Unser geliebtes Erzgebirge: Heimliche Hipsterwiege und heimelige Traditions-Trutzburg im Süden Sachsens. Hier wird Volkskunst noch geschätzt, werden Werte noch groß geschrieben und Bräuche liebevoll gepflegt, hier gab es Weihnachten schon, bevor der große Coca-Cola-Truck den ahnungslosen Rest der Welt damit missionierte. Jeder eingefleischte Erzgebirgs-Experte weiß: Am allerschönsten ist es hier in der Adventszeit. Wenn die eifrigen Bergmänner durch festlich geschmückte Straßen marschieren. Wenn die kleinen Dörfer und Crystal-Küchen unter der zuckerweißen Schneedecke glitzern. Wenn Weihnachtspyramiden brennen und der Räucherma hustet, wenn es auf den Märkten verführerisch nach Stollen duftet, nach gebrannten Mandeln und nach ausgekotztem Glühwein. Dann, ja dann, wird endlich auch wieder gelichtelt im Erzgebirge.
Dieses Jahr jedoch schien die Sehnsucht nach der erzgebirgischen Gemütlichkeit besonders groß. So groß, dass man in Schneeberg im November – ohne lange zu fackeln – sozusagen schon mal auf Verdacht vorlichtelte.
So kam es, dass die Autorin aus Recherche-Gründen in die Facebook-Gruppe „Schneeberg wehrt sich“ klickte, um sich (unter der Gefahr einer möglichen späteren NPD-Werbung am rechten Facebook-Werbe-Rand) davon zu überzeugen, wie abgrundtief blöd der Mensch eigentlich sein kann, wenn ihn der Sozialneid innerlich zerfrisst und eine rechtsextremistische Partei dessen Ängste erst ein bisschen schürt und anschließend, in Kombination mit wertbehafteten Bräuchen, stark instrumentalisiert. Unter den unzähligen kotzhohlen Kommentaren befand sich auch der einer besonders besorgten Bürgerin. So könne das mit Schneeberg unmöglich weitergehen, schrieb sie. Was solle denn dann bloß aus unserem schönen Weihnachten werden? Unsere geliebten Weihnachtsmärkte und die Schwibbögen und überhaupt, das alles werde es bald nicht mehr geben, alarmierte sie ihre ebenfalls besorgten Mitleser.
Weil heute Nikolaus, und weil wenigstens Weihnachten das Fest der Liebe und der friedlichen Koexistenz ist, sagen wir es mit Siegmar (höhö) Gabriel: Das ist natürlich Quatsch und mindestens absoluter Blödsinn. Schwibbögen sind schließlich für alle da, Glühwein scheint interkulturell konsensfähig und die drei Weisen aus dem Morgenland waren keine „Asylbetrüger“, sondern ein wichtiger Teil der hier doch so frenetisch gefeierten Weihnachtsgeschichte.
Unser Vorschlag für eine friedliche Vorweihnacht im Erzgebirge: Das integrative Schwibbogen-Modell „Tausendundeine (Weih)Nacht“ zum Selbersägen (Achtung: nur für Fortgeschrittene) – für ein weltoffenes Lichteln im abendländischen Advent.