Vergangene Woche neigte Klaus Kleber im heute-Studio den Kopf ganz besonders schief zur Seite und sprach vom „Sommer der Kriege“. Na fein, denkt sich da der geneigte Zyniker vorm Mediengerät angesichts der derzeitigen globalen Schieflage. Hieß das neulich nicht noch „Sommer der Liebe“? Sprach man nicht einst vom „Sommer unseres Lebens“? Wo “früher“ also alles besser war und man im Sommer barfuß über duftende Alpenwiesen tanzte und mit haarigen Hippies am Lagerfeuer sang und nachts nackt in den See sprang und die BILD Schlagzeilen wie „Hammer-Hitze in Heidelberg“ auspackte, tobt nun der „Sommer der Kriege“. Für grundsätzlich weltschmerzgeplagte Kulturpessimisten wie mich uns sind das wahrlich harte Zeiten, in denen nicht mal mehr die in Deutschland ohnehin schwer auslieferbare Allzweckwaffe Ironie hilft. Auch der vom Aussterben bedrohte Qualitätsjournalismus hechelt da nur noch hilflos hinterher, röchelt schwerfällige Schlagzeilen und kotzt Informationsbrocken ins Netz – Hauptsache sie lassen sich leicht wegputzen:
Fünf Dinge, die Sie jetzt über den IS wissen sollten.
Fünf Fotos von kopflosen Toten, die Sie nie vergessen werden.
Fünf Fakten über die Ausbreitung von Ebola in Europa, die Ihr Leben verändern werden. Sie werden nicht glauben, was diese fünf süßen Katzenbabies mit dieser kleinen Spitzmaus machen!
Und: Er erfindet neue furchtbare Wörter für eigentlich nicht so ganz neue, aber nicht minder unschöne Phänomene – die Rede ist vom Nipster. Was klingt wie ein niedliches Nagetier ist jedoch weitaus schlimmer als die letzte Waschbärenplage in Niederwiesa: Nazis, die gern so wären wie Hipster. Sie tragen Jute-Beutel und Bärte und kochen vegan und anti-koscher auf YouTube. Und weil das Elend der Welt anscheinend noch nicht groß genug ist, bedrohen sie nun auch noch die demokratische Grundordnung in Chemnitz.
An der Theke der ausgeschlachteten Subkultur-Codes liegt der Hipster-Habitus gerade im Sonderangebot – und weil der so schön egozentrisch und außerdem ziemlich unpolitisch ist, langt der Nazi, der schon immer irgendwie auch ein Modeopfer war, gerne zu. Doch während Hipstler harmlose Hedonisten sind, denen man höchstens die Schuld für die Gentrifizierung in die Nike-Air-Schuhe schieben kann, unterwandert der Nipster mit seiner schmutzigen Ideologie in rücksichtsloser Konsequenz alles, was uns hip und heilig ist. Wie sonst erklärt man sich zum Beispiel, dass im Sortiment der stark frequentierten Modekette Zara plötzlich T-Shirts mit dem Slogan „White is the new Black“ und KZ-Uniformen für Kinder auftauchten?
Kein Wunder also, dass sich in einer von Pitchfork ausgezeichneten Hipster-Hochburg wie Chemnitz unter den aufrichtigen Bürgerinnen und Bürgern zunehmend eine große Unsicherheit breit macht, die vor allem in Anbetracht der anstehenden Landtagswahl in Korrelation mit dem parallel stattfindenden Stadtfest am Sonntag absolut berechtigt ist. Viele sind irritiert: Die Stadt ist voll mit Wahlplakaten einer angeblichen PND [Partei der Nipster Deutschland], aber kaum einer weiß:
Ist das nun ein angesagtes Band- oder ein fragwürdiges Wahlplakat oder treibt hier wieder mal der trockene Alkoholiker Rico Ranunkel sein Unwesen? Überhaupt Rico Ranunkel: Ist er, wie mancherorts kolportiert wird, tatsächlich der Parteivorsitzende der PND?
Wie vermeidet man Nipster in der Indie-Disko? Wodurch unterscheidet sich ein Nipster-Aufmarsch von einem illegalen Techno-Open Air? Kann ich mich noch öffentlich als Vegetarier bezeichnen, ohne dabei ins Fahndungskreuz des Verfassungsschutzes zu kommen?
Als bundesweit etablierte Bloggerzentrale für politische Bildung (BpB) sehen wir uns dazu verpflichtet, an dieser Stelle wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten, damit irritierte Wähler und Wahlchemnitzer zukünftig wieder echte Hipster von falschen Nipstern unterscheiden können und zeigen hier exklusiv und erstmalig unzensiert die Wahlplakate der angeblichen PND. Denn weil die optischen wie inhaltlichen Grenzen zwischen H- und Nipster mittlerweile so fließend sind wie Eiswasser im Internet, steigt die Gefahr, selbst als gut via Vice informierter Hipster den Nipstern ins Netz zu gehen mit jeder neuen perfiden Parole, die an einen unschuldigen Laternenmast genagelt wird. Sie bedient sich ausschließlich einer symbolisch aufgeladenen Thematik, die auch dem Hipster nahe geht:
Ihr Programm für den laufenden Wahlkampf umfasst folgende Thesen:
Vegetarismus: „Höchststrafe für Rinderschänder! Wählt Veget-Arier!“
Musikinstrumenten-Minderheiten: „Geld von Oma für Synthie von Roland.“
die zunehmende Flut an Partytouristen und der damit einhergehende Gästelistenbetrug: „Berghainmat schützen – Gästelistenbetrug stoppen.“
Barthaar: „Bebartet statt entartet“
flächenübergreifende Undercuts: „Mehr Undercut im Gesicht – Weniger Einschnitte in der Unterschicht“
eine flächenübergreifende Club-Mate-Versorgung: „Wir stehen straff im Matesaft – für eine gestärkte Kameradschaft.“
Und natürlich Drogen: „Weg mit dem Crystal-Dreck. Her mit dem MDMA-Gedeck!“
Dabei schielt die PND stets auf das große Vorbild Vice („Vorbild Vice: Einhorneinwanderung stoppen„) und setzt stark auf Emotionalisierung, indem sie genau das instrumentalisiert, was dem Hipster am meisten am Herzen liegt: Kühe, Omi, unser schönes Berghainmat.
Ob die Partei PND wirklich zugelassen und ob Rico Ranunkel tatsächlich ihr Vorsitzender ist, konnten wir trotz ausgiebiger Recherchen, die uns Google an seine Grenzen brachte, nicht herausfinden. Fest steht jedoch, dass sie sich mittlerweile nicht nur die Optik, sondern auch die Inhalte der Hipster-Bewegung angeeignet hat – und das kann gefährlich werden.
Um die drohende Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Nipster zu unterminieren rufen wir deshalb hiermit alle Leser dazu auf, sich einen Kübel Pfeffi über den Kopf zu schütten, ein Video davon auf Facebook zu posten und drei neue Kandidaten unter dem Hashtag #NoNipster##PfeffiBucketchallenge zu nominieren.