The Hood, the Bad and the Ugly:  Unterwegs in B-Village.
The Hood, the Bad and the Ugly: Unterwegs in B-Village.

The Hood, the Bad and the Ugly: Unterwegs in B-Village.

Jede gute Studentenstadt, wie sie Chemnitz jetzt nicht unbedingt ist, hat auch ein ebensolches Viertel. Wo sich die Kneipen aneinanderreihen wie die Ersties an der Essensausgabe, es mehr Fahrrad- als PKW-Parkplätze und viele entzückende kleine Buchläden gibt, man mit frischen Falafeln auf blumigen Wiesen rumliegen und nachts mit Bier auf Bürgersteigen sitzen kann. In Chemnitz sagt man dazu kurz: Bernsdorf. Jeder von uns hat zu einem Zeitpunkt seines bewegten Chemnitz-Lebens schon mal in Bernsdorf gewohnt. Von einigen als tonnenbrennende Hood kriminalisiert (Messerstichwort „B-Village“), bei anderen nur durch den schlüpfrigen YouTube-Klassiker „Bernsville Couple Making Out“ bekannt, ist Bernsdorf vor allem ein gutes Viertel zum naja, in Ruhe wohnen. Der Brühl ist wenigstens eine echte Geisterstadt, der Kaßberg hat die Häuser schön, der Sonnenberg steht für Gefahr, Gablenz und das Yorckgebiet haben das Gablenz- und das New Yorck-Center. Bernsdorf hat nichts: Nicht mal ein eigenes Einkaufscenter, nur Nah&Gut, na gut. Bernsdorf ist ein bisschen wie das Wetter an dem Tag, an dem wir die folgenden Fotos gemacht haben: Weder schön noch schlecht, sondern irgendwie profillos. Zwar ist das Flair vorm Assi-Netto recht räudig, und manchmal kann man Überfälle auf offener Straße beobachten oder Leute nachts laut kotzen hören, aber das war’s auch schon an Aufregung und großstädtischem Nervenkitzel. Ein paar Bahn-Unfälle gibt es ab und an noch zu sehen, aber das ist eher was für dauergaffende BILD-Leser mit hemmungslosen Hang zu affektierten Alliterationen. Anstelle von Kneipen, Galerien, Clubs und was man halt noch so cool finden kann, haben sich hier Wohnungsgenossenschaften angesiedelt und Steinmetze, denn der Friedhof scheint das heimliche Zentrum des hippen Stadtteils zu sein. So geht Kiez! Garantiert nicht.

Da re:marx ohnehin nur einfache Lösungen für komplexe Probleme kennt und auf multikausale Zusammenhänge pfeift, haben wir schon einen Sündenbock erkoren: Es ist wie immer die Stadt. Nicht nur bei der von starker Bindungsangst geprägten Beziehung zwischen City und Campus hat sie versagt, sondern auch die Etablierung von Bernsdorf als Studentenviertel versäumt. Das ist spätestens seit dem Scheitern des Reba-Projektes amtlich. „Was für ein Mensch bist du?“, hieß das Cafè, das sich später dort für kurze Zeit neben dem super-urbanen und für das Stadtbild absolut wichtigen Fahrradladen einnistete. „Was für ein Name ist das?“, fragte man sich, wenn man mit Bahn oder Bus daran vorbei kurvte, „Was für ein Ortsteil bist du?“, denkt man, wenn man über die Bernsdorferstraße spaziert.

Vielleicht ist auch der Krieg daran schuld, oder derjenige, der ihn damals angezettelt hat, und stimmt ja, das waren die Deutschen. Denn jener hat große klaffende Lücken in  einst schöne Städte gerissen, und auch die Bernsdorferstraße ist ein Ort der (architektonischen) Inkonsistenz – und Inkontinenz klingt zufällig ganz ähnlich. Zerrissen zwischen alt und hässlich, Tradition und Moderne (so steht es zumindest immer in Reiseprospekten, wenn es um irgendwelche semi-sicheren Städte in Osteuropa oder östlicher geht), Sozialismus und Sozialhilfe, Post und Past, Nah und gut. Ein bisschen so, als hätte man Chemnitz in einen einzigen Straßenzug gepackt: Es gibt ein Hochhaus, das ein Hotel ist. Einen assigen Supermarkt. Eine Eisenbahnbrücke, die nicht mal historisch ist. Seniorenfreundliche Altneubauten. Einen orientierungslosen Abschnitt mit Säufer-Park, in dessen Blumenbeeten bestimmt auch schöne Drogen wachsen, Edel-Edeka und favela-artigen Containern. Dann wird’s kurz sonnenbergig, dann plattig, dann dörflich und dann ist Chemnitz zu Ende. Und mittendrin leben viele Rentner, Inder und Trinker. Und ein paar Studenten.

Weil wir es uns zur Aufgabe gemacht haben, die notorischsten Straßenzüge der Stadt in einfühlsamen Fotos zu portraitieren und uns dabei keine soziale Schlucht zu tief, keine Straße zu hart, keine Gasse zu zwielichtig ist, wurde es Zeit für einen Straßenabstrich von einer weiteren Chemnitzer Getto-Legende: Bis auf die Grill-verzierten Zähne mit Butterfly-Messern bewaffnet haben wir die Bernsdorfer Straße bezwungen. Weil wir dachten, dass diese irgendwie spannend sein könnte, Chemnitz-spannend: Irgendwas absurdes geht immer. Auf der Suche nach dem ultimativen Kick, den das Studentenleben in Bernsdorf bereit hält, fanden wir: Nichts. Aber seht selbst – in unserer langweiligen Monotonie-Galerie:

09126 Dinge, die du in Bernsdorf tun kannst, anstatt zu studieren:

 

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