bratwurst ins Kuha-Boot geholt. Von Sven Schulze gehasst und gefürchtet, hat deshalb jetzt weniger Mittel zur Verfügung, siehe Kosmos. 

Capacity Building: heißt so viel wie Aufbau von Kapazitäten und ist DER neue Chemnitzer Dating-Trend 2023. In Berlin machen jetzt alle Sneating, Soft Ghosting, Apocalypsing, Street-Glueing oder CDU-Voting, in Chemnitz macht man Capacity Building. Capacity Building meint auch „Hilfe zur Selbsthilfe“ und wird vor allem in Entwicklungsländern angewandt — und in Chemnitz. Zum Selfcare-Entwicklungsprogramm für Kulturchemnitzer:innen gehören unter anderem Workshops, Konferenzen, Austauschprogramme mit internationalen Festivals, aber auch Förderprogramme zum Ausbau der Schnaps-Kapazitäten der Akteure im Balboa.

Chemnitzer Halbkreis: Halbkreisförmiges Loch mit unterschiedlichen Ausmaßen, das bei Konzerten in Chemnitz regelmäßig vor Bühnen entsteht, weil SO wenig Leute da sind, dass sich alle für Chemnitz schämen und weiter hinten verstecken. Dies führt allerdings dazu, dass es vor der Bühne noch leerer aussieht, weshalb verzweifelte Künstler:innen das Publikum darum bitten, doch etwas mehr nach vorn zu kommen. Manchmal auch in Form eines Wut- oder Tränenemojis, mittlerweile Teil des immateriellen Chemnitzer Kulturerbes.

Chemnitzer Platte: Graue Version des Leibnitz-Kekses mit Fenstern, auch bekannt Oreo des Ostens. 

Chemnitzion richteri: 291 Millionen Jahre alter Lurch, der bei Ausgrabungen in Chemnitz von einem mystifizierten Schülerpraktikanten namens Marcel gefunden wurde und früher anscheinend mal freiwillig auf der Frankenberger Straße gelebt hat. Das interessiert zwar eigentlich nur Herpetologen, trotzdem gilt der Lurch als DER Top-Anwärter für das offizielle Kuha-Maskottchen 2025, siehe Kulturlurch. 

Community Building: pseudowissenschaftlicher Marketing-Begriff, der alles und nichts heißen kann, aber super klingt. Weil Builden was für Maker ist, sollen in Chemnitz zum Beispiel Maker Communites aufgebaut werden. 

Dresden: Mehrfache Verliererstadt an der Elbe: Dresden ist erstens Landeshauptstadt Sachsens, zweitens in der ersten Runde der Kulturhauptstadtbewerbung ausgeschieden, liegt drittens im „Tal der Ahnungslosen“ und hat viertens 2019 nicht nur das Kuha-Battle gegen Chemnitz sondern auch den Sachsenschatz verloren. 

Eastern State of Mind: Cooler Chemnitzer-Kuha Slang für „Ost-Ost-Ost-Deutschland“. Ähnliches Mindset wie „Ostdeutschland, härter als der Rest“, nur in hip, international und Kulturhauptstadt.

Englisch: Eine ursprünglich in England beheimatete, germanische Sprache, die man mittlerweile auf der ganzen Welt spricht, außer in Chemnitz. In Chemnitz vermutlich unbeliebt, weil Englisch als imperialistische Muttersprache des NATO-Westens gilt. Für die europäische Kulturhauptstadt allerdings essentiell. 

europäisch: beschreibt alles, was den Kontinent Europa kulturell, politisch, sozial und wirtschaftlich umfasst, wird bei „Kulturhauptstadt“ gerne vergessen, damit Chemnitz kein internationales, weltoffenes Festivaljahr veranstalten muss, sondern unbehelligt bei Erzgebirgs-Heimattümelei hängen bleiben kann.

europäische Dimension: eigentlich Kernstück der EUROPÄISCHEN Kulturhauptstadt. Für Chemnitz heißt die europäische Dimension konkret, dass das politische Nach-Rechts-Rücken in Chemnitz und Sachsen kein singuläres, sondern auch ein gesamteuropäisches Problem ist, siehe Italien, Schweden, Ungarn, Österreich, Polen, Frankreich, Brexit und so weiter. Die europäische Kulturhauptstadt soll nun die zunehmende Spaltung der europäischen Gesellschaft durch grenzübergreifendes, internationales Maken als gemeinschaftstiftendes Element heilen. Die Stadt muss allerdings aufpassen, am Ende keine Kulturhauptstadt mit heimatdimensionalem Chemnitz-Bezug statt mit europäischer Dimension zu machen.

European Makers of Democracy: ist englisch und heißt so viel wie „Europäische Männer (Macher!) der Demokratie“. Niemand weiß, was damit gemeint sein soll. 

European Peace Ride: Neuauflage der Friedensfahrt, einst so etwas wie die osteuropäische Tour de France, aber für Amateure. Führt 2025, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, von Pilsen nach Chemnitz, entlang des Korridors, in dem sich die amerikanischen und sowjetischen Truppen bewegt haben. Eigentlich ein partizipatives Event für alle begeisterten Radfahre:innen, bisher aber vor allem sportliche Selbstinszenierung midlifekriselnder Rennradmänner. 

European Workshop for Culture and Democracy: engl. für „Europäische Werkstatt für Kultur und Demokratie“, entsteht aktuell in der Hartmannfabrik und solll das Hauptquartier und Besucherzentrum der Kulturhauptstadt werden. Ist gleichzeitig aber auch eine große, partizipative Demokratie-Werkstatt, in der die Stille Mitte entnazifiziert werden soll. 

Garage: einerseits vielmystifizierter Gründungsort von Apple UND von Chemnitz2025, andererseits pragmatischer Schuppen für das Heiligste der Deutschen, das Auto. Außerdem ideales Versteck für sexistische Nackte-Brüste-Poster, Meth-Küchen oder Nazi-Devotionalien. Eigentlich eine längst aus der Zeit gefallene Man bzw. Maker Cave, gleichzeitig edgy und cool ostig. Soll für Chemnitz2025 neu erzählt werden, mit Bars, Konzerten, Pop-Up-Stores, Kunstgalerien, Ostrale, Manga Convention, läuft aber vermutlich am Ende darauf hinaus, dass ein paar Chemnitzer:innen der Welt ihre dreckigen DDR-Dosenöffner und rostigen Reichsflaggen-Sammlungen zeigen, weil man es nicht rechtzeitig schafft, 3000 leerstehende Garagen aufzutreiben und zu bespielen. 

Garagencampus: So genannte Interventionsfläche und Prunkbau der CVAG (ehemaliger Betriebshof). Einst gigantische Garage für Straßenbahnen, bald hippes Kultur-Zentrum mit Guido Günther Streetart-Kitsch und CVAG-Nostalgie-Faktor.

Geld: reicht anscheinend nicht und alle streiten sich darum. Schuld daran sind die zwei Kämmerer, die die Stadt regieren bzw. kaputt sparen, anstatt mal was zu riskieren und in die Zukunft zu investieren. 

Hand in Hand e.V.: Angesagte Craft-Bier Brauerei (siehe Kulturbier,) außerdem Herausgeber des wichtigsten Chemnitzer Insta-Wochenrückblicks.

Headquarter: Aktuelles Büro der Kuha GmbH in der Schmidtke-Bank-Passage mit trostloser Auslegeware, direkt neben der Nazikneipe. 

Hutfestival: Fashion Week der Stillen Mitte, bei der Chemnitzer:innen und Umländer:innen mit selbstgestalteten, ausgefallenen oder hässlichen Hüten und Gründerzeit-Kostümen zu Straßenmusik, Kleinkunst und Langos über den Chemwalk flanieren. 

ICE: Abkürzung für Intercity Express bzw. für „In Chemnitz ewignichthaltend“. Schnell- und Fernzug der Deutschen Bahn, hält in Chemnitz nicht. Ist aber auch nicht so wichtig, wir haben schließlich die A4 und die A72. 

I Love C: Ein mit billigen T€DI-LEDs beleuchteter „Fotopoint“ in der Innenstadt, der 16.000 Euro gekostet hat, genau so in Magdeburg steht und Tourist:innen anlocken soll. Im Herz kann man sitzen, das C steht wahlweise für „Cringe“, „Crystal“, „Culture“, „Cunt“, „Cock“ oder Chicago. Ist nach wie vor ein bisschen peinlich, aber funktioniert ausgesprochen gut und gilt mittlerweile als einer der internationalsten Orte der Chemnitzer Innenstadt. 

Industriekultur: per Definition die Kulturgeschichte ab Industrialisierung, für Chemnitz eine Art Obsession, weil Industriekultur erstens den permanenten Vergleich mit Manchester möglich macht, zweitens ein optimistisches Synonym dafür ist, dass hier zu viele tolle Industriebrachen ungenutzt vor sich hinverfallen und drittens nostalgische Erinnerungen an eine ferne Zeit reproduziert, in der Chemnitz noch eine Weltmacht in Sachsen war.  

Interventionsflächen: Orte, in die die Stadt Chemnitz „interveniert“, also eingreift. Das wiederum heißt: Diese Orte werden für die europäische Kulturhauptstadt aufgepimpt, saniert oder umfunktioniert. Dafür werden insgesamt 30 Millionen Euro investiert. Zu den Interventionsflächen gehören z.B. die Hartmannfabrik, der Garagencampus, das Schauspielhaus, die Chemnitz (Stadt am Fluss), die Stadtwirtschaft und das Karl-Schmidt-Rottluff-Haus. 

Kahlo, Frida: Mexikanische Autodidaktin und feministische Kunst-Ikone, deren Werke laut Bid Book 2025 erstmalig auf europäischen Boden in den Chemnitzer Kunstsammlungen gezeigt werden sollen. Wahrscheinlichkeit, dass das nicht passiert: 100 Prozent. 

Karl-Marx-Monument: Großer grauer Bronze-Avatar von Karl Marx, der seine kommunistische Seele und seinen Namen regelrecht für schlechten Kulturhauptstadt-Merch und pseudo-originelle Marketing-Ideen verkauft. 

Key Indicators: festgelegte Leistungskennzahlen, an denen sich der Kuha-Erfolg empirisch messen lassen soll. Es folgen ein paar Beispiele, unkommentiert: 

  • 350.000 europäische Macher:innen haben sich im Makerspace vernetzt 
  • 2,4 Millionen Besucher:innen zwischen 2023 und 2026 in Chemnitz 
  • 80% aller Projekte passieren mit internationaler Beteiligung, davon sind 35% der Projektpartner osteuropäisch, 25 Prozent aus dem Grenzgebiet (Tschechien)  
  • 75% Prozent der Akteure machen nicht immer dasselbe und wenden sich an ein neues Publikum 
  • 35% mehr Bürger:innen sind offener und kompetenter im Umgang mit Vielfalt
  • 70% der Chemnitzer:innen haben bis 2027 ein positiveres Bild von ihrer Stadt
  • 75% dieser Indikatoren scheitern am Chemnitzer Minderwertigkeitskomplex

 

Kreativ-Achse: Ambitioniertes Projekt, das die beliebten Lost-Places Brühl, Sonnenberg und StraNa mit Einzelhandel, Gastro, Kunst und Kultur wiederbeleben möchte. 

Kosmos: Gesamtheit von allem, was in Chemnitz jung, cool und urban ist. Dieses Jahr zum Mikrokosmos geschrumpft wegen Geld und weil Chemnitz junge Impulse hasst. 

Kuha: Klassische Chemnitzer Abkürzung für „Kulturhauptstadt“, die allerdings das „europäische“ ignoriert, und eigentlich Eukuha heißen müsste. In einer Tradition mit StraNa, Zenti, Babalu, Bibo, Imu und Küwa. 

Kuha GmbH: Verschwörungstheorie, wonach Chemnitz gar keine souveräne Stadt, sondern eine Firma namens Kuha-GmbH ist. Die Kuha GmbH steuert im Geheimen den Great Reset, bei dem alle Chemnitzer:innen durch englisch sprechende Kultur-Akteur:innen aus Berlin, Manchester, Ljubljana, Prag und Budapest ausgetauscht werden sollen. 

Kultur: Magisches Wort, das man in Chemnitz immer dann vor ein neues Projekt setzen kann, wenn man sonst keine gute Idee hat. Wenn man drei Mal hintereinander „Kultur“ mit bunter Kreide auf grauen Beton sprüht, gehen außerdem die Naziprobleme weg.

Kulturbier: Schwach schmeckendes Craft-Beer der Hand in Hand-Brewery, eigentlich Reichenbrander Helles. Die Einnahmen kommen  der Chemnitzer Cultur zu Gute.

Kulturlurch: Kultmaskottchen der Chemnitzer Kulturhauptstadt. Ein 300 Millionen Jahre alter Stein mit dem Spitznamen „Marcel“, siehe -> Chemnitzion richteri 

Kulturregion: neumodischer Euphemismus für „das Erzgebirge“ (und Mittweida), beschwichtigende Beschreibung für Mordor. 

Legacy: deutsch Erbe oder Vermächtnis. Legacy ist etwas, das sonst nur Rap-Legenden haben. Und Chemnitz, wobei Chemnitz in Szenekreisen auch als Rap-Legende gilt. Im Kuha-Jargon ist Legacy das, was nach der europäischen Kulturhauptstadt für Chemnitz und die Kulturregion nachhaltig erhalten bleibt. 

Maker: Modewort aus den frühen Nullerjahren, mittlerweile in Chemnitz angekommen. Angeblich jedoch 2019 von Lars Fassmann auf der Maker Faire erfunden. Maker ist Englisch und heißt auf Chemnitz übersetzt so viel wie „wichtiger Mann, der etwas macht“. Kulturhauptstadt zum Beispiel. 

Maker Communities: größere, internationale Gruppen von wichtigen Männern, die gemeinsam etwas machen, Kulturhauptstadt zum Beispiel. 

Maker Hub: Slang für Maker Husband, auch „Maker Hubbie“, häufig von MWAG (Maker Wives and Girlfriends) verwendet. Alternative Bedeutung: An acht Standpunkten in der Kulturregion entstehen Orte, an denen sich Maker mit Unternehmer:innen, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen treffen und austauschen können. Dort soll es jeweils Labore (sogenannte „Labs), Werkstätten und Coworking-Spaces geben, in denen Kreative, Maker und Bürger:innen gemeinsam mit Millionen von Makertouristen etwas maken, also basteln, kochen oder löten, können. 

makerspace.eu: eine interaktive, digitale und bis dato komplett schwammig definierte Plattform, auf der sich europäische Maker Communities miteinander vernetzen sollen. Der Makerspace ist die virtuelle Version der europäische Kulturhauptstadt 2025 und als digitaler Raum angeblich „der größte Veranstaltungsraum“ der Kulturhauptstadt. Erwartet werden zwischen 2023 und 2026 um die 80 Millionen Website-Besucher:innen. Plot Twist: Die Seite existiert noch gar nicht. 

Makertourismus: Der Sextourismus des kleinen Machers. Tourismus für Menschen, die zum Maken gern auch mal in eine andere Stadt, also nach Chemnitz, fahren. Existiert allerdings nur in der Chemnitzer Fantasie, und gilt als eng verwandt mit dem Dark Tourism. Makertourismus wird im Handbuch zur Kulturhauptstadt folgendermaßen definiert „[Der Makertourismus] bietet Besucher:innen ein lokales Maker-Erlebnis zwischen traditionellen und digitalen Maker-Techniken.“ 

Makers United: Großes Löt-, Laser- und 3D-Druck-Festival in der Chemnitzer Stadthalle. Veranstaltet von der C3. 

ins Maken kommen: Chemnitzer Entsprechung des grausamen Business-Anglizismus „ins Doing kommen“. 

Männer: männlich gelesene Menschen, bilden gemeinsam mit Makern und Machern die drei tragenden Säulen der Chemnitzer Kulturhauptstadt. 

Mikroprojekt: Der Mikropenis der Projekt-Schwanzvergleiche, wird mit bis zu 3000 Euro von der Stadt Chemnitz gefördert und soll mehr niedrigschwellige Beteiligung möglich machen.  

Munch, Edvard: Norwegischer Maler äh Maker, der 1905 in Chemnitz gelebt und als Familienportrait-Maler ähh Maker für die Esche-Familie gearbeitet hat. Im Jahr 2025 sollen seine Werke in einer großen Ausstellung in den Chemnitzer Kunstsammlungen gezeigt werden sollen. Wahrscheinlichkeit, dass das passiert: 100%.

Narrativ: Lieblingswort der Freien Szene, klingt unglaublich gut, heißt am Ende aber auch nur so viel wie (sinnstiftende) Geschichte oder Erzählung. Für die Kulturhauptstadt-Bewerbung wurde ein eigenes Narrativ entwickelt, und das geht so: Industrie – Krieg – DDR – Wende – Spaltung der Gesellschaft bis hin zur Radikalisierung – Nazi-Aufmarsch im August 2018 – Risse kitten durch die magische Macht des gemeinsamen Makens. 

Nazis: ursprünglich: Anhänger der Nationalsozialisten, heute Rechtsextremismus-Maker. Im Chemnitzer Stadtbild nach wie vor präsent, außerdem gut vernetzt mit fest verankerten Strukturen. Nazis sind hier zum Beispiel Stadtratmaker, Supermarktmaker, Securitymaker, Montagsdemomaker oder Südkurvenmaker. Von dort aus wurden auch die Proteste im August 2018 organisiert, bei denen es nach einem Tötungsdelikt zu Hetzjagden auf migrantisch gelesene Personen, Ausschreitungen vorm Karl-Marx-Monument und dem öffentlichen Schulterschluss der AfD mit Rechtsextremisten kam. Die Chemnitzer Rechtsextremismus-Maker wollen 2025 natürlich auch mitmachen und haben schon mal neue Ausschreitungen angekündigt.

Nova Gorica: Stadt an der slowenisch-italienischen Grenze, die im Jahr 2025 ebenfalls die europäische Kulturhauptstadt stellt. 

Nürnberg: Geburtsstadt des großen Franken-Gottes Markus Söder, außerdem neben Hannover, Hildesheim und Magdeburg die (schlechte) Verliererstadt des großen Kuha-Finales 2020. Startete daraufhin gemeinsam mit Söders Biograf Uwe Ritzer und der Süddeutschen Zeitung Beef gegen Chemnitz wegen angeblicher Schiebung, woraufhin die Kultusministerkonferenz die offizielle Anerkennung des Chemnitzer Kulturhauptstadt-Titels vertagte. Den Vorsitz der Kultusministerkonferenz hatte zu diesem Zeitpunkt übrigens: genau, der Freistaat Bayern. 

Opening: Die große Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres, geplant und veranstaltet von der C3. Dabei soll die „Joy of Making“ (Freude des Machens) gefeiert werden und zwar mit einer Kulturmeile, einer Roboter-Disko, einer interaktiven Ausstellung mit „Macher-Werkzeugen“, der großen Maker-Parade mit „digitalen Performance-Elementen“, Klöppelfrauen und Bergmannszug, einem Lichtstrahl über dem Karl-Marx-Monument und dem Spruch „Macher (Männer) aller Länder vereinigt euch“. Rammstein haben zwar leider nicht zugesagt, aber die Veranstaltung klingt trotzdem wie der fantastische Fiebertraum eines kulturhungrigen Lötkolbens. 

Parade: Öffentlicher Umzug oder Marsch, bei der uniformierte oder kostümierte Menschen über Straßen ziehen, winken und dabei vom Publikum am Straßenrand im Viervierteltakt beklatscht werden. Große Chemnitzer Kulturobsession, vermutlich ein geistig abgehängtes Überbleibsel aus dem Sozialismus. Nach dem großen jährlichen Erfolg der Bergparade sind für 2025 viele weitere Paraden geplant: Die Apfelkuchen-Parade, die große Maker-Parade, die Oldtimer Parade, die Sport Parade, die European Peace Ride, eine Camp David Fashion Parade, eine Langos-Parade, eine lustige Hutparade, eine Diesel-Abgas-Parade und wahrscheinlich auch eine Nazi-Parade. Bei vielen Chemnitzer:innen beliebt: Die Idee einer Putin-Panzer-Parade vorm Marx-Monument. 

Partizipation: aus dem Lateinischen, bedeutet Beteiligung, im Kontext der Kulturhauptstadt konkret: Beteiligung durch die Bevölkerung, wird vielerorts vehement eingefordert, ist aber in Chemnitz leider nicht immer eine gute Idee.

Purple Path: englisch für Veilchenvioletter-Pfad, ein Wanderweg für Aue-Fans, der Chemnitz und das Erzgebirge durch Kunst im öffentlichen Raum verbinden soll. Eine Art Pilgerweg für kunstinteressierte Maker, die keine Angst vorm Erzgebirge (siehe Kulturregion) haben. 

POCHEN Biennale: wichtigste Kunstbiennale seit Venedig.  

Rooftop Projekt: Chemnitz ist gemeinsam mit Städten wie Barcelona, Antwerpen, Faro oder Amsterdam Teil und Gründungsmitglied des europäischen Netzwerkes für kreative Dachnutzungen. In dessen Rahmen sollen für verschiedene Dächer der Stadt neue kreative, innovative sowie nachhaltige Nutzungskonzepte entwickelt und Chemnitz endlich zu einer coolen Stadt transformiert werden. 

Self Efficacy: engl. für Selbstwirksamkeit, Konzept aus der Psychologie, beschreibt die Fähigkeit, an das eigene erfolgreiche Handeln zu glauben, selbst bei schwierigen Herausforderungen. Eng verwandt mit Selbstbewusstsein. Existiert in Chemnitz nicht, gilt deshalb auch als Antithese zum Chemnitzer Minderwertigkeitskomplex. Soll durch Kulturhauptstadtprogramm und intensives internationales Maken bei den Chemnitzer:innen gefördert und gestärkt werden. 

Steimle, Uwe: geistiger Hof- und Hauskabarettist der AfD, der mit zurückgebliebenem Ossi-Ningler-„Humor“ sachsenweit die Säle füllt. Macht geschmacklose Witze über Theresienstadt, isst danach Latkes im Schalom. In Chemnitz mindestens so populär, aber nicht im geringsten so stabil wie Roland Kaiser, gern gesehener Gast in der europäischen Kulturhauptstadt.

Stille Mitte: Chemnitzer Trendbegriff für „Biedermeier“. Beschreibt Menschen, die von der Komplexität der Welt zunehmend überfordert sind, sich sich deshalb ins Private beziehungsweise Unpolitische zurückziehen und völlig haltungslos im Camp David-Polo zum Bürgerfest Bratwurst mit Bautz’ner Senf essen. Beschreibt aber auch Menschen, die sich bei Demos in die rechte Ecke hinter die Nazis stellen und sich dann im MDR darüber aufregen, dass sie von den bösen Medien in die rechte Ecke gestellt werden. Es wurde aber auch schon Kritik am Begriff laut, wonach die Stille Mitte nur eine stark relativierende Beschönigung für die vielen AfD-Wähler:innen aus den rechten Randgebieten sei.

Symposium: Akteurs-Slang für eine (wissenschaftliche) Konferenz. 

Transformationsprozess: Sehr wichtig klingendes Wort, mit dem man Akteure beeindrucken kann. Bedeutet so viel wie Industrie, Krieg, Zerstörung, Wiederaufbau und Wende. 

Weindorf: Das „Futuristic City“ Meme der Chemnitzer Kulturhauptstadt, der grauburgunderfeuchte Traum einer erfolgreichen Chemnitzer Kulturveranstaltung. Wenn sich die Stille Mitte und OB Svenni ein ideales Kuha-Jahr 2025 wünschen dürften, dann wäre ein Jahr lang Weindorf mit ein paar internationalen Alleinunterhaltern, paneuropäischer Bergparade und Streetfood-Markt, in dessen Rahmen im ganzen Chemnitzer Stadtgebiet 4000 Weinstöcke gepflanzt werden. 

Weparapom: Kunstwort, zusammengesetzt aus We, Para (wie Parade) und Pom (wie Pomologie, Obstbaukunde). Parade der Apfelbäume, für die im Stadtgebiet 4000 Apfelbäume gepflanzt und mit künstlerischen Interventionen zu Themen wie Migration, Normierung, Arbeitsbedingungen, Biodiversität und Nachhaltigkeit gefeiert werden sollen. 

Zenti: Slang für Zentrale Umsteigestelle, wird voraussichtlich auch 2025 eine Rolle in Chemnitz spielen. 

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