Um das gesellschaftliche Renommè der Wurst sind wir schon länger besorgt. Besorgte Wurstbürger, sozusagen. Zum Wurstbürgertum gehört, dass man das moralische Dilemma dahinter ignoriert: Beim Gedanken an Schlachtabfälle und Massentierzuchthäuser wird uns zwar kotzübel, aber sobald wir auch nur den Zipfel einer Grillwurst sehen, tropft uns der Zahn und alles ist wieder gegessen: Gelebter Hedonismus im Speckmantel.
Diese Woche aber, so scheint es, hat das Ansehen der Wurst jedoch seinen Tiefpunkt erreicht. In Tschechien gibt es Meth-, in Offenbach offenbar Mettküchen. Dort fand jetzt nämlich eine Razzia statt – in einer illegalen Wurstküche. Eine Schlagzeile wie vom Postillon, aber ernst gemeint, bierernst. Einmal Realsatire mit Darm, bitte: In der Wohnung eines Privatmetzgers fand das Veterinäramt imposante 22 Wannen (sic!) Hack und Pötte voller Schweinedärme, natürlich ungekühlt. Daraus wollte er Grillwürste für eine Fete machen, aber die Party fiel wohl ins Wurstwasser, denn das gute Hack wurde vernichtet, was jedoch leider keine entzürnten HacktivistInnen auf den Plan rief. Dafür aber eine drohende Geldstrafe. Eine „illegale Fleischmafia“ stecke nicht dahinter, berichtete die SZ. Welchen Trip man von halbgammeligen Hack wohl bekommt – außer vermutlich eine starke Anregung des Magen-Darm-Traktes, auch Lebensmittelvergiftung genannt – bleibt unklar. Vielleicht löst die illegale Wurstküche ja aber bald die Crystal-Küchen ab. Neue Hoffnung ähm keimt in der Region. In den Suchtkliniken hängen den Patienten dann zwar Fettfetzen zwischen den Schneidezähnen, aber immerhin fallen diese ihnen dann nicht mehr aus. Das Aggressionspotenzial sinkt und die Beschaffungskriminalität – abgesehen von etwaigen Einbrüchen in Metzgereien – vermutlich auch. Unsere Garagen und Fahrräder und Kinder sind dann endlich wieder sicher. Wir sagen: Weg mit dem Crystal-Dreck, her mit dem Hack-Besteck!
Kommen wir zu einem weniger wohlschmeckenden Thema: Wahlen. Kommunalwahlen scheinen für die meisten Bürger so interessant wie der Börsenbericht für Wirtschaftsmuffel. Deshalb gabs auch nur gefühlt drei Prozent Wahlbeteiligung und ein Ergebnis, das in Sachsen wirklich alle überrascht: CDU. Diese hat ja hier ähnliche Werte wie die CSU in Bayern oder die SED in der DDR: 95,8 Prozent zum Beispiel für den Oberbürgermeisterkandidaten in Oberschöna oder 94,4 % für den einer anderen Gemeinde und so weiter, jedenfalls: protzige Prozente. Das ist aber alles noch gar nichts im Vergleich zu Michael Stötzer, dem neuen Baubürgermeister der Stadt Chemnnitz, der gestern mit 56 von 56 Stimmen – also hammerharten 100 Prozent – ins Amt gewählt wurde. Das wiederum bedeutet, dass sein Gegenspieler Jörn Marx, Ex-Baubürgermeister aus Dresden, null Stimmen erhielt. Also ungefähr so viel wie Ann-Sophie zum Grand Prix – und dass, obwohl er den perfekten Name für ein Bürgermeisteramt in Karl-Marx-Stadt trägt. So ist das im Leben: Mal verliert man, mal gewinnen die anderen, mal schreibt die Morgenpost eine sensible Analyse über die Zahl Null.
Mit 100 Prozent kann selbst Ordnungsamtlegende Miko Runkel nicht mithalten. Der erhielt zwar solide 47 von 56 Stimmen, aber auch nur, weil sein größter Konkurrent Rico Ranunkel seine Kandidatur drei Tage vor der Wahl aufgrund privater Probleme zurückzog. Die Chemnitzer Runkelspielchen gehen also in die zweite Saison, es funkelt und furunkelt wieder in der Stadt: Wir erheben zehn Pfeffis auf die kommenden sieben Jahre Menschenverbot in der Innenstadt und beantragen schon mal ein gemeinsames Draußensitzen im Eilverfahren.
Was sonst noch geschah:
Chemnitz hat mal wieder einen neuen zukünftigen Kiez entdeckt: Die Brückenstraße. Denn dort stehen ja schon zwei Baumbänke vor dem Museum, weshalb man gleich anschließen kann mit: „Modernes Wohnen, Cafés und Kneipen rund um die Johanniskirche, ein neues Viertel zwischen Theaterplatz und der sogenannten Parteifalte am Karl-Marx-Monument sowie eine deutlich schmalere Brückenstraße, die zum Weiterbummeln einlädt und so für mehr Leben auch auf der Straße der Nationen sorgt“. Mal sehen, ob das Projekt ähnlich erfolgreich wird wie die gezielte Belebung des Brühls oder die Bebauung des Conti-Lochs.
Don’t drink and drive, nehmt lieber Bus und Bahn. Aber auch hier gilt: Don’t drink and ride the train. Die Straßenbahnsurfer-Szene scheint sich jetzt auch in Chemnitz am Heck der CVAG festgehangen zu haben – unglücklicherweise eher erfolglos, weil mit 1,34 Promille im Blut. Dass das nicht gut gehen kann, hätte man nüchtern vielleicht ahnen können.
Die Polizei, dein Freund und Helfer. Komisch nur, dass man sich trotzdem jedesmal bedroht fühlt, wenn sie sich mit ihren bewaffneten Hosentaschen auch nur 500 Meter entfernt aufhält. Vielleicht liegt es an den Waffen, vielleicht auch an Typen wie dem Prügel-Polizisten, der im Februar am Rande einer Cegida-Gegendemonstration einem 16-Jährigen in den Bauch schlug, wofür es Beifall aus dem Pegida-Lager gab. Jetzt wird er wegen Körperverletzung angeklagt – steht in Chemnitz aber wegen eines anderen Falles vor Gericht: „Weil sich da ein 35-Jähriger einer Personenkontrolle widersetzt haben soll und weder seinen Ausweis zeigte noch Angaben zu seiner Person machte, habe der Polizist den Betreffenden durchsuchen wollen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz, Ingrid Burghart. Der 35-jährige Mann soll sich dem widersetzt haben. Daraufhin soll der Polizeibeamte ihm mehrere Faustschläge verpasst haben – in den Brust- und Halsbereich sowie ins Gesicht, so die Staatsanwältin.“
Das tut schon allein beim lesen weh. Ach ja, die Polizei, dein Feind und Schlägerlein.