Man kennt das ja: Neulich hat man dem Nachtbusfahrer verhalten „Hallo“ gesagt und ein mühevoll hervorgepresstes „Knmhmhmh“ zurückbekommen, was man direkt unter prickelndem Flirt verbucht hat. Denn schon ein schlichtes „Hallo“ beim Bus-Einsteigen oder generell in der Chemnitzer Öffentlichkeit bedeutet meist mittelschwere Erschütterungen der Chemnitz-Fresse, die ausgerechnet bei vielen Busfahrern (die Busfahrerinnen sind irgendwie okay) besonders steil nach unten zeigt. Natürlich darf man nie pauschalisieren, es gibt auch wirklich nette Busfahrer, die zum Beispiel so lange mit dem Abfahren warten, bis man den Bus keuchend erreicht hat und verzweifelt gegen die Tür hämmert. Oder die auch mal ein kleines bisschen bremsen, wenn sich eine klapprige Seniorin knapp vorm Bus über die Straße schiebt. Jedenfalls ist da dieses klamme Angstgefühl – jedes verdammte Mal, wenn man in den Bus einsteigen und eine Fahrkarte verlangen muss. Und so wird man regelrecht von Chemnitz-Glücksgefühlen überströmt, wenn der Busfahrer das „Hallo“ erwidert und mittelgut gelaunt den Einzelfahrschein rauslässt oder tatsächlich so lange mit dem Abfahren wartet, bis man in den Bus eingestiegen ist oder irgendwas anderes macht, das man gemeinhin als „nett“ bezeichnen könnte. Weil der Chemnitzer Winter naht, und wir alle wieder ein bisschen mehr auf unseren Dopamin-Haushalt achten müssen, ist es jetzt umso wichtiger, die festgefahrene Chemnitz-Fresse mit vorsichtigen Flirtmethoden zu knacken und aus einfachen Nahverkehr-Arbeitern echte Cvag-Bois zu machen. Wir fahrshippen jetzt — und mit unserem Wiki-How könnt ihr das bald auch tun.
1_ Finde eine Buslinie, in der du dich wohl fühlst
In einen Chemnitzer Bus einzusteigen ist wie eine Schachtel Pralinen oder ein Uber in New York zu bestellen (wer kennt’s nicht): Man weiß nie, was man bekommt. Man weiß nie, wann er kommt. Meistens kommt er zwei Minuten zu früh. Meistens ist er halbleer und doch voller Chemnitz-Klischees. Deshalb ist es wichtig, dass du eine Linie findest, in der du dich wohl fühlst, und ganz unbeschwert du selbst sein kannst.
Egal ob Krankenhauslinie, Heckert-Bus oder Sonnenberg-Schaukel, jede Buslinie hat ihren ganz eigenen Charme. Die Nachtbuslinien bestechen mit ranziger Mystik und berauschender Einsamkeit, die Krankenhauslinien sind morbider als jedes Wave Gothic Treffen, bei den Sonnenberglinien fahren die sozialen Konflikte immer auf der Rückbank mit und der Ringbus ist super romantisch, weil er im Unendlichkeitszeichensinn durch Chemnitz düst.
2_ Dein Ticket zum Glück
Der sicherste Weg, einem Busfahrer den Kopf zu verdrehen ist, einzusteigen und eine Einzelfahrt zu verlangen. Doch Vorsicht, Flirtfalle: Wenn du die 2,20 Euro passend zahlst, wird er dich schneller wieder vergessen, als er die gesperrte Kaßbergauffahrt runterdonnern kann. Besser: Die 2,20 Euro mit einem Hunderteuroschein (Fuffi tut’s notfalls auch) zahlen oder deine Smartwatch an die digitale Kassenanzeige halten, und fragen, ob man auch bargeldlos zahlen kann. Wenn du dabei noch leicht lächelst, bekommt der Busfahrer garantiert Herzrasen. Zwar vor Wut, aber daraus kann ja später immer noch Amore werden. Emotionen verhalten sich in Chemnitz wie Teilchen in der Quantenmechanik, sie sind tot und gleichzeitig lebendig, vorhanden und gleichzeitig nicht, schön und gleichzeitig schmerzhaft, heiß und gleichzeitig kalt, und das solltest du nutzen.
Es lohnt sich also, die Geld-Frage so lange zu diskutieren, bis der Busfahrer sein Rendezvous an der Zenti verpasst, weil er lieber Zeit mit dir verbringt. Achte bei der anschließenden versöhnlichen Wechselgeldwiedergabe von 97,80 Euro darauf, ob sich eure Hände „zufällig“ berühren – das ist ein klares Zeichen dafür, dass er auch Interesse hat. Vielleicht hat dein Busfahrer auch gar kein Wechselgeld dabei und brennt mit deinem Hunderteuroschein einfach zur HALTESTELLE einfügen durch. Dann kannst du eine Rückerstattungs-Beschwerde bei der CVAG einreichen, die dich vermutlich mehr Nerven kosten wird, als schlimmer Liebeskummer und dickes Doppel-Herpes zusammen,
Tipp: Es ist nicht schlimm, wenn dir für die Geld-Nummer der Mut fehlt. Alternativ kannst du auch nach einem exotischen Ticket fragen. Verlange doch mal ein VMS-Ticket nach Zwickau für sieben Euro, ohne die Zone vorher auswendig gelernt zu haben, oder eine Zweieinhalbzonen-Monatskarte für drei Personen und schaue, wie der Busfahrer reagiert. So kommt ihr auf jeden Fall ins Gespräch — und wer weiß, vielleicht wird sogar mehr daraus. Ein Jahresabo zum Beispiel.
3_ Herzen auf Speed
Speed, das ist der Puls des Busfahrers, wenn er auf der Reichsstraße beschleunigen kann.
Speed, das ist das weiße Pulver, das du neulich im Nachtbus von den Samtsitzen geschnupft hast.
Speed, das ist ein Film mit Keanu Reeves und Sandra Bullock, den wir mal auf einer Klassenfahrt nach Südfrankreich geguckt haben, nachts im Reisebus natürlich, auf einem Minifernseher, danach lief Gladiator. Der Film geht ungefähr so: Bombe im Linien-Bus, Handgemenge, Schießerei, Explosion, Frau am Steuer, Bus gibt Vollgas, Bus fliegt über Baustelle, noch mehr Explosion, Love — es kann so einfach sein. Was wir damit sagen wollen: Bring ein bisschen Action in die Busfahrt; Adrenalin, Herzrasen, Flirten ohne Tempolimit. Es muss ja nicht gleich das Handgemenge oder die Bombendrohung sein. In Chemnitz sind schon die kleinen Dinge aufregend: Fahren ohne festhalten zum Beispiel, mit einem Kasten Bier, einem dicken Rollkoffer oder einfach nur hinten einsteigen, den Busfahrer während der Fahrt ansprechen, im Mittelteil stehen und sich ans Busgelenk lehnen, drei Haltestellen eher aufstehen und sich durch den Bus schleudern lassen.
4_ Der Klassiker
Ein Blick sagt mehr als tausend Einzelfahrscheine: Wenn du dem Busfahrer nur genug verheißungsvolle Blicke zuwirfst, bremst er an der nächsten Haltestelle vielleicht noch ruppiger, und du stürzt gegen die Trennscheibe und siehst Mercedes-Sternchen. Es heißt ja nicht umsonst: „Wo die Liebe hinfällt.“ Wobei man auch sagen könnte: „Wo die Liebe hinfährt“, nämlich immer zur Zenti, und somit immer in Richtung Rendezvous. Nutze den großen Spiegel hinter dem Fahrerarbeitsplatz, um mit dem Busfahrer Blickkontakt aufzunehmen. Doch bedenke: Chemnitzer Busfahrer sind eher zurückhaltend, auch wenn sie extrovertiert fahren: Extremes Starren, übertriebenes Zwinkern oder gar Lächeln könnten sie nur noch mehr verunsichern — und die Sicherheit der Fahrgäste in Gefahr bringen. Nimm es nicht persönlich, wenn der Busfahrer schnell weg und lieber auf den Straßenverkehr schaut, vermutlich ist er einfach nur schüchtern. Oder schlecht gelaunt. Oder er macht seinen Job gut.
5_ Andere Methoden
Ringbusfahren ist mindestens genauso kompliziert wie eine Chemnitz-Fresse zum Lächeln zu bringen: Am Wochenende und werktags nach 20 Uhr gibt es eine Endhaltestelle am Campus. An der wird man meist mit einem liebevollen „SOFORT AUSSTEIGEN“ rausgeschmissen, und muss in der menschenleeren Betonwüste des Campus auf einen anderen Bus warten, der vielleicht nie kommt, was eine schöne Allegorie auf das Chemnitz-Leben allgemein ist. Allerdings kannst du den Ausstieg auch verweigern, und stattdessen versuchen, dem leicht gereizten Busfahrer einen bis zwei hochgezogene Mundwinkel abzuringen, denn jetzt seid ihr endlich ganz allein im Bus. Manchmal sitzen Busfahrer hinter Hochsicherheitsglas, das sie vor Überfällen schützen, aber dich nicht daran hindern soll, selbst übergriffig zu werden. Denn so lässt sich ganz toll die Aquariumszene aus der „Romeo und Julia“-Verfilmung mit Leonardo diCaprio nachstellen. Romantischer kann Öffentlicher Nahverkehr kaum noch werden.
Falls du doch eher der sachliche Typ bist, helfen vielleicht folgende Tipps:
– Den Halte-Knopf an jeder Haltestelle drücken, aber nie aussteigen
– Auf den Platz direkt hinter dem Busfahrer setzen und eine Diskussion über die neuen Fahrpläne anfangen
– Im Nachtbus so fest in der eigenen Kotze einschlafen, dass dich der Busfahrer an der Endhaltestelle wecken muss
– Den Busfahrer mit einem Straßenbahnfahrer rasend eifersüchtig machen — gerade jetzt, wo es die neuen windschnittigen Straßenbahnen mit WLAN drin gibt, dürfte das ein wunder Haltepunkt für viele Busfahrer sein
6_ Die besten Anmachsprüche
Am wirkungsvollsten ist immer noch ein schlichtes: „Eine Einzelfahrt, bitte“, wobei das „Bitte“ entscheidend ist, denn die meisten steigen direkt mit „EINZELFAHRT!!“ ein — was in etwa den Charme einer überfahrenen Stadttaube hat, die vom ASR von der Straße gekratzt werden muss.
Flotte Sprüche wie
„Ich fahr voll auf dich ab“
„Zeig mir all deine Zonen“
„Fährst du mit mir zum Rendezvous?“
„Lass uns nah verkehren!“
sind zwar sehr schlecht und durchweg grenzwertig, könnten aber funktionieren, da sie dem allgemeinen Humor-Niveau des Chemnitzer Bürgertums entsprechen — hier musst du je nach Busfahrerlaune abwägen.
Unser Tipp: Den Busfahrer auf seinen Bus ansprechen und dabei mit Insiderwissen glänzen. So weiß er, dass du wirkliches Interesse hast und nicht nur auf eine Kurzstrecke aus bist. Erwähne beiläufig, wie schön du die „dynamisch geschwungene Unterkante“ findest, das galante Gelenk oder den imposanten Sexyzylinder Dieselmotor. Überhaupt ist das Thema „Diesel“ ein garantierter Eisbrecher — wenn du jetzt noch mit Statistiken über Diesel-Sauberkeit imponieren kannst, einen „Freie Fahrt für meinen Diesel“-Aufnäher trägst oder wirr wie ein alter weißer Mann irgendwas von Greta und Schulpflicht faselst, findet das nächste Zenti-Rendezvous garantiert nicht ohne dich statt.
Die Illustrationen hat Cutesyartstuff für uns gemacht
Also ich bin Busfahrer bei der CVAG (richtig ausgesprochen heißt es SWAG und nicht C-Fuck) und musste herzhaft lachen. Danke dafür. Ich fürchte allerdings, jeder der sogenannten „Tipps“ würde nicht zum Flirterfolg, sondern zum Rauswurf führen. Für Busfahrer gibt es nur eine große Liebe : den Bus. Euer (stets freundlicher) Sebastian