Blogger sind auch nur Menschen (und betonen dies gerne und vor allem oft). Deswegen benötigen auch Blogger für gewisse Dinge manchmal etwas mehr Zeit. Die soll eigentlich bereits genug Entschuldigung dafür sein, warum wir jetzt erst ein Interview in die große weite Welt hinauswerfen, was bereits am 16. Januar 2013 stattfand. Die im Jahre 2006 gegründete Band Yesterday Shop machten im Zuge der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debütalbums Halt im Chemnitzer Atomino und präsentierte dort ihren postrock- und shoegazebeeinflusten Indie-Pop-Rock, der sowohl live, als auch auf Tonträger massiv zu überzeugen weiß. Wir unterbrachen Sänger Clemens Kluck beim Stullenessen, um mit ihm gemeinsam über Gott und die besagte Welt zu plaudern.
Ihr habt gestern Eure Tour in Dresden begonnen. Wie lief es dort?
Es war sehr schön. Wir haben im Societaetstheater ein bestuhltes Konzert gespielt, was im Endeffekt für uns auch recht lustig war, weil es nicht unbedingt zu unserer Musik passt, aber da es eben ein Theater war, und die Leute dadurch sehr aufmerksam sind, hat das dann doch ganz gut gepasst.
Und heute: Chemnitz.
Genau! Ein paar von den Jungs waren schon einmal hier, weil sie auch Freunde hier haben, aber für mich persönlich ist es das erste Mal. Leider blieb noch nicht wirklich die Zeit dafür, etwas von der Stadt zu sehen.
Ursprünglich stammt Ihr aus dem Schwabenland, seid aber jetzt in Hamburg und Berlin verteilt. Was hat Euch dorthin verschlagen?
Das hat schon mit der Musik zu tun, da wir uns ab einem gewissen Punkt gesagt haben, dass wir das professionell machen wollen, auch wenn wir nebenbei noch arbeiten und studieren. Aber die Musik soll einfach im Fokus stehen, und das ist in der schwäbischen Provinz nicht möglich, weil dort die Möglichkeiten und Leute fehlen. Zeitlich hat das für einige von uns aufgrund von Nebenjobs und Studium dann zusätzlich gepasst, sodass wir Nägel mit Köpfen gemacht haben. Florian (Schlagzeuger) wohnt in Hamburg, aber das ist auch nicht so weit weg, als das es dadurch zu Problemen bezüglich Proben oder Aufnahmen kommen könnte. Wir machen eh immer Probenblöcke, wo wir dann mehrere Tage am Stück teilweise zehn Stunden am Tag im Proberaum stehen, was recht effektiv ist.
Im November kam Euer selbstbetiteltes Debütalbum raus. Das habt ihr mit Hilfe von Startnext mitfinanziert. War das erfolgreich?
Das war sogar mehr als erfolgreich. Es hat uns auf jeden Fall geholfen, weil wir das Album über unser eigenes Label Trickser herausbringen, und das ist sozusagen die erste Veröffentlichung des Labels. In finanzieller Hinsicht war dieses Crowdfunding über Startnext total wichtig. Es hat alles übertroffen, was wir erwartet haben. Dadurch haben wir den wichtigsten Teil des Ganzen finanziert. Wir haben das zusätzlich mit gewissen Aktionen verbunden. Man konnte sich beispielsweise ein Privatkonzert „kaufen“. Davon haben wir bereits eins gespielt, was sehr interessant in der Hinsicht war, weil wir die Songs akustisch auf einem Geburtstag präsentiert haben.
Du hast gerade schon Euer eigenes Label erwähnt. Wie ist es zu der Entscheidung gekommen, das zu gründen? Hattet ihr keine Lust, Euch von anderen reinreden zu lassen?
Die Idee entstand in einer Art Notsituation. Wir hatten das Album zusammen mit unserem Produzenten Kristian Kühl fertiggestellt, und dann stand die Frage im Raum: Was machen wir damit? Zunächst waren alle der festen Überzeugung: Wir brauchen unbedingt ein Label, ohne Label geht gar nichts. Wir haben dann jedoch nicht das Passende gefunden, was sowohl von unserer Seite, als auch von Label-Seite aus ging. Für uns war die ganze Zeit klar: Wir wollen künstlerisch unabhängig sein und die Platten machen, die wir wollen. Und wir müssen auch menschlich mit den Leuten klar kommen, was natürlich auch ein wichtiger Aspekt ist. Als wir merkten, dass das nichts wird, haben wir mit ein paar Leuten gesprochen, die selbst bereits ein eigenes Label gründeten. Wir merkten schnell, dass das auch eine Option sein könnte. Auch beruflich, neben der Musik, weil das leider in den meisten Fällen nicht reicht, davon leben zu können. Gleichzeitig haben wir uns aber auch gesagt, dass, wenn wir das machen, dann auch richtig – das heißt: Wir veröffentlichen unsere eigenen Sachen, aber auch die von anderen Künstlern.
Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Kristian Kühl gekommen?
Das ist ein ziemlich alter Freund von uns. Er ist ebenfalls in etwa so alt wie wir, und spielt bei der Hamburger Band Findus. Mit denen haben wir vor etlichen Jahren zusammen gespielt. Dadurch hat sich eine Freundschaft entwickelt. Er hat zunächst für Swen Meyer gearbeitet, der auch schon unter anderem Kettcar und Tomte produziert hat, und fing irgendwann an, selbst Sachen zu produzieren, die, wie ich finde, unglaublich genial sind, weil er einfach ein unfassbar gutes Ohr sein eigen nennt, also nicht einfach nur den Aufnahmeknopf drückt, sondern auch ganz viel mit entwickelt. Klar – die Soundideen sind unsere, aber wenn es einfach um Sachen geht, die man als Band nicht mehr selbst hört, und man eine Harmonie beispielsweise in eine bestimmte Richtung verändern könnte, ist er eine große Hilfe. Das ist auch für uns total wichtig: Der kann das und weiß, was er macht. Wir vertrauen ihm da auch voll und ganz. Außerdem ist er auch einfach ein super Typ, mit dem wir bestens klar kommen, was ja auch sehr wichtig ist. Wenn man mehrere Wochen am Stück zusammenhängt, muss eben auch die Chemie zwischen den Leuten stimmen.
Wenn man Euren Sound zum ersten Mal hört, kommt den meisten zunächst nicht unbedingt in den Sinn, dass Ihr aus unseren Breitengraden stammt, weil die Produktion so gut ist. Dieses Denken ist irgendwie in den Köpfen verankert.
Das ist aber auch, finde ich zumindest, das, was sich gerade so ein wenig verändert in Deutschland. Wie bei einer befreundeten Band von uns: Me And My Drummer, deren Sängerin auch bei einem unserer Songs mitgewirkt hat. Es gibt ein paar, die sich sagen: Warum sollten es deutsche Bands nicht im Ausland auch schaffen? Wenn die Musik gut ist, dann kann die auch überall funktionieren. Es ist, glaube ich, auch ein neues Bewusstsein, das entsteht. Zu sagen: Es hat nichts mit dem Herkunftsland zu tun, was man mit seiner Musik anstellt.
Kurz vor der Veröffentlichung Eures Debüts war zu lesen, dass bei Euch eingebrochen wurde. Was ist da genau passiert?
Das war tatsächlich bei mir in meiner Wohnung in Berlin direkt. Ich war zu Besuch in Hannover, weil ich dort vier Jahre lang gelebt habe. Nach meiner Rückkehr ist mir zunächst nichts weiter aufgefallen, weil das Schloss auch ganz normal zugeschlossen war. Dann wurde mir jedoch klar: Moment – da stand doch eigentlich eine Gitarre. Und dort auch. Und hier war doch auch mal ein Cello. Und wo sind eigentlich meine CDs? Der Laptop? Die Kamera? Es fehlte also alles, was irgendwie wichtig ist. Die haben den Schlüssel aus dem Briefkasten gefischt, den die Vormieterin zufälligerweise geschickt hatte. Eine Woche später hatten wir es glücklicherweise wiedergefunden – bei eBay. Ich habe dann direkt die Polizei alarmiert, bin mit denen dort hingefahren, und seitdem haben wir alles wieder zurück. Da ist uns so dermaßen ein Stein vom Herzen gefallen.
So kurz vor Albumveröffentlichung war das natürlich erst einmal ein schlechtes Omen, aber ich habe mir dann direkt gesagt: Du kannst nichts dafür. Und versucht, mich damit abzufinden. Im Nachhinein war es sogar fast positiv, denn ich hatte noch nie so einen Adrenalinschub wie zu dem Zeitpunkt, als ich die Instrumente wieder in der Hand hatte. Und man hat eine lustige Geschichte zu erzählen.
Ihr habt auch noch eine andere, viel lustigere Geschichte zu erzählen, weil Ihr bereits (ungewollte) Berühmtheit erlangt habt – durch eine Rezension in der Frauenzeitschrift „Brigitte“. Wie reagiert man, wenn man davon hört, dort erwähnt zu werden?
Zunächst haben wir das getan, was wohl jeder erst einmal machen würde: Gelacht. Meine Mutter, die selbstverständlich im Besitz eines Brigitte-Abos ist, hat vorher schon immer zu mir gesagt: Clemens, in der Brigitte sind doch immer Musikempfehlungen – vielleicht landet ihr dort auch mal! Ich habe ihr dann immer entgegnet, dass das utopisch sei, und nicht unsere primäre Zielgruppe. Und dann war es doch soweit! Wir haben uns auf jeden Fall gefreut, weil es mal etwas anderes ist, als die gängigen Musikzeitschriften. Die Resonanz ist auch durchaus spürbar – die Auflage liegt ja auch meines Wissens nach bei etwa 700.000 Zeitschriften, was gerade für uns einfach immens viel ist.
Und wie habt Ihr auf den Inhalt des Artikels reagiert? Dort werdet Ihr ja immerhin unter anderem mit Coldplay verglichen.
Das ist so eine Sache für sich. Das haben wir davor auch schon mal gehört, dass Leute uns mit den frühen Coldplay verglichen haben. Uns selbst ist das nie aufgefallen, weil unsere Einflüsse eigentlich aus einer anderen Richtung kommen, sowas wie Postrock und Shoegaze, aber wir finden die ersten beiden Coldplay-Alben auch ziemlich gut. Danach wurde es leider immer schlechter. Insgesamt ist der Vergleich nicht schlimm, aber man wünscht sich als Künstler nicht unbedingt, eine Assoziation zu haben, die so konkret ist.
Du hast gerade schon Eure eigentlichen Einflüsse wie Postrock und Shoegaze erwähnt. Gibt es aus dem Lager irgendwelche konkreten Bands beispielsweise, die Euch beeinflusst haben?
Natürlich gibt es da so Größen wie Explosions In The Sky oder Mogwai, die eben auch viele Leute kennen.
Viele wehren sich immer gegen eine Einordnung in das Postrockgenre. Du bist bisher einer der wenigen, der offen dazu steht.
Wir sind ja auch nicht wirklich komplett in dem Genre verankert. Die meisten Postrockbands haben beispielsweise keinen Gesang, der bei uns sehr wichtig ist. Aber gerade die Gitarrensounds können durchaus damit verglichen werden. Wir haben ja auch teilweise drei Gitarren gleichzeitig. Ich finde sowieso, dass das ein Genre ist, das sein Alleinstellungsmerkmal inklusive Nischendasein hat, was ich ganz interessant finde, weil es dadurch kein Massenphänomen ist.
Euer Cover gefällt mir persönlich sehr gut, weil es zunächst etwas minimalistisch wirkt, aber nichtsdestotrotz sofort fasziniert. Wer hat das gestaltet?
Das war eine gute Freundin von uns, die uns schon lange kennt. Eine Modedesignerin. Wir wussten, dass sie in der Richtung sehr bewandert ist, und haben sie daraufhin gefragt, ob sie auf so etwas Lust hätte. Sie hat uns dann ihren Entwurf gezeigt, und wir haben sofort gesagt: Nehmen wir!
Ob sie direkt unsere Musik gehört hat beim Zeichnen, weiß ich nicht genau. Dennoch bin ich mir sicher, dass die Musik Einfluss darauf hatte.
Das aktuelle Album ist zwar noch nicht so alt, aber seid ihr trotzdem bereits wieder am Schreiben, oder ist ähnliches in Planung?
Schreiben tun wir eigentlich immer, weil bei uns alle Soundideen einbringen. Primär heißt es vorerst jedoch, unser Debütalbum zu präsentieren. Oder anders gesagt: Konzerte spielen, Konzerte spielen, Konzerte spielen. Aber klar – parallel arbeiten wir auch stets an neue Stücke. Wir freuen uns schon sehr, ein zweites Album aufzunehmen, und haben dafür auch schon Pläne: Wir werden wieder in die Einsamkeit des Nordens fahren, uns dort einschließen und daran arbeiten.
Verfolgt Ihr noch explizit die Resonanz zu Eurem Debüt? Mir ist aufgefallen, dass niemand so richtig Negatives über Euch geschrieben hat, was ja eigentlich eher selten der Fall ist. Gerade eine renommierte Seite wie Plattentests, die nicht dafür bekannt ist, gute Bewertungen hinterherzuwerfen, gibt Euch beispielsweise acht von zehn möglichen Punkten.
Das ist für uns alles noch relativ neu. Wir haben alle noch nie in dem Maße so ein Projekt gehabt, freuen uns dementsprechend darüber total und verfolgen das auch auf jeden Fall, weil man dadurch sieht: Da ist Resonanz vorhanden, und Leute, die jeden Tag über Musik schreiben und viel zerreißen, sagen uns, dass es ihnen gefällt. Das ist etwas, das anspornt. Wir sind keine von denen Bands, die sagen: Ist uns doch egal, was die Anderen sagen. Auf der anderen Seite haben wir uns aber auch gesagt, dass wir uns nicht zu sehr von dem beeinflussen lassen, was andere über unsere Musik schreiben. Wir sind überzeugt von dem, was wir tun, und stehen da auch voll dahinter.
Vielen Dank geht an die Band für das überzeugende Konzert, und vor allem an Sänger Clemens für die stullenfreie Zeit!