Das Jahr neigt sich dem Ende zu: Es verabschiedet sich mit einem tosenden Sturm, der die letzten Blätter vor dem Fenster aufwirbelt, während in der heimeligen Stube brandfeste LED-Kerzen romantisch am künstlichen Tannenbaum flackern, Frank Sinatra beschwingte Songs singt, man melancholisch am Apfelpunsch nippt und die Marzipan-Schicht vom Dominostein leckt. Und plötzlich weiß man: Die große Best-Of-Listen-Zeit ist gekommen. Endlich!
Denn als echter Popkultur-Nerd liebt man Listen. Sie geben die notwendige Orientierung in dem wirren Weltenchaos, das man als ständiger Gratwandler zwischen Genie und Wahnsinn tagtäglich durchlebt. Solche wegweisenden Listen kann man für ungefähr alles anfertigen, sie lassen sich in Zeiten diffuser Aufmerksamkeitspannen dem zappeligen User mund-und hirngerecht servieren und sind zudem wunderbar objektiv und aussagekräftig, auch wenn sie dank diverser Ranking-Shows durch den manipulativen Dreck der Unglaubwürdigkeit gezogen wurden – was wir natürlich gar nicht gut heißen.
Doch auch wir wollen an dieser Stelle auflisten, was wir, abgesehen von Mutti, in diesem Jahr inbrünstig liebten.
… zum Beispiel:
Die sechs besten dm-Hauls auf YouTube:
6. Barbielovelipsticks
5. Mary M.
4. D-Fashion
3. Vorstadtcinderella
2. Sami Slimani
1. Adi Hitler
oder:
Die drei besten It-Schnäpse ’14:
1. Pfirsch
2. Heißer Pfeffi mit Sahne
3. Gin Tai
oder:
Die sechs lustigsten Lanz-Fragen:
1. „Stimmt es, dass sie den Geruch von rohem Fleisch mögen“?
2. „Wieviel verdient man als Prostituierte“?
3. „Haben sie schon mal gekifft?“
4. „Raus aus dem Euro oder drinbleiben?“
5. „Ist das richtig, dass ihr alle dienstlich schon mal miteinander rumgemacht hat? Wie war das?“
6. „Wie ist das denn so, wenn da ganz viele kleine Schwarze sind, und dann kommst du, groß, weiß, wie Hui Buh, das Schlossgespenst?“
oder
Die fünf dümmsten Namen für Demonstrationen im Abendland:
1. Chemnitz wehrt sich
2. Pegida
3. Bagida
4. Dügida
5. Hogesa
und so weiter. Da Re:marx aber bekanntermaßen die Spex („Alle happy? Ein Scheißjahr geht zu Ende“) unter den Chemnitzer Popkulturblogs ist, nur mit einer noch höheren Fermdwortquote, haben wir uns letztendlich für eine klassische Best-Of-Musik-Liste entschieden.
Doch anstatt einer standardmäßigen „Re:spex Alben des Jahres“-Wahl folgt nun eine Playliste mit den musikalischen Favoriten unserer stets überkritischen und überdurchschnittlich überintellektuellen Redakteure, weil die redaktionsinternen Geschmäcker derart diversifiziert sind, dass sich eine subkulturelle Konsensfindung als impossibel konstatierte. Zwar müsste diese Playlist eigentlich die hottesten Hits 2017 beinhalten, weil wir als überhippe Blogger natürlich heute schon wissen, was in drei Jahren so geht, dennoch enthält sie ein paar Titel, die soo 2012 sind – weil 2012 einfach mal das neue 2017 ist.
Auch in dieser Playlist: Kreidler aus DüfuguMu (Düsseldorf für gute Musik). Die sauerkrautigen Elektro-Popper sind nicht nur absolute Speck ähm Spex-Lieblinge sondern szeneintern ziemlich legendär und deshalb genau die richtige Band für ein Konzert in Chemnitz. Schließlich ist hier der Sinn für feine Pop-Delikatessen mit artsy Abgang besonders ausgeprägt. Ja, der Chemnitzer Musikfreund ist so speziell und independent, dass er meistens eben gar nicht zu Konzerten geht – weil das ja irgendwie schon wieder zu Mainstream wäre. Nun haben auf Subkultur spezialisierte Wirtschaftswissenschaftler jedoch herausgefunden, dass diese Art von Hipstertum absolut kontraproduktiv ist. Sie empfehlen, trotz gefährdetem Hipster-Habitus und drohendem Gesichtsverlust, regelmäßige Konzertbesuche für Leute, die Musik mögen. Zum Beispiel morgen im Weltecho. Aber auch für sonstige hochwertige Popmusikveranstaltungen gilt: Man darf tatsächlich hingehen. Es ist sogar okay, dafür Geld zu bezahlen. Für total eingefleischte Hardcore-Hipster verlosen wir jetzt dennoch zwei Freikarten für das Konzert für Kreidler. Und zwar wie gehabt auf unserer Facebook-Seite.
(ylh)