Dresden, wir haben ein Problem: Sucksen, das Bundesland, in das wir ungefragt hineingeboren wurden, hat sich wieder mal selbst in seiner eigenen Widerwärtigkeit übertroffen, und es damit sogar bis in den Guardian geschafft, wo unser liebster Lügenpresselokalmatador, also die Freie Presse, erwähnt wird, was uns eigentlich echt freuen würde, wenn der Anlass nicht so traurig wäre. Die Briten, von denen Reisezeugenberichten zufolge einige immer noch glauben, dass dieser Hitler gar nicht so übel war, wird’s freuen. German Nazi-awkwardness at it’s best. Prinz Harry kramt schon mal die alte SS-Uniform aus seiner Kostümkiste, beschulterpolsterflügelt von der neuen Erkenntnis, dass SS vielleicht ja auch für Sachsen-Staffel steht und die neuen Bürgerwehren meint, die nachts wutentbrannt ihre Kreise in Käffern ziehen, in die eh keiner freiwillig kommt, nicht mal bedürftige Beschaffungskriminelle oder sonstige vagabundierende Banden. Oder SS steht für Sachsen-Sheriffs, denn Bürgerwehren sind hier eigentlich ziemlich überflüssig, schließlich haben wir unsere (Chemnitzer) Polizei, die zuverlässiger denn je für Rechts und Ordnung sorgt, in dem sie Nazis schützt und Flüchtlingskinder zum weinen bringt, das dann auch noch richtig findet und deshalb jetzt gegen Insassen des Busses ermittelt. Zum Beispiel gegen einen zehnjährigen Jungen, der dem Mob den verdienten Mittelfinger zeigte – und damit angeblich der wahre Übeltäter ist. Man hat gar nicht so viele Hände, wie man besorgten Bürgern und Behörden da Stinkefinger zeigen möchte.
Doch Sachsen hat mehr zu bieten als nur Menschen-Hass und menschliche Hässlichkeit.
In Sachsens Wäldern blüht der Fremdscham, in Sachsens Luft liegt stets der Duft der großen Peinlichkeit. Genau der richtige Zeitpunkt für Hit Radio RTL, dem schiefen Selbstbild der Sachsen, das sich so seltsam stark von dem der restlichen Nation unterscheidet (obwohl ein großer Teil der restlichen Nation vermutlich nicht anders denkt als hier. Hier ist man nur dumm genug, damit auch hausieren zu gehen) jetzt genau das zu geben, was es wirklich nicht braucht: Eine neue Sachsenhymne – für noch mehr Heimatliebe. Aufgenommen wurde der von zwei jungen Texanern, äh Erzgebirglern virtuos komponierte Smash-your-new-neighbours-Hit selbstverständlich in Chemnitz, weil es hier so viele Freiräume gibt. Auch für hirnverbrannte Peinlichkeiten.
Hier ein Auszug aus dem Text:
Sachsen, oho. Sachsen macht froh.
Sachsen, meine Heimat, die immer lacht.
Von der Lausitz bis zum Erzgebirge immer lacht.
Sachsen geile Party macht.
Nur in Sachsen die hübschesten Mädels wachsen.
Aue, Schkeuditz, Makranstädt und Mittweida
Alles was aus Sachsen kommt ist wunderbar
Sachsen meine Heimat, wo das Herz mir lacht.
Zu lachen, füreinander dazu sein, bei Regen und bei Sonnenschein, nie allein,
zu feiern und zu lieben
wir zeigen, wie es geht […]
Dresden, Flöha, Falkenstein,
wer clever ist, muss Sachse sein
Und hier der Link zu unserer Alternative zum deutschtümelnden Text. Wenn schon perinlich-bemüht am Image schrauben, dann doch wenigtens ehrlich, oder, du braunstes aller Bundesländer?
Blutverwandtes Thema: Die verbalen Brandstifterbratzen von der AfD. Haben ihr Büro ja am rechten Rande der Chemnitzer Innenstadt und wenn man abends daran vorbeiläuft kann man einsame, nicht-mal-adlige AfD-Frauen vor ihren Rechnern sitzen und auf ihren Mäusen ausrutschen sehen. Seit Dezember wird das Büro regelmäßig angegriffen, ins Fensterglas zeichnen sich immer wieder neue Splitterkristallkreise oder die Scheiben werden mit sanfter brauner Farbe beschmiert, und auch wenn das sicher nicht förderlich ist, so tut es uns doch nicht leid. Im Gegenteil, irgendjemand hat uns da einen großen telepathischen Wunsch erfüllt. „Die Zeit“ hat Chemnitz jedenfalls als Aufhänger für einen Text über gehäufte Angriffe auf die AfD genutzt und so sprang uns neulich ein anheimelndes „Wir für Chemnitz“ auf der Startseite entgegen – hach. Dank unseres Top-Influencers können wir jetzt auch ein eigenes Plakat anbieten, das wir an den neuen Fahrradgriffen für betagte Fixie-Fahrer anbringen werden.
Nächstes Thema. Die umwerfend schönen Fahrradgriffe, die diese Woche plötzlich an der Leipziger Straße – klar, Leipzig ist ja eine Stadt des rasanten Rad- und des erlahmten Zugverkehrs – auftauchten und Chemnitzer Ampeln zu einem noch furioseren Ort des Aufruhrs machten. Auch wir sind auf diesen Sattel aufgesprungen und haben eigene, gewohnt konstruktive Vorschläge zur Funktionalität dieser Konstruktion angebracht.
Fakt ist vielleicht: Die Fahrradfahrer-Griffe lösten fast so viel Entzücken/Entsetzen aus wie die Einbaumbänke zu ihrer Zeit. Am Freitag ereilte uns Post von einer Leserin, mit dem Vorschlag, doch mal was über Bänke zu machen, auf denen niemand sitzen will.
Zitat:
„Mir ist aufgefallen, dass es hier eine Menge Bänke gibt, auf denn einfach keiner sitzen will. Nicht mal der öffentliche Alkoholiker-Stammtisch. Warum wurden diese Bänke an so merkwürdigen Orten wie Schnellstraßen und neben Autobahnbrücken gebaut.“
In unseren vom vielen untenrum im Internet herumklicken ganz wummrigen Pfeffi-Birnen ergab die Kombination Alkoholiker-Stammtisch und Bänke, auf denen niemand sitzen will jedenfalls – ihr ahnt es vielleicht schon – endlich eine sinnvolle Verwendung für die stämmigen Einbaumbänke vorm Schocken. Wenn sich die Stadt nicht vorher noch ein komisches Glasflaschenverbot für Museumsvorplätze ausdenkt, könnte das eine sichere Bank werden. Im Gegensatz zu der anderen Bank-Geschichte, die die Stadt wie schon das Alkoholverbot und das Open-Air-Eilverfahren jetzt von irgendeiner anderen Stadt geklaut hat: Neue Bänke für Einsiedel. Keine Bürgerwehrbänke, keine Sonnenbänke, keine Infostandsitze, nein, Mitfahrbänke für einsame Einsiedler sollen es sein. Einfach auf die Bank setzen und warten, bis einen der nette Nachbar mit dem Schnappmesser von nebenan mit in den Wald nimmt. „Interessierte haben die Möglichkeit, durch freundliche Autofahrer mitgenommen zu werden.“, zitiert die MoPo den Ortsvorsteher. Das klingt schön. Aber auch traurig, denn freundliche Autofahrer scheinen etwa so rar wie weltoffenene Einsiedler, weshalb man sich das Konzept ausgerechnet in Einsiedel noch viel weniger vorstellen kann. Vor unserem deprimierten geistigen Auge (es regnet viel an diesem tristen Chemnitzer Samstag), friert eine syrische Mutter mit Kind stundenlang im Nieselnebelregen auf der Einsiedler Mitfahrbank und wartet darauf von einem netten Nachbar mit stadteinwärts genommen zu werden, doch alle Autos rauschen eilig vorbei, weil das Herz unserer Gesellschaft schon längst kalt geworden ist.
Was sonst noch geschah:
Thema Sexismus. Alle zwei Jahre wird das Thema ja intensiv ausgekramt, dann wird gesagt, wie wichtig das ist und dass sich was ändern muss, dann vergisst man es wieder, weil Griechenland pleite, Deutschland Weltmeister und der Nahe Osten kaputt gebombt ist, und wenn man nicht aufpasst, haben es die Rechten für sich beschlagnahmt. Und weil man nicht aufgepasst hat, haben es die Rechten jetzt für sich beschlagnahmt und alle anderen, auch der Mann hinter re:marx, sagen jetzt panisch, dass Sexismus immer und überall ist. Auch in Chemnitz, wo die Bürgerwehren auf Bürgersteigen kreisen wie Drohnen über dem Hindukusch, um unsere schönen blonden Frauen zu schützen. Weil wir Sachsen gerne bashen, aber auch gerne sächsisch essen, steigen wir manchmal in Etablissements wie dem Turmbrauhaus ab, um Sauerkraut, Roster und warme Blutwurst mit Braustolz herunterzuspülen, ekelhaft. Das Turmbrauhaus, das dem Gastro-Paten von Chemnitz gehört, ist ein lauter Ort voller nichtmehrganzjunger Männer, die viel Bier trinken und schmutzige Witze reißen, und darum – dachte man sich vielleicht – könnte man die Speisekarten entsprechend „zielgruppengerecht“ gestalten. Aber seht selbst – in das entzückte Gesicht der karrikierten Dame des Speisekartentitelbildes (!):
Zur Beruhigung der Gemüter hier noch ein Random-Foto vom Sonnenuntergang in unserer herrlichen Hood.