Ehrlich gesagt: Die Invasion der Holi Open Airs in Deutschland finden wir fragwürdig. Sehr fragwürdig. Das Gelände des ehemaligen Spinnereimaschinenbaus als Veranstaltungsort mit Potenzial finden wir hingegen reichlich spannend. Beides in Kombination: zumindest interessant und bestimmt totally abgefakt.
Das war:
Ein uraltes Frühlingsfest im Norden Indiens. Eine spirituelle Farborgie mit erotischem Charakter (Vgl. Wiki Pedia, 2012). Menschen, frei von jeder Kaste, bewerfen sich mit bunt gefärbtem Wasser und ebensolchem Pulver, in Indien auch Glual genannt. Damals alles natürlich noch voll öko und so. Jetzt bestimmt so schädlich wie Bubble Tea.
Was hier auch noch war: Das sächsische Manchester. Die sächsische Maschinenfabrik, die Chemnitz ab Mitte des 19. Jh. den grauen Glanz einer Industriemetropole verlieh. Ein wichtiger Teil davon war vor allem seit dem 20. Jh. das Textilgewerbe, lokal verankert im Spinnereimaschinenbau, später dann mit dem Zusatz VEB vermerkt.
Das ist:
Eine kommerzielle Farborgie mit kapitalistischem Charakter: Holi Open Air Berlin, Holi Hamburg Wilhelmsburg, Holi Dresden, Holi Bitterfeld, Holi Wanne-Eickel, Holi Luckenwalde, Holi Darmstadt-Wixhausen… Oh und natürlich das Holi Open Air in Chemnitz. Holy Shit!
Was man hier feiert: vermutlich eigentich nichts, außer ein bisschen sich selbst.
Was auch noch ist:
Blühende Landschaften. Eine Industrieruine und deren Wiederbelebung. Die Sanitätsstelle war als erstes da, es folgte die Treibsand-Crew die aus dem Fabrikhof mit Getto-Style ein Openair-Gelände mit industriellem Chic gemacht hat – eigentlich total optimal für stylische Technoparties.
Das könnte sein:
2000 Chemnitzer sparen sich die 16 Euro Eintritt und investieren diese später in schöne Veranstaltungen mit Herz fernab vom kapitalistischem Partymainstream.
Das wird wohl nichts mehr:
2000 Chemnitzer sparen sich die 16 Euro Eintritt und investieren diese später in schöne Veranstaltungen mit Herz fernab vom kapitalistischem Partymainstream
Darum muss man da gewesen sein:
Pssst: Man muss nicht da gewesen sein.
Darum muss man doch noch dagewesen sein:
Imposante Überreste der Industrialisierung, ausgebrannte Mülltonnen, geschrottete Autos – der Spinnereimaschinenbau bietet alles, was das düstere Abriss-Herz begehrt. Am besten mal an einem Sonntagabend im Winter allein über das Gelände spazieren – das verstärkt den Effekt. Oder ganz einfach auf die nächste Openair-Saison warten. Aber dann bitte ohne buntes Maismehlposter: die viele Farbe trübt nur das industrielle Erleben.