Von wegen in Chemnitz ist nichts los! Am vergangenen Wochenende erstickte die Stadt förmlich im unerschöpflichen Kultur-und Partyangebot. re:marx entschied sich für eine ausgiebige Konzert-Runde, schaffte vier Bands in knapp 24 Stunden und ward somit Teil eines wunderbaren Oktoberwochenendes. Sensation!
Freitag, 19:30; B-DORF
Die Luft riecht nach Herbst. Klar, kalt und ein wenig modrig. Das Tageslicht wird rar. Und dennoch: euphorischer Fußmarsch durch den finsteren Park, Destination Schauspielhaus. Eine Rolle Plakate klappert verdächtig in meiner ultra-hippen Totebag, die das Logo einer Band schmückt, die eh kein Schwein kennt. Und überhaupt: die Eisenbahnbrücke auf der Zschopauer Straße sieht doch auch fast aus wie das Ostkreuz!
19:45; EXIL.
Destination erreicht. Höchste Vorfreude: endlich der elenden Kälte entkommen und die Speisekarte im EXIL ausgiebig studieren. Zu früh gefreut: die hippe Totebag fühlt sich auf einmal so leer an – die Plakate sind verschwunden. Herber Rückschlag, so kurz vor dem Ziel. Muss umkehren und die Abendbegleitung mit der Speisekarte zurücklassen.
20:15
Alles ist gut! Plakate lagen zwar traurig und einsam im Dreck, konnten aber rechtzeitig vor Diebstahl oder anderen Gemeinheiten gerettet wurden. Sitze nun da und fühle mich überfordert von einer Speisekarte. Entscheiden ist so schwer!
21: 30
Wein wärmt, Plakate hängen, der Laden füllt sich, der Teller leert sich, ein Teil der Abendbegleitung entleert sich verbal – nur „die Band“ fängt ewig nicht an…
21:50
Endlich! Das Licht wird zunehmend schummriger, an der Bar schlürft eine Mischung aus Jogi Löw und Oasis Cocktails und die Mädels von House of Wolves… Moment! Das ist ja ein Mann. Ein einzelner noch dazu. Bescheiden sitzt er mit seiner Gitarre im puffroten Scheinwerferlicht und haucht mit zartem Falsett seine fragilen Folksongs. Anrührend schön! (Wenn das Tischschräggegenüber nur nicht so viel reden…)
Acres of Fire by House of Wolves from House of Wolves on Vimeo.
22:45 FLUCHT
Aus dem Exil. Auf zum nächsten Konzert. Gestalten einer Plakat-Trilogie im Atomino. Mit Umwegen über die pulsierende Innenstadt, von Insidern auch Zenti genannt, ins Weltecho.
23:30 WELTECHO
The Horror the horror! Aber eine schöne Prise solider Indieklänge inklusive fetter, vielleicht auch übertriebener Bühnenpräsenz seitens des Sängers macht das Fürchten zu einer angenehmen Angelegenheit.
Irgendwann, später:
I am in Love. Mhm. Indie-Electro-Clash mit sanfter 30 Seconds To Mars- Note. Stellenweise ekstatisch bis tanzbar. Erstaunen auf der Bühne: dass es so was noch gibt, Konzerte zum Dumping-Preis von 10 Euro! Wir (Publikum) sollten uns wirklich glücklich schätzen. (Amen)
2:40 ZENTI
Der Bus Richtung Campus (N114) platzt aus allen Nähten. BCC tonight? Holla, was ist nur mit dieser Stadt los? Schwenke demonstrativ die Totebag!
Samstag:
13 – 19:00 B-DORF
Unterbiete mich selbst im Nichtstun. Schießen von Selbstportraits im Vintage-Spiegel mit der analogen DDR-Spiegelreflexkamera. Film muss ja irgendwie voll werden. Anschließend Putzen des MacBooks und kritische Inhaltsanalyse von Fashionblogs. Nach so viel kreativen Output sei mir das Ausgehen vergönnt!
20:00 ZENTI
Kulturpluralismus in Chemnitz. Junge Kunstnacht vs. Schlingelfestival vs. Die Boutique von Paul vs. Florian Silbereisen in der Arena vs.
20:30 BETA BAR
Auch ein Angebot: Brokof aus Berlin und A Forest aus Leipzig. Im ultimativen Sonderangebot! Wahrgenommen.
21:40 BETA BAR
Wie immer absolut pünktlicher Beginn der BETA-Konzerte. Brokof aus Berlin haben nicht nur hübsche Videos, sondern auch einen erstaunlich voluminösen Live-Sound. Super! Doch die räumliche Distanz zwischen Band und Publikum scheint unüberwindbar. Walzer tanzen will auch keiner, selbst das rhythmische Klatschen fällt schwer. Liegt aber sicher alles an der bescheidenen Mentalität der Chemnitzer… ähm Szene!
Irgendwann später,
Stagetime für den Mainact, oder so. „Der Typ kann sich zwar überhaupt nicht bewegen, hat aber ne Stimme wie Roger Whittaker!“ In der Tat. Feuchte Augen beim weiblichen Anteil im Publikum. Leichte Irritationen wegen der psychedelischen Präsenz des weiblichen Anteils der Band auf der Bühne. Habe leider die Spiegelflex vergessen. A Forest an sich aber eine wunderbare Mischung aus Bodi Bill, The XX, Stars und Roger Whittaker.
A Square from A Forest on Vimeo.
Vier tolle Konzerte an einem Wochenende. Das Hipster-Herz schlägt glücklich.
00:45: WELTECHO
Zum Abschluss noch ordentlich Raven gehen! Schock bei Betreten des Innenhofes: Party scheint FSK 16 und Einlassstop ist auch. Sehe mich um und erkenne, was wahre Hipster sind: Jung!
Habe leider weder Stoffbeutel noch Lomo-Kamera dabei und bin ohnehin viel zu alt. Viel zu kalt ist es auch. Muss den Heimweg ohne Abschlussrave antreten. Beim nächsten Mal will ich aber Gästeliste!