Party. – re:marx https://remarx.eu Party. Pöbeln. Poesie. Mon, 17 Jul 2023 07:42:43 +0000 de hourly 1 https://remarx.eu/wp-content/uploads/2020/11/cropped-125012464_432528241474970_4884255275929351572_n-6-32x32.jpg Party. – re:marx https://remarx.eu 32 32 Lachen, Weindorf, Tanzen: Der Guide für die coolsten Orte des Chemnitz-Sommers https://remarx.eu/2023/07/der-guide-fuer-den-chemnitz-sommer/ https://remarx.eu/2023/07/der-guide-fuer-den-chemnitz-sommer/#respond Sun, 16 Jul 2023 15:53:57 +0000 https://remarx.eu/?p=12507 Der Sommer legt die Stadt lahm, mal wieder. Die Chemnitzer:innen ächzen unter der Hitze wie Sven Schulzes Pizza im heißen Mensa-Ofen, suchen Schatten unter den neuen bunten Lampenschirmen, baden im Stadthallenparkbrunnen, machen Siesta auf den Betonbänken am Johannisplatz. Und trotzdem gilt: Man muss sich zeigen in Chemnitz. Deshalb haben wir einen kleinen Guide für die wichtigsten Orte des Chemnitz-Sommers zusammengestellt: Was trägt und trinkt man auf dem Weindorf? Was sagt man vorm Balboa? Wie verhalte ich mich, wenn ich vorm Späti von einem Weltkunst-Redakteur zu Freiräumen befragt werde? Was sollten Brühl-Bewohner:innen bei 100MeterSommer beachten? Wie finde ich auf dem Chemnitztalradweg die große Liebe? Unser Guide bringt euch sicher durch den Sommer. 

Wen man hier trifft: Stadtverwaltung und Stille Mitte, OB Svenni auf Sommertour, die High Society auf hohen Schuhen am Schloss Wackerbarth-Stand, aber auch junge Menschen, die wahrscheinlich ironisch hingehen, weil alle anderen Festivals nicht mehr existieren. Svenni hat sich eine Welt zurecht gespart, in der für die vernachlässigte Chemnitzer Jugend nur noch der traurige Exzess auf dem Weindorf bleibt.
Was man hier trägt: Das Weindorf öffnet schon um elf oder so und dann schlägt die Stunde der Vanilla Girls und Boys – der angebliche Instagram-Trend der Nichtfarben und Nudetöne gehört in Chemnitz schon längst zum guten Farbton: Rentner:innen in zeitlosen Beige oder Chemnitzer Créme schunkeln sich vormittags in Riesling-Laune als wäre das nicht das harte Pflaster der Chemnitzer Marktplatzes sondern die paradiesische Schlageridylle des ZDF Fernsehgartens. Abends trägt man lange Sommerkleider, lässige Leinen- oder Engelbert Strauß-Hosen, Lebenslust und einen leichten Schwipps.
Was man hier trinkt: Klar, Mosel-, Weintor-, oder Saale-Unstrut-Weine sind nicht schlecht, und wer es exotisch mag, greift auch mal zu griechischen, österreichischen oder ungarischen Weinen. Aber wer wirklich was auf sich hält, trinkt einen edlen Sachsen-Tropfen –  wenn der Sachsenschatz ein alkoholisches Getränk wäre, dann ein Elbhang-Spätburgunder Blanc de Noir aus Radebeul.
Was man hier sagt: „Zu Vino sag ich nie no“ oder „Wein heißt Wein“ oder „Man muss auch mal Wein sagen können!“, leicht torkelndes Tränenlachsmiley.
Wozu man hier tanzt: „Griechischer Wein“ von Martin Schmitt singt Udo Jürgens im Bauerplay-Extended-Exzess-Remix.
Lieber nicht: sich bei 80 Grad ohne Schatten in der gnadenlosen Marktplatz-Hitze volllaufen lassen als wäre das ein Partyabend unter der sengenden Sangria-Sonne Mallorcas.
Unbedingt: den weinschweren Kopf regelmäßig unter die großzügigen Wassermassen des ebenfalls torkelnden Marktplatz-Brunnen „Manifold“ halten.
Flirt-Tipp: sich bei der Polonaise zur Schlagermusik vom Andrea Berg Double näher kommen bzw. bei der Polonaise zu Schlagermusik dem Andrea Berg Double näher kommen.
Geheimtipp: Weit wegfahren ist was für Boomer, die denken, Flugmeilen sammeln wäre ein mutiger Akt der Rebellion gegen den „Klimaterrorismus“ der Letzten Generation. Nachhaltige Großstädter:innen setzen jetzt auf „Staycation“ – das heißt, sie verbringen ihre drei Wochen Jahresurlaub auf dem Chemnitzer Weindorf oder in einem Camper am Rande vom: 

Wen man hier trifft: Der Chemnitztalradweg gilt neben der 200 Meter langen Fahrradstraße an der Jannsen-Fabrik als DIE Presswurst-Hauptverkehrsader und ist im Prinzip der einzige Radweg der Stadt. Dementsprechend sieht man hier viele MAMIL (middle aged men in lycra), aber auch EBFDIL (e-bikers fully dressed in lycra) — das höchste Level des in Chemnitz erreichbaren Presswurst-Daseins — und ein paar Menschen, die für die European Peace Ride trainieren (in Kuha-Lycra). Außerdem: selbstoptimierte Inlineskating-Sportpaare (eher unbeliebt), entspannte Spaziergänger:innen mit Hund (sehr unbeliebt), manchmal auch Familien beim gemütlichen Fahrradausflug (bisschen unbeliebt, fahren zu langsam, versperren den Weg), Jugendliche mit BMX-Rädern und Boomboxen (ohne Wertung).
Was man hier trägt: Thermodynamisch im Windschnitt rasierte Beine, die abgetragenen Kuha-Trikots der Tour de Bidbook 2020, die neuesten Tour de France-Trikot-Trends, „Rapha“-Radmützen und Accessoires schicker italienischer Rennradmarken (Bianchi, Pinarello, Campagnolo, Mussolini). Aber auch sportive Camp David Polos sind okay. Modebewusste Fahrradmänner setzen an heißen Sommertagen auf halb offen getragene Trikots, aber Achtung: Körperhaare bremsen.
Was man hier trinkt: isotonische Getränke aus sportlichen Trinkflaschen, Powerade, ein alkoholfreies Radler im Auerswalder Mühlenkeller, Wasser, Wasser, Wasser.
Was man hier sagt: „Zwischen Wittgensdorf und Markersdorf fahr ich eigentlich immer nen 50er Schnitt“, „Bin noch nicht zufrieden mit meinem Pacing“ und ganz laut „MAL ZUR SEITE BITTE!!!!“
Lieber nicht: entspannt an den herrlichen grünen Fluss-Auen der Chemnitz entlang radeln und dabei die Natur genießen.
Unbedingt: verbissen das Tempo halten, passiv-aggressiv auffahren (geht besonders gut mit Mountain- oder Fatbike) und aufpassen, dass man sich nicht von irgendwelchen Low Performance-Bummlern den Schnitt versauen lässt.
Flirt-Tipp: Bei einer Trinkpause unter der Autobahnbrücke von einem Fahrradmann den Unterschied zwischen Road- und Gravel-Bike erklären lassen oder warum Carbon besser ist als Stahl. Geht immer: „Panne“ haben.
Geheimtipp: Im Tunnel vor der einen Brücke kann es sehr kalt werden, man sollte sich für den Notfall also immer warme Winterpresswurst-Sachen einpacken. Das Heizkraftwerk Chemnitz Nord gilt als gefährliche Unfallstelle, weil es da sehr eng ist und alle vom Lulatsch abgelenkt sind. Und: Die wenigsten wissen es, aber der Chemnitztalradweg beginnt und endet am:  

Wen man hier trifft: Chemnitzer Pop- und Subkulturakteure an gigantisch großen Stammtischen, riesige Männergruppen (TU Chemnitz-Ingenieure, Skatspieler, Fußballmannschaften mit eigenem Balboa-Trinkspruch), Student:innen und andere Menschen unter 60 (in Chemnitz selten), Schauspieler:innen und Tänzer:innen in aufregenden Glitzerfummeln, wie man sie sonst nur von Harry Styles kennt. Manchmal, also im Sinne von sehr regelmäßig, fahren aggressive Fatbike-Gangs mit lauter Boombox-Musik vorbei, manchmal grölen betrunkene Marxkopf-Männer irgendwas Frauenfeindliches am Zuhause-Schild, aber die sind alle zum Glück weit weg.
Was man hier trägt: Den casual Brühl Bro Schick: Sneaker und hochgezogene Socken, Sonnenbrille, Basketballshorts. Aber auch Britpop-Haare, Atomino-Tattoos, Babyphones, Metal-Shirts, Vokuhila, Schnauzer, ReSales Hawaii-Hemd und Micro-Mütze sind okay, denn eigentlich ist es komplett egal, was man hier trägt, viel wichtiger ist:
Was man hier trinkt: Limoncello mit Wodka und Tonic, Spumoni oder einen der sehr guten Sours. Absolut nichts falsch machen kann man mit einem kühlen Zwöni vom Fass, Kozel ist auch gut.
Was man hier sagt: „Zwei Assi-Snickers, bitte“ oder „Heute geschlossen wegen gestern“. Mutige sagen: „Stammtisch ist eigentlich voll das patriarchalische Relikt“. Wenn es sehr voll ist, kann man auch mal mit Berliner Themen experimentieren, also mit halbenglischen Selbstfindungs-Satzhülsen oder First-World-Millennial-Problemen wie „Mein Vulva-Abdruck hat erstmal eine Body-Postivity-Crisis bei mir ausgelöst“ oder „Und dann ist uns mitten in Laos der Motorradreifen geplatzt“. An warmen Sommerabenden lässt man den Blick über die letzte belebte Brühl-Ecke schweifen und seufzt: „Hach, fast wie in Italien“.
Unbedingt: Einen eigenen Stammtisch gründen und ein unausgesprochenes Stammtisch-Battle mit den anderen fünf Stammtischen starten. Wem es innerhalb von zwei Wochen gelingt, den größten Balboa-Stammtisch zu etablieren, kann Kiezlegenden-Status erreichen.
Lieber nicht: ein Getränk ohne Alkohol bestellen oder nur ein Wasser oder – großer Faux-Pas –einen Tee. Man sollte außerdem niemals und unter keinen Umständen mit dem Rücken zum Brühl sitzen, sonst verpasst man eventuell noch jemanden, den man kennt.
Flirt-Tipp: Beim Vorbeilaufen einfach mal auf Verdacht in die Menge winken, die Chance, dass da jemand, den man kennt, sitzt und zurück winkt, liegt bei 95 Prozent. Und wer weiß, vielleicht ist ja auch mal jemand dabei, den man noch nicht kennt. (unwahrscheinlich)
Geheimtipp: bei schönem Wetter sonntags hin gehen, das heilt das von geschlossenen Kneipen gebeutelte Chemnitz-Herz. Wer Chemnitz dann immer noch doof findet, hat einfach nicht das richtige Mindset und muss dringend mal in: 

Wen man hier trifft: Entrepreneurs, Founder und CEOs, CFOs und CDOs, Speaker und Expert:innen, aber auch Leader, Managing Directors, Baller, Networker und Kollaborateur:innen. Außerdem: Visionär:innen, Pioneers, Trend- und Mindsetter und hin und wieder auch ganz normale Maker, Möchtegern-Thelens und Mittelstand-Musks.
Was man hier trägt: das, was man auch auf seinem LinkedIn-Profilfoto anhat.
Was man hier trinkt: Kulturmische und Mindsekt auf Eis, Veuve Cliquot und Karls Kollab, Member trinken was von ihrer exklusiven Kaffee-, Tee und Wasser-Flat.
Was man hier sagt: „Danke für deinen inspirierenden Speaker-Impuls zum Thema High Performer-Energie in gelernten Low Level Citys“ und „Wow, das ist ja echt DER neue place to innovate hier!“ Oder man sagt: „Ohne agiles Mindset kommt man heute nicht mehr weit“ und „Hier investiert man nicht nur in Chemnitz, man investiert auch in SICH SELBST!“ Wer es prägnant mag, sagt: „Believe in your dreams und mach Sport!“ Die wichtigste Frage aber ist: „Machst du schon Membership oder wartest du lieber auf das Professional-Coworker-Paket?“
Was man hier meint: „Eigentlich hab ich keine Ahnung, aber ich möchte trotzdem unbedingt was sagen.“
Lieber nicht: hinterfragen, was das eigentlich alles bedeutet (nichts).
Unbedingt: vor dem Fabrik-Besuch ein ordentliches FDP-Mindset zurechtlegen.
Flirt-Tipp: direkt auf LinkedIn vernetzen und gemeinsam einen inspirierenden Speaker-Impuls vorbereiten.
Geheimtipp: statt „Mindset“ kann man auch einfach „Einstellung“ sagen oder „Haltung“, das klingt zwar nicht so wichtig, aber sympathischer und ein bisschen mehr nach ambitionierten Regionalliga-Fußballtrainer – was anderes ist Die Fabrik letztendlich ja auch nicht. Wer wirklich netzwerken will, geht zu: 

Wen man hier trifft: Eventtouristen, die zwei mal im Jahr mit dem Auto aus entlegenen Stadtteilen (Altendorf, Schlossviertel, Brühl) anreisen, um sich dann darüber zu beschweren, dass sie auf dem Kaßberg keinen Parkplatz finden.  Man sieht sie meist in Menschentrauben vor der Haamit stehen und begeistert auf „dieses eine Café“ zeigen oder sich mit Selfiesticks über die Franz-Mehring-Straße schieben und Fotos von der einheimischen Bohéme machen. Aber natürlich sind auch ALLE einschlägig bekannten Kaßberger:innen da, von denen viele genervt „Brühli go home“ in ihre Bratwurst nuscheln oder sich darüber aufregen, dass dieses Jahr wieder nicht die Straße gesperrt wurde und die Touristen die Gehwege verstopfen. Viele von ihnen versuchen auch, ihren alten Kaßberg-Krempel (Meißner Porzellan, Teile vom Sachsenschatz, Papas alte Rolex), der es hier normalerweise nicht mal in eine verlotterte Verschenkkiste schaffen würde, völlig überteuert an Menschen aus „benachteiligten“ Stadtteilen (Adelsberg, Schönau) zu verkaufen.
Was man hier trägt: Der Kaßberg gilt als das Kokain unter den Chemnitzer Stadtvierteln, das heißt: Hier trägt man vor allem ein völlig übersteigertes Selbstbewusstsein spazieren und blickt von oben auf all die anderen Versager-Viertel herab.
Was man hier trinkt oder isst: Eine „Monschter“ in der Winzerstube, das ist eine monströse Weißweinschorle, die Profis direkt aus dem Weißbierglas ballern, oder ein handgebrautes Ale in der Haamit.
Was man hier sagt: „Also ICH würde niemals auf dem Brühl wohnen wollen – ist der nicht schon wieder durch?“ oder „Sonnenberg? Sorry, aber die Akteure dort sind totaaal anstrengend und dann der ganze Zietenstaub“ oder „Ich gehe eigentlich nie in die Innenstadt“ oder „Wo liegt nochmal Bernsdorf?“ Auch populär: „Und wo parkst du?“
Flirttipp: Sich versehentlich im Gedränge an der Lessing-Kreuzung anrempeln und sofort zusammen nach Hilbersdorf durchbrennen.
Lieber nicht: Das kaßbergtypische Kammermusik-Konzert der Mozart-Gesellschaft mit prolligen Brühl-Beats torpedieren oder anderweitig den Sittenverfall anderer Stadtteile in die vornehme Kaßberger Höhenluft importieren.
Unbedingt: 100MeterSommer ist ein Fest in der Hand der Franz-Mehring-Dynastie, der man fast schon Clan-Strukturen nachsagen könnte, deshalb sollten Menschen aus anderen Kaßbergstraßen endlich mal zu Gegenveranstaltungen mobilisieren.
Geheimtipp: 100MeterSommer kann man rund um die Kneipenmeile Franz-Mehring-Straße eigentlich ganzjährig haben – die Straße ist immer voller Verschenkkisten und Kneipen. Wem das zu spießig ist, der sollte mal zum:

Wen man hier trifft: ZDF- oder ARD-Reporter:innen auf der Suche nach dem „anderen“ Osten, einen wohlbehelmten Paul Ronzheimer auf der Suche nach der nächsten kugelsicheren Gefahren-Geschichte, Kunst-Magazine auf der Suche nach den same old Storys über kreative Freiräume, GenZ-Hoffnungsträger:innen auf Suche nach dem neuem Leipzig.
Was man hier trägt: Vintageteile aus dem ReSales an der Clausstraße, bevorzugt aus den Neunziger- (Millennial-Akteure) oder Nullerjahren (GenZ-Akteure).
Was man hier sagt:
„Siehst du das, mein Sohn? Das gehört alles Lars Fassmann! Alles, was das Licht berührt.“ (ausladende Geste über gesamte Zietenstraße)

„Und an dieser Tür hier, da erkennt man noch klar die Einschusslöcher.“ (zu Paul Ronzheimer)
„Leipzig? Berlin? Das sind doch fertige Städte, für mich einfach nicht mehr spannend. Hier hat man noch so krasse Gestaltungsmöglichkeiten, hier kann man noch reinwirken in die Stadt. Die Freiräume sind unglaublich!“ (zu random ARD- oder Kunstmagazin-Reporter:innen)
„Finds ja mega cool hier mit der Baustelle, vor allem wenn man das patriarchalische Bagger-Gehabe aufbricht und neue Nutzungskonzepte entwickelt.“
„Die Küche der Zukunft muss feministischer gedacht werden“.
„Sehen wir uns dann in der StaWi oder in der Sauna?“
Was man hier trinkt oder isst: internationale Cuisine aus aller Welt, dazu ein kühles Sterni
Flirt-Tipp: Zusammen in den Zietenaugust setzen und gemeinsam einen superromantischen Fördermittelantrag ausfüllen. Lieber nicht: Gemeinsam mit Peter Patt in kugelsicherer Weste aufkreuzen. 
Unbedingt: nach dem Essen im Zietentreff versacken. Mit anderen Akteuren über den spießigen Kaßberg lachen und lästern.
Geheimtipp: Der Baustellenstaub und die coolen Kippen legen sich irgendwann auf die Lunge, Zeit mal durchzuatmen. Ab zum: 

 

Wen man hier trifft: Alle. Die Kaßberg-Familien, Mindsetmänner, die Rewe-Randalierer:innen vom Wall, die verschwitzte Stille Mitte, Sonnenberg-Intellektuelle, Triathlon-Trainierende und junge Schwimmflügel-Kader. Für andere ist der kleine Stausee vielleicht nur eine traurige Stadtrand-Pfütze, für Chemnitzer:innen ist Rabenstein wie die Rivera, die Copacabana, die Kosta Karl-Marx-Stadt, der einzige Ort, an dem man sich vom aufgeheizten Moloch abkühlen kann.
Was man hier trägt: Badeshorts in Reichsflaggen-Farben, Eiserne und andere Kreuze, mit heißer Nadel unter die Haut gebrannt.  Auch beliebt: Großflächige „La Familia“-Tattoos und „LA VIDA LOCA“-Schnörkel. Der Rest trägt ganz normale Badehosen, Badeanzüge, Bikinis, Burkinis oder auch mal gar nichts.
Was man hier trinkt oder isst: Überteuerte Freibadpommes, ein Magnum für fünf Euro und lauwarmes Marx-Städter, oben auf dem heißen Sonnendeck.
Was man hier sagt: „Freundebereich“ statt „FKK-Bereich“ und „Damals beim Kosmonaut…“  und dann schaut man auf die sanft rauschenden Tannenwipfel und denkt wehmütig zurück an eine Zeit, in der die Chemnitzer Jugend noch nicht in popkulturlosen Sommern auf dem Weindorf verdursten musste.
Flirt-Tipp: Auf dem FKK-Volleyball-Feld lernt man sicher nette neue Leute kennen.
Unbedingt: Sportlichkeit demonstrieren und auf den aufgeblasenen Eisberg hochklettern (wenn man unter 25 Jahre alt ist)
Lieber nicht: Sportlichkeit demonstrieren und auf den aufgeblasenen Eisberg hochklettern (wenn man über 25 Jahre alt ist).
Geheimtipp: An warmen Sommerferientagen ist die Parksituation oft schwierig und man zahlt noch mal extra. Besser: Bei 40 Grad im Schatten mit dem Fahrrad hochquälen, dann knallt die Abkühlung besser rein. 

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Das große Astro:marx Horoskop: Das sagt dein Chemnitz-Zeichen über dich https://remarx.eu/2023/01/das-grosse-astromarx-horoskop-das-sagt-dein-chemnitz-zeichen-ueber-dich/ https://remarx.eu/2023/01/das-grosse-astromarx-horoskop-das-sagt-dein-chemnitz-zeichen-ueber-dich/#respond Sat, 14 Jan 2023 16:33:19 +0000 https://remarx.eu/?p=12322 Der Januar ist zäh und grau und belastend schneefrei. Kollektives Durchhängen ist angesagt, der Optimismus aus der Silvesternacht längst schon wieder verpufft. Viele Menschen suchen jetzt Trost in haltlosen Horoskopen. Wir sagen: Hört nicht mehr auf diesen pseudowissenschaftlichen Eso-Humbug – was angeblich in den Sternen geschrieben steht, sagt absolut nichts über euer Leben aus, Sternzeichen sind eine Lüge. Was hingegen wirklich zählt ist, was in den Chemnitzer Beton gemeißelt steht, und da sieht es ganz anders aus als bei den Sternen. Deshalb hat Astro:marx für euch die Chemnitzer Umlaufbahn neu berechnet, die IloveC-Konstellationen neu geprüft, die rückläufige MRB ganz genau beobachtet und ein wissenschaftlich hochgradig fundiertes, vom Kosmonauten-Zentrum geprüftes und von Harald Lesch falsifiziertes Horoskop erstellt. Sternzeichen sind was für die Brigitte, tag24 oder fürs 371 – coole Leute glauben jetzt an Chemnitz-Zeichen. Hier erfahrt ihr alles über Kulturluch, Macker, Sachsenschatz und co.  

 

 

Die Chemnitzzeichen im Überblick
Ein Klick auf den Link führt dich schneller zu deinem Chemnitz-Zeichen

Maker: 22.04. – 19.05.

Kulturlurch: 20.05. – 20.06.

Ostmaus: 24.06. – 20.07.

Sachsenschatz: 21.07. – 20.08. 

Runkel: 21.08. – 22.09.

Macker: 23.09. – 26.10. 

Ningler: 27.10. – 22.11

Bergmann: 23.11. – 24.12. 

Nischel: 25.12. – 20.01. 

Akteur: 21.01. – 20.02. 

Kosmonaut: 21.02. – 20.03. 

Leguano: 21.03. – 21.04. 

 

Aszendent berechnen: 
Dein Chemnitz-Zeichen wird bestimmt vom Tag deiner Geburt und definiert vor allem dein Verhältnis zur Stadt allgemein und natürlich maßgeblich deinen Charakter. Der Aszendent wiederum richtet sich nach der Uhrzeit deiner Geburt und gibt an, welche Stadt oder welcher Stadtteil konkret nicht nur deine Sicht auf Chemnitz prägt, sondern auch deine Außenwirkung in der Chemnitzer Szene bestimmt. 

Die Elemente
Die zwölf Chemnitz-Zeichen werden in vier Elemente eingeteilt. Die Elemente bestimmen die wesentlichen Charaktereigenschaften des Chemnitz-Zeichens. 

Beton – Bodenständigkeit, Ruhe und Pragmatismus 
Cultur – Kultur, Ästhetik und Kommunikation 
Schlossteichwasser – Drama, Tränen und Melancholie
Sprühkreide – Optimismus, Offenheit und Selbstbewusstsein

 

Dein Chemnitz-Zeichen


Maker
22.04. – 19.05.
Element: Beton

Der Maker steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen. Und in Chemnitz ist der Boden der Tatsachen ein stabil betoniertes Garagenfundament. Der Maker ist fest verwurzelt mit seinem Element, dem Beton, und gilt als das Bodenständigste aller Chemnitzzeichen. „Ich make“, lautet sein Mantra, und so hantiert er stundenlang geduldig in der Garage oder im Garten, am Lötkolben oder an der Werkbank, in der Küche oder am Computer. Viele Maker haben nicht nur einen grünen, sondern auch einen grauen Daumen und gelten als hervorragende Architekten. Allerdings ist der Maker, der seine Stille Mitte längst gefunden hat, ein ziemlicher Eigenbrötler und nimmt nur selten am gesellschaftlichen Leben teil – viele Menschen und aufgeregtes Gewimmel liegen ihm nicht so, in der überfüllten Innenstadt sieht man ihn daher nur selten. Lieber bevorzugt er die Ruhe seiner Reihenhaus-Siedlung, findet meditative Erfüllung beim Steine-Umschlichten im Schottergarten oder beim Sachsenfahnen-Klöppeln in der Hutzenstub. Wenn er sich doch mal unter Menschen mischt, dann sicher nur, weil gerade Maker Faire ist. Lockt man den Maker erstmal aus seiner Garage, hat man es mit einem humorvollen, erfinderischen, hilfsbereiten und lösungsorientierten Zeitgenossen zu tun. Der Maker verliert sich nicht in verträumten Visionen, doch hinter der pragmatischen Fassade lötet eine leidenschaftliche Flamme. 

Aszendenten:  Maker mit Aszendent Erzgebirge sind sehr traditionsliebend, geben sich häufig der Holzschnitzerei oder der Klöppelei hin oder sind berühmt für ihre handgerollten Wickelklöße. Maker mit Aszendent Sonnenberg gelten als hervorragende Methköche, Maker mit Aszendent Dresden oder Nürnberg engagieren sich häufig bei der freiwilligen Feuerwehr oder beim THW. Kaßberg-Maker sollten sich mit ihrer stabilen Maker-Energie mehr in ihrem jeweiligen Stadtteil einbringen. 

Stärken: Löten, Garten, selbstgemachte Hausmannskost, unkompliziert 
Schwächen: ungesellig, hört beim Löten zu viel RSA, hat eine seltsame Schwäche für den sächsischen Ministerpräsidenten, übertreibt manchmal beim Flexen (Winkelschleifen) 
Orte: Baumarkt, Maker Faire, Holzkombinat, Gartenkneipe, Makerspaces 
Emojis: 🤝💚🔨💶
passt gut zu: Nischel, Runkel, Ningler 
berühmte Maker: Karl Marx, Fynn Kliemann, Michael Kretschmer, Adele 

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Kulturlurch 
20.05. – 20.06.
Element: Cultur

Ewig getrieben von der Suche nach dem schönen, dem aufregenden Leben in Chemnitz, verliert sich der Kulturlurch oft in Rastlosigkeit. Der Kulturlurch läuft nicht selten einem Ideal vom coolen, angesagten Chemnitz nach, prallt dabei aber immer wieder an der mittelgrauen Chemnitzrealtität ab. So kommt es, dass viele Kulturlurche mit zunehmenden Alter resignieren oder eine zweite Seelenheimat im Zynismus finden. Dabei gelten im Zeichen Kulturlurch geborene Chemnitzer:innen als überdurchschnittlich gesellig, neugierig und kommunikativ, sie tanzen nicht nur auf allen Halbkreisen, sie reden auch extrem viel darüber. Egal ob Line-Dance-Workshop, Tuning-Treffen, intellektuell verkopfte Theaterinszenierung, wichtige Vernissage, Weindorf-Alleinunterhaltershow, wilde Clubnacht oder lethargischer Lesekreis – wenn es sein muss, geht der Kulturlurch sogar auf’s Hutfestival. Nicht selten hat sich der Kulturlurch selbst der Kunst verschrieben, gibt sich der Musik hin, schreibt eigene Theaterstücke oder philosophiert sinnlos vor sich hin. Rückschläge erleiden Kulturlurche vor allem dann, wenn ihr Idealismus und ihre Weltoffenheit auf die klassische Chemnitzer Verschlossenheit treffen – dann kann der eigentlich sehr aufgeschlossene Kulturlurch durchaus unausstehlich werden. 

Aszendenten: Kulturlurche mit Aszendent New York oder Leipzig sollten unbedingt eine Kunstkarriere verfolgen, Kulturlurche mit Aszendent Dresden gelten als überheblich, Burgstädt-Kulturlurche haben häufig Probleme mit ihrer Identitätsfindung. Der Sonnenberg Kulturlurch prasst gern mit Fördergeldern, Kaßberg-Kulturlurche sollten sich nicht zu sehr auf ihren verwelkten Lorbeeren ausruhen.

Stärken: Leben, Lachen, Lieben, Chemnitz
Schwächen: zu viel Text, hat zum Hutfestival schon mal einen Lulatschhut getragen, lässt sich zu leicht von Mackern beeinflussen und beeindrucken, widersprüchliche Einstellung zum Thema Stadtmöbel 
Orte: POCHEN Symposium, Hang zur Kultur, Kosmos, VHS, Hutfestival 
Emojis: 🦎🎨🤯🌈🎧
passt gut zu: Akteur, Macker, Bergmann 
berühmte Kulturlurche: Olaf Scholz, Veronica Ferres, Daniel Frahn 

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Ostmaus
21.06. – 20.07.
Element: Schlossteichwasser

Die scheue Ostmaus ist geprägt von innerer Zerrissenheit: Als typische Maus propagiert sie einerseits ständig Happy Vibes auf Instagram, andererseits heißt es nicht umsonst OSTmaus, und zum Osten gehört eine gewisse Lust am Leiden. Von Natur aus sehr empfindsam, grübelt sie viel und tiefsinnig über ihre komplizierte Ost-Heimat, ganz besonders über Chemnitz und darüber, wie schlimm hier alles ist. Das Zeichen der Ostmaus steht im Element Schlossteichwasser – die gefühlsbetonten Ostmausgeborenen weinen häufig derart viele Tränen, dass man damit dreimal den Rabensteiner Stausee füllen könnte. Dennoch sind Ostmäuse keine verbitterten Jammerossis, sondern häufig verkappte Chemnitz-Romantiker:innen, die die Hoffnung nie ganz aufgeben und immer wieder versuchen, mit ihren Chemnitzer Kampftränen schlechte Sachsen-Stimmung von den Straßen zu spülen. Sie fühlen sich pudelwohl in der Underdog-Rolle und kultivieren diese so sehr, dass sie mit der Zeit ein bisschen wie Chemnitz selbst werden: zurückhaltend, etwas unsicher und immer ein bisschen zu selbstkritisch. Sie nehmen selbst die harmlosesten Dinge persönlich, zum Beispiel, wenn die Stadt Chemnitz mal wieder einen total hässlichen Weihnachtsbaum aufstellt, wenn die Niners zwei Heimspiele nacheinander verlieren oder wenn sie in random re:marx Horoskopen einfach „Ostmaus“ genannt — oder noch schlimmer – gar nicht erst erwähnt werden. Als echte Empathen haben Ostmaus-Chemnitzer:innen dafür jedoch ein ausgeprägtes Mitgefühl für andere uncoole Ost-Städte wie Dresden, Magdeburg, Görlitz oder Berlin.

Aszendenten: Ostmäuse mit New York oder Tokio-Aszendent fallen oft durch ihr außergewöhnlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein auf. Berlin-Ostmäuse sollten unbedingt in die Politik gehen. Ostmausmenschen mit Erzgebirgs- oder Dresden-Aszendent müssen aufpassen, nicht doch noch zum Jammerossi zu werden. Brühl-Ostmäuse haben sich noch nie so richtig vom Zuhause-Schild weggetraut – und sollten sich endlich mal aus ihrer Comfort Zone maustrauen. Sonnenberg-Ostmäuse fühlen sich in der Südkurve ein bisschen zu wohl. 

Stärken: Empathie, Ost-Analyse, Tränen, Chemnitz-Verständnis
Schwächen: nimmt Chemnitz zu persönlich, verprasst regelmäßig übermäßig viel Geld bei Käse Maik, tritt häufiger mal in Mausefallen 
Orte: Käse Maik Lager Wittgensdorf, Weltecho-Innenhof, Zuhause-Schild am Brühl, Chemnitz Nazifrei-Plenum 
Emojis: 🥺💕🐭😭
passt gut zu: Ningler, Kosmonaut, Nischel 
berühmte Ostmäuse: Angela Merkel, David Hasselhoff, Lars Riedel, Lana del Rey, Martin Kohlmann?

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Sachsenschatz
22.07. – 20.08. 
Element: Sprühkreide 

Glamourös, stolz, materialistisch: Ein Sachsenschatz hat gerade den Raum betreten und die ganze Stadt hält den Atem an. Im Gegensatz zu den unkomplizierten Kulturlurchen halten sich Sachsenschätze für etwas ganz Besonderes und streben nach Macht, Anerkennung und Luxus. Menschen vom Zeichen Sachsenschatz fallen in Chemnitz sofort auf, denn sie strotzen nur so vor Selbstbewusstsein und können sich elegant auffällig kleiden, ohne dabei auf Germens-Fashion zurückgreifen zu müssen – anders als der zurückhaltenden Ostmaus ist dem Sachsenschatz ein Wort wie „Minderwertigkeitskomplex“ völlig fremd. Der Sachsenschatz zeigt sich gerne, nicht selten sieht man ihn in üppigen Steppmänteln über den Wall flanieren, stundenlang Selfies am Fotopoint machen oder mit auf Hochglanz polierten Muschelfee-Schmuck in der Sachsenallee flexen. Der selbstbewusste Sachsenschatz zweifelt nie, nicht an sich selbst und noch weniger an Chemnitz. Längst hat er sich ILoveC in den millionenschweren Diamant-Ring gravieren lassen, denn der Sachsenschatz ist proud to be a Chemnitzer, und das lässt er auch raushängen. Negative Chemnitz-Schwingungen prallen einfach an ihm ab: Er lässt sich weder von empörten Facebook-Kommentaren noch von in Gesichter gemeißelten Chemnitz-Fressen irritieren. Und auch, wenn er ab und an auf unbestimmte Zeit in anderen Gefilden abtaucht, bleibt er seiner Heimat immer treu: Seine Seele ist in Sachsen und er ist Sachsens Seele. 

Aszendenten: Sachsenschätze mit Aszendent Dresden gelten als arrogant, sind aber vor allem bei Michael Kretschmer sehr beliebt,  Sachsenschatz-Geborene mit Aszendent Erzgebirge sollten sich unbedingt auf die Suche nach dem Bernsteinzimmer begeben. Sachsenschätze mit Burgstädt-Aszendent haben immer wieder Probleme mit ihrer Selbstwahrnehmung. Sachsenschatzmenschen mit Berlin-Aszendent fühlen sich zwar häufig ziemlich lost, sind aber noch nicht komplett verloren. Der Kaßberg-Sachsenschatz investiert sein Gold gern in Oliven. 

Stärken: Style, IloveSlay, Selbstbewusstsein, Sachsenliebe 
Schwächen: protzig, taucht manchmal länger in Berlin ab, anfällig für Geschichtsrevisionismus, hängt immer noch August dem Starken nach 
Orte: Cook Family, Golfplatz Klaffenbach, Grünes Gewölbe, Juwelier Roller, Niners VIP Lounge
Emojis:🤩💍💰💎
passt gut zu: Leguano, Bergmann, Akteur  
berühmte Sachsenschätze: Stefanie Hertel, Jan Josef Liefers, Barack Obama, Helene Fischer

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Runkel
21.08. — 22.09. 
Element: Beton

Am Wall liegen wieder mal verbotene Glasflaschen rum? Illegale Bratwurst-Esser schmatzen dir in der Innenstadt ungefragt ins Ohr? Ein Falschparker hat grundlos dein Karma blockiert? Keine Sorge, der rationale Runkel regelt das schon. Ein Anruf genügt, und er steht mit Besen und Bereitschaftspolizei vor dir. Die zuverlässigen Runkel-Geborenen gelten als die Marie Kondos von Chemnitz: Ordnungsliebend bis pedantisch fegen sie freiwillig die Böllerbatterien vom Brühl, verteilen Knöllchen auf dem Kaßberg, putzen Methküchen auf dem Sonnenberg und wenn es sein muss, verhängen sie auch mal eigenmächtig Verbotszonen am Wall. Runkels können eben nicht anders. Geboren im Chemnitz-Element Beton, sind sie von Natur aus besonders diszipliniert, strukturiert und gründlich. Kurz: Sie sind Perfektionisten. Im schmutzigen Chemnitz haben sie es deshalb nicht immer leicht. Das laute Leben in der Sachsen-Metropole kann für sie schnell zu viel werden, sie fühlen sich leicht überwältigt von den überbordenden Großstadt-Vibes und klammern sich deshalb an klare Strukturen. Runkels haben nicht nur ihr eigenes Leben im Griff, sondern auch das aller anderen. Typische Runkel-Chemnitzer:innen haben oft Angst vor zu viel Spaß – nichtsdestotrotz können auch sie sich ordentlich gehen lassen. Wenn die Stimmung passt, wenn Zucht und Ordnung nicht durch hemmungslosen Exzess gefährdet sind, kann auch ein Runkel durchaus kontrolliert eskalieren. 

Aszendenten: Bernsdorf Runkels tüfteln schon länger an einem Videoüberwachungssystem für den Mensavorplatz. Runkels mit Berlin-Aszendent fürchten Großstadt-Chaos noch mehr als Falschparker. Burgstädt-Runkels gelten als traditionsbewusst und konservativ. Erzgebirgs-Runkels laufen Gefahr, sich in einer Bürgerwehr zu radikalisieren. Runkel-Geborene mit Sonnenberg-Aszendent verlassen das Haus nur mit Elektroschocker und Mülltüte. 

Stärken: Zucht, Ordnung, Parklücken 
Schwächen: penibel, verübt öfter mal Selbstjustiz, hält sich nicht ans eigenhändig verhängte Alkoholverbot, seltene Vorliebe für komische Kostümierungen  
Orte: Stadthallenpark, Polizeiwache, Rewe-Aldi-Achse, Karnevalsverein 
Emojis: 👮🏼‍♀️🚨🧹🚫
passt gut zu: Maker, Nischel, Kosmonaut 
berühmte Runkels: Beyoncé, Erich Honecker, Robert Habeck 

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Macker 
23.09. – 26.10. 
Element: Cultur

Die charmanten Macker sind fürwahr keine Chemnitzer:innen von Traurigkeit: Selbstsicher schlendern sie über den Marktplatz, räkeln sich unter den Fontänen des Marktbrunnens, laufen in den Weltecho-Hof ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Macker sind wahre Meister der Diplomatie, vor allem, wenn es darum geht, andere Macker zu beschützen – sie fühlen sich unter ihresgleichen einfach am wohlsten. Sie gelten als kommunikative Alleskönner und Vermittler, doch sobald es um sie selbst geht, gehen sie Konflikten lieber stillschweigend aus dem Weg. Ihr Element ist die Cultur, und ohne den klassischen Macker-Optimismus wäre die Chemnitzer Kulturlandschaft schon längst ausgeblutet. Und so trifft man Macker, ähnlich wie die Kulturlurche und Akteure, auf sämtlichen Chemnitzer Kulturveranstaltungen. Dort erkennt man sie meist daran, dass sie gerade so leidenschaftlich wie ausgiebig die Chemnitzer Kulturpolitik, die Laibach-Diskografie, die Kunstszene der DDR oder die richtige Zubereitung von Ramen erklären. 
Die Macker-Frau ist durchsetzungsfähig, abgezockt und prügelt sich auch mal für Frauenrechte, sie geht völlig schmerzbefreit durchs harte Chemnitz-Leben und gilt als feministische Ikone. Der typische Macker-Mann hingegen ist oft zutiefst unsicher, kompensiert dies nach außen jedoch nicht selten durch Arroganz, Machtstreben oder Größenwahn. Doch wenn der Macker erstmal lernt, dass seine Unsicherheit völlig okay und total menschlich ist, und die eitlen Kompensations-Gebaren ablegt, kann er ein durchaus liebenswertes und sehr beliebtes Chemnitz-Zeichen sein. 

Aszendenten: Dresden-Macker wollen sich demnächst bei einem ausführlichen Putin-Telefonat um Frieden bemühen. Sonnenberg-Macker sollten ihre toxische Energien lieber im CFC-Stadion lassen. Leipzig-Macker sind durchaus häufig auch in der Linken Szene heimisch. Macker mit Nürnberg-Aszendent haben schon länger eine Schwäche für Markus Söder. 

Stärken: Mackersplaining, Macht, Vermittlung, Charme,  
Schwächen:  trägt gerne alle sieben Lulatsch-Farben, obwohl es ihm gar nicht richtig steht, kann nicht gut mit Geld umgehen und spart oft an der falschen Stelle, anfällig für peinliche Posts in Sozialen Medien
Orte: Rathaus, Kulturhauptstadt-Party, einschlägige Kaßberg-Kneipen, ILoveC-Fotopoint 
Emojis: 🍆🗣😂💪🏻
passt gut zu: Kulturlurch, Akteur, Leguano 
berühmte Macker: Putin, OB Svenni,  Michael Ballack, Marianne Brandt

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Ningler 
27.10. – 22.11
Element: Schlossteichwasser

Egal, wie sehr sich Chemnitz ins Zeug legt, der Ningler hat einfach immer etwas daran auszusetzen: Nichts ist ihm gut genug, keine IC-Verbindung, keine ILovec-Latsche, kein freundlich aufgeblasener Hut auf dem Marx Monument. Der Ningler kennt nur Hate, Hate, Hate. Dabei wird er in seiner Rolle als Hater oft missverstanden, er strebt einfach nur nach Wahrheit, ist überzeugter Idealist mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und Mitgefühl, dabei aber leider sehr kritisch. Zumindest bei anderen, selbst steckt er Kritik eher mittelgut weg, schließlich gehört er zu den sensiblen Schlossteichwasser-Zeichen. Wie Ostmaus und Kosmonaut weint auch der Ningler regelmäßig viele Tränen, aber vor allem innerlich. Nach außen gibt er den abgeklärten Hater, doch die Hass-Fassade ist nur Teil seiner Attitüde, mit der er seine romantischen Chemnitz-Gefühle und seinen unerschütterlichen Optimismus kaschiert. Ein Geheimnis, das der Ningler schweigend für sich bewahrt, er gibt nicht gern viel von sich Preis, gilt als introvertiert. Lieber lenkt er durch permanentes Nörgeln von seinem Seelenleben ab. Typische Ningler werden getrieben von einer düsteren Faszination für das Abseitige, ihr Hate-Herz schlägt für das mystische, morbide Chemnitz. Wenn Saatkrähen-Schwärme über ihren Köpfen kreisen, wenn sie im Nieselregen über abgeranzte Ausfallstraßen flanieren, wenn es richtig schön grau ist und es sich ungehemmt ningeln lässt, dann fühlen sich Ningler wohl.

Der Ningler und seine Aszendenten: New York Ningler sind die heimlichen König:innen von Chemnitz. Ningler mit Bernsdorf oder Kaßberg Aszendent nörgeln gerne über schlechte Straßen oder fehlende Parkplätze. Ningler mit Berlin Aszendent wissen, dass es anderswo auch scheiße ist. Erzgebirgs-Ningler liebäugeln schon länger mit einer Teilnahme an einschlägigen Montagsdemos. 


Stärken: Hate, Abseitiges, Mystery, Wahrheit, Beobachtung
Schwächen: benutzen das Wütend-Emoji exzessiv und für ALLE Lebenslagen, ziehen immer Chemnitz-Fresse, selbst wenn sie lächeln, socially awkward 
Orte: Schlüpfermarkt, Ringbus, anonyme Melancholiker Treffen, dunkle Erzgebirgswälder
Emojis: 😡☹😢
passt gut zu: Maker, Ostmaus, Kosmonaut, 
berühmte Ningler: Miko Runkel, Friedrich Merz, Richard Hartmann

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Bergmann
23.11. – 24.12. 
Element: Sprühkreide 

Wenn der Weihnachtsbaum feierlich über den Köpfen der Chemnitzer:innen schwebt, beginnt auch die Bergmann-Season. Sie ist geprägt von einer ganz besonders magischen Stimmung, von Glanz, Glühweinduft und Lichtern. Ein bisschen davon findet man auch im Wesen der Bergmänner – trotz drückender Dunkelheit und Gräue gehen sie stets mit einem gewissen Optimismus durch die Stadt und sind immer dort, wo gerade die Blasmusik spielt. Bei ihnen ist nur selten Schicht im Schacht, denn Bergmänner sind einfach immer on: Nur wenig trübt ihre stets zuversichtliche Grundeinstellung, nicht mal OB Svennis sinnlose Sparpolitik, ein neuer Naziskandal oder eine brennende MRB kann sie erschüttern. Unermüdlich wühlen sie im Bergwerk, ihre (positive) Energie scheint dabei einfach unerschöpflich. Wie auch bei Sachsenschatz und Leguano steht ihr Zeichen im Element der Sprühkreide – diese symbolisiert Toleranz, positive Energie und ein gesteigertes Selbstbewusstsein bis hin zur kompletten Selbstüberschätzung. Charakteristische Bergmänner sind von daher fast ein bisschen wie Chemnitz in der Adventszeit:  Ihr  positiver Glanz erwärmt Herzen und spendet Hoffnung, und doch gefallen sie sich stets ein bisschen zu gut in dieser Rolle. Darüber hinaus sind sie oft anfällig für Heimattümelei und pflegen einen stark verklärten Blick auf die Stadt, zumindest an den Adventswochenenden. Abseits der Adventszeit ist der Bergmann allerdings ein aufrichtiger und erfrischend kritischer Zeitgenosse. 

Der Bergmann und seine Aszendenten: Bergmänner mit New York-, Tokio- oder Berlin-Aszendent fühlen sich immer irgendwie ein bisschen fremd in ihrer Stadt. Sonnenbergmänner sollten über eine Kandidatur als Oberbürgermeister:in nachdenken. Bergmänner mit Nürnberg- oder Dresden-Aszendenten sind oft leidenschaftliche Weihnachtsmarkt-Hopper. Erzgebirgs-Bergmänner sind so vollkommen im Reinen mit sich selbst wie kein anderes Chemnitz-Zeichen.

Stärken: Weihnachten, Stimmung, Licht, Hutzen
Schwächen: stehen auf dem Weihnachtsmarkt immer in großen Gruppen und lachen viel zu laut, haben auch mal einen Geschäftstermin im Badezuber auf dem Mittelaltermarkt, Glühweinproblem
Orte: Bergparade, erzgebirgische Wanderpfade, Hutzenstuben, Weihnachtsmarkt, 
Emojis: ✨❄🎄🎅🏻
passt gut zu: Leguano, Sachsenschatz, Kulturlurch
berühmte Bergmänner:  Katharina Witt, Taylor Swift, Karl Schmidt-Rotluff, Brittney Spears

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Nischel
25.12. – 20.01. 
Element: Beton

Der typische Nischel ist ein echter Dickkopf. So stur wie sein berühmter Namensgeber schaut das Beton-Zeichen auf seine Stadt: An der gefestigten Einstellung von Nischel-Geborenen ist nur schwer zu rütteln. Generell lockt man sie nur mit großer Mühe aus ihrer Reserve, sie wirken stets etwas kühl, nur selten sieht man sie lächeln – lieber lassen sie das Stadtgeschehen mit teilnahmsloser Miene an sich abprallen. Was sie dabei wirklich denken, weiß keiner so genau, sie hüllen sich nur allzu gern in mysteriöses Schweigen. Nischel stehen im Element Beton, das macht sie zu nüchternen Pragmatikern mit stabiler Bodenhaftung. Für sie gilt: Harte Schale, harter Kern — doch wenn man sie dann doch mal zum Sprechen bringt, zeigen sie sich als humorvolle, herzliche und loyale Wegbegleiter:innen mit Hang zu  abgedroschenen Zoten. Viele Nischel-Geborene gelten als hemmungslose Karrieristen, die keine Aufstiegs-Option auflassen: Egal ob im Textil- oder im Artbusiness, im Getränke- oder im Medien-Game, der Geschäftssinn des ehrgeizigen Beton-Zeichens sucht seinesgleichen. Geld ist ihm sehr wichtig und so findet man den Nischel überall dort, wo sich Kapital aus Chemnitz schlagen lässt. Nischel-Geborene lieben Struktur, Ordnung und klare Kanten: Es darf gern grau, kühl und aus Stein sein. In einer Eigentumswohnung in der tanzenden Siedlung mit minimalistischer Einrichtung, grauer Sofalandschaft und schwarzer High-Tech-Küche fühlt sich ein Nischel garantiert wohl. 

Der Nischel und seine Aszendenten: Nischel mit Nürnberg-Aszendent gelten als missgünstige und schlechte Verlierer. Burgstädt-Nischel verfolgen hartnäckig eine Karriere als Dorfsverein-Vorstand. Nischel mit Bernsdorf-Aszendent finden ästhetische Erfüllung bei langen Spaziergängen über den Mensa-Vorplatz. Leipzig-Nischel trifft man häufig beim Antifa-Außendienst in Chemnitz. 

Stärken: Schweigen, Denken, Humor, Kapital schlagen  
Schwächen: ist schon öfter durch seltsame Eskapaden zum Hutfestival aufgefallen, gibt sein Gesicht wirklich für ALLES her, vor allem, wenn das Geld stimmt, lässt sich vor jeden Karren spannen 
Orte: Brückenstraße, Stadthallenpark, Versteinerter Wald, smac Dauerausstellung, tanzende Siedlung
Emojis: 😐⏹🌑🤑
berühmte Nischel: Christian Lindner, Markus Söder, Aljona Savchenko, Till Lindemann 

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Akteur
21.01. – 20.02. 
Element: Cultur

Stellt euch vor, alle Chemnitz-Zeichen treffen sich zum Feiern. Die Schlossteichwasser-Zeichen weinen heimlich am Rand, die Sprühkreide-Zeichen fallen durch exzentrische Kleidung und seltsam gute Laune auf, die Beton-Zeichen sind nicht beeindruckt, doch im Mittelpunkt der Party steht: Na klar, das Schillerndste aller Chemnitz-Zeichen – der Akteur. Der Akteur ist nicht nur Cultur, nein der Akteur IST Kulturhauptstadt. Akteure sind überall, und sie sind an allem beteiligt – ohne sie wäre Chemnitz nur ein unwichtiges Nest zwischen Gera und Glauchau. Ihre Energie reicht für ganz Chemnitz UND für Leipzig noch dazu, sie sind meist zeitgleich in fünf bis zehn Projekte eingebunden – die Hälfte davon haben sie natürlich selbst ins Leben gerufen. Akteure genießen das spärliche Chemnitzer Rampenlicht – wenn man sie nicht bei Podiumsdiskussionen, Impulsvorträgen oder in der Stadtgeflüster-Kolumne antrifft, dann nur, weil sie wahrscheinlich gerade auf irgendeiner Tanzfläche abzappeln. Ihr Element ist die Cultur, und die beeinflusst sie so stark, dass sich bei Geprächen mit Akteurs-Geborenen eigentlich alles nur um ein Thema dreht: Die Chemnitzer Kulturszene, die neusten Projekte, die kürzesten Fördermittel – und natürlich, welche Tanzveranstaltungen man am Wochenende besuchen kann, ach was, muss. Ihr Hang zur Exzentrik ist einfach legendär – die individualistischen Akteure leben gerne exzessiv und erzählen die besten Absturz-Geschichten. Doch das hard knock Chemnitzer Kulturlife frisst am Ende doch mehr Energie, als sie sich eingestehen wollen. 

Der Akteur und seine Aszendenten: Akteure mit Aszendent Erzgebirge zieht es aufs Land – ein ehrenamtliches Engagement beim Purple Path ist genau das Richtige für sie. Akteure mit New York Aszendent schlafen nie, Berlin-Akteuren wird immer wieder ein Faible für MDMA nachgesagt. Akteursgeborene mit Kaßberg-Aszendent leben sehr in ihrer eigenen Welt und sollten einen Blick über den Stadtteilrand wagen. Brühl-Akteure haben derzeit etwas Höhe, Bernsdorf-Akteure wünschen sich mehr Aufmerksamkeit von der Stadt. 

Stärken: Party, Dancefloor, Glitzer, Projekte, Fördergeld
Schwächen: sehr schnell sehr beleidigt, wenn er nicht von der Stadtverwaltung wahrgenommen wird, versucht regelmäßig, sich in der Sauna abzukühlen, redet IMMER NUR über seine Projekte
Orte: überall 
Emojis: 🔥🥳🎉🙌🏻🙏🏻
passt gut zu: Macker, Kulturlurch, Sachsenschatz 
‚berühmte Akteure: Siegmund Jähn, Barbara Ludwig, Karl May 

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Kosmonaut
21.02. – 20.03.
Element: Schlossteichwasser

Kein Chemnitz-Zeichen wird derart stark vom Mond dominiert wie der Kosmonaut. Kein Wunder also, dass sich bei Kosmonautgeborenen alles ums Gefühl dreht, und zwar um das Gefühl der Einsamkeit. Denn wenn der Kosmonaut nachts allein durch Chemnitz fliegt, fühlt er sich nicht selten wie ein außerirdischer Mond- oder Marsmensch. Der Kosmonaut, im Herzen heimlich Romantiker, liebt und hasst diese gottverlassene Chemnitzer Melancholie. Menschen mit Chemnitzzeichen Kosmonaut schweben gekonnt über den Dingen, schießen dabei aber immer wieder übers Ziel hinaus. Nach derartigen Eskapaden zieht sich der Kosmonaut gern in entferntere Umlaufbahnen zurück und ist nicht mal mehr vom Kosmonauten-Zentrum aus zu erreichen. Und überhaupt: Chemnitz, wir haben ein Problem, denn Kosmonauten — im Element Schlossteichwasser geboren – lieben das Drama. Fast täglich fluten sie die leere, graue Chemnitzer Mondlandschaft mit ihren kosmischen Tränen. Das liegt vor allem an der Schwerkraft, die nur all zu leicht die Stimmung der Kosmonauten herunterzieht: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt — die Stimmung der Kosmonauten schwankt härter als die Lulatsch-Spitze auf 300 Metern. Doch sind die Tränen erstmal getrocknet, trifft man den Kosmonaut mitunter ausgelassen auf Ostalgie-Events, Tanztee-Veranstaltungen oder sogar lauten Musik-Festivals wie dem Kosmos oder dem Sputnik Springbreak. 

Aszendenten: Kosmonauten mit New York oder Tokio Aszendent leben vermutlich schon gar nicht mehr in Chemnitz, sondern haben es nach Bielefeld geschafft. Brühl- oder Kaßbergkosmonauten müssen aufpassen, den Bezug zur Chemnitz-Realität nicht zu verlieren. Ein Kosmonaut mit Aszendent Erzgebirge könnte es bald auf die Internationale Raumstation schaffen. Sonnenberg-Kosmonauten stürzen öfter ab, als die Schwerkraft erlaubt. 

Stärken: Fliegen, Fühlen, Mondphasen, Melancholie 
Schwächen: Temposünder, weil  sie Auto öfter mit einer Rakete verwechseln, sehr schnell beleidigt, sehr schlecht zu erreichen, extrem anfällig für Schwermutkraft 
Orte: Rabenstein, Küchwald, Morgenröthe Rautenkranz, Kosmos 
Emojis: 😭🚀🌚🌝
passt gut zu: Ningler, Ostmaus, Runkel 
berühmte Kosmonauten: Rihanna, Matthias Schweighöfer, Nina Hagen, Jan Böhmermann, Karl Lauterbach 

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Leguano
20.03. – 21.04. 
Element: Sprühkreide 

Der Leguano ist wirklich schwer zu greifen – er ist einfach nie zuhause. Kein Wunder: Der Leguano ist benannt nach einem prähistorischen Barfuß-Schuh-Kult, und sein Name symbolisiert die exzessive Lust an Outdoor-Aktivitäten. Leguano-Geborene können einfach nicht stillsitzen, sie sind immer unterwegs. Wenn sie mit Wildwasser-Rafting auf der Zwickauer Mulde, der 100 Kilometer Rennrad-Runde und der Wandertour in der Sächsischen Schweiz fertig sind, lassen sie den Tag entspannt bei einer Runde Bouldern ausklingen. Hauptsache, sie müssen nicht zu Hause sitzen und Däumchen drehen. Ihre Freude an Outdoor-Aktivitäten ist wirklich umfassend, meist zieht es sie ins Extreme, vielen Leguanos kann es einfach nicht genug Adrenalin sein. Sie finden ihre Erfüllung aber auch bei gediegeneren Tätigkeiten wie Festivalbesuchen, Extrem-Freisitz bei 40 Grad um 23 Uhr, beim Giftpilze-Suchen in Freital oder bei Guerilla-Sprühkreide-Demokratie-Aktionen in Chemnitz. Die Sprühkreide ist einfach ihr Element, Leguanos werden von Optimismus und positiver Energie an- und hinaus in die Welt getrieben. Nicht selten entscheiden sich Leguanos für ein bescheidenes, aber abenteuerreiches Van-Life mit Camping-Kocher, Traumfänger und eigenem Reiseblog, planen eine Katzenstein-Besteigung ohne Sauerstoff-Maske oder trainieren in ihrer Freizeit für die European Peace Ride. Solange der Leguano draußen ist, geht es ihm gut. Wenn er sich dann auch noch in Multifunktionskleidung hüllen kann, steht seinem Glück nichts mehr im Wege. Nur zu Ruhe kommen sollte das actiongetriebene Chemnitz-Zeichen lieber nicht – dann kann es unausstehlich werden.

Aszendenten: 
New-York-Leguanos sollten anfangen, für einen großen Marathon zu trainieren. Burgstädt-Leguanos finden MRB-Fahren unerwartet aufregend. Leguanos mit Berlin-oder Leipzig-Aszendent suchen das große Abenteuer bei fünftägigen Raves und in stickigen Darkrooms. Brühl-Leguanos sollten auch mal wieder Sneaker statt immer nur Barfuß-Schuhe tragen. Leguanos mit Erzgebirgs-Aszendent bereiten sich auf die Besteigung des Fichtelbergs vor. 

Stärken: Abenteuer, frische Luft, Aktionen, Adrenalin 
Schwächen: hüllt sich hemmungslos in Presswurst-Kleidung, läuft sich trotz teurer Barfußschuhe immer wieder Kieselsplitter in die Hornhaut, übertreibt mit der Sprühkreide  
Orte:  Chemnitztal-Radweg, Grüner Graben, Sächsische Schweiz, Fichtelberg 
Emojis: 🌍🏕🏔🚴‍♂️
berühmte Leguanos: Stefan Heym, Malte Ziegenhagen, Nena 

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https://remarx.eu/2023/01/das-grosse-astromarx-horoskop-das-sagt-dein-chemnitz-zeichen-ueber-dich/feed/ 0
Willkommen in der Beige Area: Der große Chemnitzer Fashion-Guide https://remarx.eu/2022/11/willkommen-in-der-beige-area-der-grosse-chemnitzer-fashion-guide/ https://remarx.eu/2022/11/willkommen-in-der-beige-area-der-grosse-chemnitzer-fashion-guide/#respond Mon, 07 Nov 2022 18:54:37 +0000 https://remarx.eu/?p=12236 Fashion und Fascho liegen in Chemnitz mindestens so nah beieinander wie Katar und massive Menschenrechtsverletzungen: Neben dem klassischen Beige dominiert vor allem viel Fraktur das modische Stadtbild. Doch das ist wie immer nur die halbe Wahrheit, denn wenn es um Mode geht, beweisen die Chemnitzer:innen durchaus (Über-)Mut zur Farbe – und zum feschen Fashion-Print sowieso. Chemnitz liebt Casual in allen Ausprägungen: Vom provinziellen Golfplatz-für-Ossis-Style (ja, wir meinen Camp David) über angesagte Streetwear und hoffnungsloses Himmelblau bis hin zur verdrogten ILoveC-Badelschlappe, wie sie Berlin auch gerne tragen würde – die ehemalige Textilindustrie-Metropole gilt nicht umsonst als Mailand des Ostens. Deshalb haben wir uns sämtliche einschlägige Chemnitzer Modelabels mal genauer angeguckt und einen kleinen Guide für euch zusammengestellt: Kann ich meinen eins energie Schal im Wutwinter überhaupt noch tragen? Welches Germens-Plagiat passt zu welchem Anlass? Kann ich mit der gesteppten Camp David-Weste wirklich zu Käse Maik nach Wittgensdorf oder passt die nur zum Weindorf? Wie gut steht mir das Unknown Basics Flieder? Und sind T-Shirts mit Karl Marx Print wirklich so peinlich, wie alle immer sagen? Kurz: Kann man so Chemnitz?
Mit unserem großen Fashion-Guide seid ihr nie wieder falsch gestyled.

 

Germens artfashion
Style: Wer beim Namen „Germens“ an altgermanische Frakturschrift-Fashion für muskelbepackte Männer denkt, dürfte enttäuscht sein: Erstens gibt es die Hemden auch als Blusen für Frauen, zweitens druckt das Label gar keine frühmittelalterlichen Runen auf seine Seidenkreationen, sondern Entwürfe verschiedener Künstler:innen. In einer Stadt, wo „bunt“ bedeutet, dass man sich getraut, auf offener Straße auch mal einen etwas intensiveren Beige-Ton zu tragen, sind Germens-Hemden das heilige Grell der Mode. Dabei ist es gar nicht unüblich, dass inmitten des ewigen Chemnitzer Graubeiges auch mal übertriebenes Bunt auftaucht: auf wehrlosen Treppen, auf selbstgenähten Eulen-Pullovern, in Haarsträhnen, in „Live, Love, Laugh“-Tätowierungen. Trotzdem ist das farbentwöhnte Chemnitzer Auge beim Anblick der 300 luxuriösen Langarmhemden derart überfordert, dass es sich in einem fiebrigen LSDesigual-Traum wähnt: Das hier ist nicht Chemnitz, das hier ist ein deutsches Mittelstands-Sommerfest auf Ibiza, bei dem vor lauter Farbekstase direkt ein bisschen teurer Austernsaft auf die feine Seide tropft.
Dieses It-Piece muss man haben: Schwer zu sagen, die Teile sind wirklich alle toll und werden nicht umsonst weltweit plagiiert. Die Partyshirts „Der Kini“, „Virus“ (toll für den nächsten Corona-Freedom Day) und „Equinox“, die zeitlosen Fashion-Classics „Subocean“, „The Monster and the Fragile Boy“, „Contra Banned“ und natürlich „Germanio“. Die stylishen Testosteronbooster „Caveman“, „Gladiator“, „Blut, Bruder“ und „Prachtkerl Exinato“, die lokalkolorierte Seidenkreation „Viadukt Chemnitz“, das Taxi-Hemd oder der lakonische Osmar Osten-Entwurf „Dieses Hemd wurde gestohlen“. 
Wer kann’s tragen: Kai und Ebel, mittelständische FDP-Wähler:innen, die sich selbst eine gewisse Kunstaffinität attestieren, kernige Kerle aus der glamourösen Werbewelt, Mitglieder der Amigos und alle, die es noch werden wollen, sowie Menschen, denen die Neunzigerjahre farblich etwas zu blass waren.
Und zu welchen Anlässen? Zum Formel 1 Rennen in Monaco, im Backstagebereich beim Sachsenring, bei der After-Show-Party des Chemnitzer Opernballs, beim Covershooting für das Top-Magazin, zur Pressekonferenz vom Chemnitzer Bürgerfest „Herzschlag“ und bei Auktionen in Karls Kunsthaus.

 

Thierfelder
Style: Thierfelder ist wohl der eindeutigste Gegenentwurf zu Germens: Auch hier gibt es handgemachte Hemden und Blusen, aber eben ohne bzw. mit nur sehr wenig Muster. Auch Farbe kommt vergleichsweise eher sparsam zum Einsatz. Thierfelder ist alles das, was Chemnitzer Mode meistens nicht ist: Klassisch, elegant, gut geschnitten, ohne komische Drucke oder Wörter drauf, nichts, wozu man eine bunte Fahrrad-Kappe kombinieren könnte. Dafür ist Thierfleder aber eben auch ein bisschen konservativ und könnte problemlos von Frau Patt im Kulturausschuss getragen werden. Aber weil handgemachte Designermode aus Chemnitz ohne irgendwas betont Originelles absolut nicht funktioniert, sorgt ab und an ein asymmetrischer Schnitt für ganz dezente Kunstlehrerinnenvibes.
Dieses It-Piece muss man haben: schwarzes Männerhemd, schwarze Schluppenbluse für Frauen und unbedingt den Schal „Tissage“
Wer kann’s tragen: Schneeberg-Absolvent:innen und ehemalige Honorarprofessoren, Akteur:innen aus der Hochkultur, Kunst-, Deutsch- und Musiklehrer:innen, Menschen, die im gehobenen Management arbeiten oder anderweitig zu den oberen Chemnitzer Zehn(tausend) zählen.
Und zu welchen Anlässen:  Schwarz-Weiß-Fotoworkshop in den Kunstsammlungen, generell Ausstellungseröffnungen und sonstige feierliche Kulturanlässe, aber auch sämtliche Business-Events, bei denen mindestens Essen vom Alexxanders serviert wird.

 

Karlskopf
Style: In Chemnitz sind viele Sachen verboten, zum Beispiel guter Stil, Spätis und Selbstbewusstsein, aber auch Freisitz nach acht und über fünf Dezibel, ansprechende Architektur und schnelle Verbindungen in andere Städte. Was in Chemnitz jedoch leider überhaupt nicht verboten ist, aber unbedingt verboten gehört, sind pseudo-originelle Produkte mit Marx-Kopf drauf. Das mit Germens blutsverwandte junge Brühl-Label Karlskopf macht natürlich genau das: Es druckt lustige Marxmänner auf T-Shirts und Socken und zieht damit ahnungslosen Chemnitz-Fans aus anderen Städten das Geld aus der Tasche. Dabei ist sich Karlskopf für kein Klischee zu schade: Es gibt Karl Marx als Hipster und Skater, als Rocker und Matrose, Karl als Kulturbanause, Karl als Erdbeerhof und – jetzt wird’s kritisch – Karl Marx als kapitalistisch getriebener kultureller Aneigner, nämlich als „Mexikaner“ (mit Sombrero) und als „Vietnamese“ (mit Reishut). Fehlt nur noch Karl Marx mit Blackface. Immerhin werden die Märxe per Hand auf die Shirts gesiebdruckt. Das ist durchaus mit Liebe gemacht, entschädigt allerdings nicht, dass der Karlskopf-Macher immer wieder mit misogynen Aussagen oder Instastorys auffällt.
Dieses It-Piece muss man haben: Die „Summer Vibes“-Socken 2021
Wer kann’s tragen: Menschen, die nicht in Chemnitz wohnen oder die in Chemnitz nichts mehr zu verlieren haben, Menschen, die aus Dresden nach Chemnitz gezogen sind, Sven Schulze zum Casual Friday und Karli, das Niners Maskottchen beim Pre-Match-Interview.
Und zu welchen Anlässen: Die goldene Chemnitzer Fashion-Regel besagt: Karlskopf-Shirts sollte man NUR außerhalb von Chemnitz tragen, zum Beispiel beim Besuch auf der Annaberger Kät oder beim Bummel über die Düsseldorfer Kö. Wenn es doch mal in Chemnitz sein muss, dann beim Selfiemachen im „I Love C“-Fotopoint oder bei der Singles-Party im Braugut Hartmannsdorf.

 

Unknown Basics
Style: Von wegen, in Chemnitz kommen alle Trends immer fünf Jahre später an: Bei Unknown Basics hat man die Pantone-Farbe des Jahres 2022 schon angerührt, als Pantone noch Schwarz im Schaufenster war. Und auch der pastellig-kühle Fliederton, den man im Frühjahr plötzlich überall gesehen hat, ist in Chemnitz dank des Labels schon seit 2016 angesagt. Unknown Basics hat den chemnitztypischen Provinz-Print komplett ausgemustert: Stattdessen Unifarben, schlichte Schnitte und eine Urbanität, wie man sie sonst nur in Trettmann-Videos trägt. Irgendwie passt das trotzdem sehr gut zur Stadt, denn in Chemnitz ist nicht alles Dorf, im Gegenteil: Immerhin ist Chemnitz eine Stadt, die komplett basketballverrückt ist, das splash! erfunden, die Parteisäge als edgy-urbane Fotokulisse und Swag Schulze als OG äh OB hat.
Dieses It-Piece muss man haben: einen Sweater in Flieder (lilac) oder ein Shirt aus der Glad-Kollektion.
Wer kann’s tragen: Die Chemnitzer Jugend, also alle Menschen unter 50, die Young Urban Creatives mit MacBook am Zammwerk-Tisch, sämtliche Niners-Stars und alle anderen coolen Chemfluencer, Menschen, die in Berlin mit ihren Chemnitz-Connections flexen wollen und generell (Kultur-)Hauptstädter:innen.
Und zu welchen Anlässen: beim Heimspiel der Niners, beim Streetball-Turnier im Baby-Smile-Backyard, auf dem Kosmos, beim Bestellen eines Flat White Soy in Berlin Mitte oder in Chemnitz Brühl. 

 

Camp David
Style: Das Chanel der Stillen Mitte zeugt von derart zeitloser Uneleganz, dass es von vielen ganz selbstverständlich als Chemnitzer Label wahrgenommen wird, obwohl es seinen Sitz im brandenburgischen Hoppegarten, also quasi in Berlin hat. Der wahllose Wortprint ist der modische Textilabdruck der Stadt, und dabei so sehr Chemnitz, dass selbst der CFC sein heiliges Himmelblau neuerdings auch mal gegen fesche Print-Polos tauscht. Camp David ist eben der Stoff, auf dem hier die Träume gedruckt sind, und in Chemnitz sind die Träume die Namen anderer Städte, kombiniert mit random Jahreszahlen. Miami Element Beach Camp 1953 zum Beispiel oder Zwickau Surf Mulde NSU 1964. Im Polo von Camp David wähnt sich der Chemnitzer als Mann von Welt, sieht sich mit Surfwind im Haar auf Long Island durch die Dünen wandern, den glänzenden Golfschläger lässig über die Schulter geschwungen, ein kosmopolitischer Sunnyboy, der sogar Dieter Bohlen in den Schatten stellt. Ein Traum in Casual – wäre da nicht die Realität. In der Realität friert er frustriert in einer gottverlassenen grauen Stadt. 
Dieses It-Piece muss man haben: Steppweste mit Print, Polo-Shirt mit Print, Pullover mit Print, Sweatshirt mit Print.
Wer kann’s tragen: alle Männer ab 50, die Abwechslung zur Engelbert Strauß-Hose suchen und mal was richtig Fetziges ausprobieren wollen.
Und zu welchen Anlässen: Feierliche Einweihung des neuen Webergrills und generell, wenn es mal etwas schicker sein soll, z.B. in der Oper oder bei der Kaiser Mania, auf dem Weindorf oder zur Brauereimeile. Aber auch zum Golfen in Klaffenbach, im Familienblock beim CFC-Heimspiel, beim Montagsspaziergang mit den Freien Sachsen – Camp David ist einfach ein echter Chemnitz Allrounder. 

 

eins energie
Style: Wer in Chemnitz halb-ironisch Lokalpatriotismus tragen will, hüllt sich in Haute Heizkraftwerk-Chemnitz-Nord Couture. Denn was viele nicht wissen: Das angesagte Accessoires-Label eins energie verkauft neben Schals, Socken, Mützen und Handtüchern auch Strom und Zeug zum Heizen. In Zeiten der Energiekrise ist der Griff zum eins energie Kniestrumpf also immer auch als kleine Fashion-Provokation zu verstehen. Davon abgesehen gilt der coole Chemnitzer Schornstein-Schick als eine Art moderne Interpretation des Post-Industrial-Styles und peppt seit einigen Jahren viele klassische Chemnitzer Grautfits mit unbefangener Farbenfreude auf. eins energie setzt auf ein schlichtes Colour Blocking Design im Chemnitzer Siebenerlei, also auf Verkehrsgelb, Aquamarin, Erdbeerrot, Gelbgrün, Melonengelb und Signalviolett — wenn die sieben Farben des Schornsteins schon nachts nicht mehr leuchten dürfen, dann wenigstens als Stoff an den Hälsen und Füßen der Chemnitzer:innen. Die Kollektion ist überschaubar: Es gibt einen klassischen Fan-Schal, einen Loopschal und ein Multifunktionstuch, Socken und Kniestrümpe, zwei Mützen und ein Basecap, Babysöckchen, Haarband und -Gummi sowie Stoffbeutel und ein mit Basketballerschweiß geweihtes Handtuch.
Dieses It-Piece muss man haben: Ohne den Fanschal „eins energie“ ist man mindestens so farblos wie der Pseudo-Lulatsch in Altchemnitz und kann sich eigentlich gleich hinter dem Kulturhauptstadtsmotto „C the Unseen“ verstecken.
Wer kann’s tragen: Alle, die keine ILoveC-Badelatschen mehr ergattert haben, eins Maskottchen Schorsch,  enviaM-Mitarbeiter:innen, die Buntmacher*innen beim Kreidesprühen.
Und zu welchen Anlässen: Im Wutwinter wärmt vor allem der eins energie-Schal wunderbar wundgeschrienene Widerstandskehlen.  

WAYN
Style: Alles, was im Deutschrap-Game Spotify-Rang und Namen hat, trägt mittlerweile Heat von WAYN, Peter Lombardi zum Beispiel oder Farin Bang. Und falls ihr euch jetzt denkt „WAYN interessiert’s?“ – der Name steht als Abkürzung für Why Are You Not und heißt so viel wie „du kannst alles werden“:  Egal ob Carpendale oder aufstrebender Alpha-Rapper im AMG oder Featurepart auf dem nächstem Drake-Album. Mit der oversizig geschnittenen Streetwear von WAYN und Messages wie „Haters blown away“ holt man sich den Traum vom internationalen Rapfame auf die harte Chemnitzer Straße. Denn was selbst Compton-OGs wie The Game tragen, kann für Chemnitz nicht schlecht sein, es heißt ja schließlich nicht umsonst no WAYN, no gain.
Dieses It-Piece muss man haben: Die personalisierbare schwarze WAYN-Weste, die aussieht, als wäre sie aus dem Military-Shop auf der Zwickauer Straße oder Teil der Sächsischen Polizei-Uniform.
Wer kann’s tragen:  Leute, die „Drop“ statt „Kollektion“ sagen und denken „Geringverdiener“ wäre ein cooles Jugendwort, FDP-Erstwähler:innen, alle, die unter 25 sind und noch Ambitionen haben.
Und zu welchen Anlässen: Spinnerei Ice-Cream Open Air, Brauclub-Schlange, beim Cornern vorm Gems.

 

Yakuza
Style: Das Lieblingslabel deines Lieblingsnazis gehört fast so fest zum Chemnitzer Stadtstylebild wie passiv-aggressive Fatbike-Fahrer mit Basecaps – und gilt deshalb, ähnlich wie Camp David, quasi als stadteigenes Label. Yakuza kommt aber ursprünglich gar nicht aus Chemnitz, sondern aus Bautzen, was okay ist, andere Städte wollen schließlich auch mal was vom sächsischen Fascho-Fame abhaben. Gegen Yakuza wirkt selbst Camp David wie klassisch-dezente Abendmode für Menschen mit Stil und Geschmack. Selten war etwas so Softes so brutal, hart und hässlich – diese Kleidung ist wie ein Schlag in die Fresse, eine textile Gewaltandrohung: Fraktur meint hier nicht nur den Schriftzug auf dem Sweatshirt, sondern auch den potenziellen Knochenbruch nach einer Begegnung mit dem Sweatshirtträger. Yakuza ist ein selbsternanntes Label für harte Hunde, Möchtegern-Verbrecher und Outlaws – und im Osten tragen Outlaws eben Eiserne Kreuz Tätowierungen, Frakturschrift-Hoodies und Baseballschläger zum Hitlergruß.
Dieses It-Piece muss man haben: Wer keinen Yakuza „Fuck Society“-Baseballschläger zum schicken Schlagring-Sweater trägt, kann kein harter Prügel-Ossi sein.
Wer kann’s tragen: Menschen mit „Ostdeutschland – härter als der Rest“ Aufklebern an der Heckscheibe, Auto-Tuner:innen mit tiefer gelegten Erzgebirgs-Golfs, CFC-Ultras und HooNaRa-Anhänger auf Auswärtsfahrt, Kampfsportlehrerinnen.
Und zu welchen Anlässen: überall, wo man unbehelligt „Ost,Ost,Ostdeutschland“ grölen kann. 

TschüssiTschüss:
Style: TschüssiTschüss bedrucken T-Shirts und Sweatshirts mit eher schlichten Botschaften wie „Liebe Liebe Liebe“ oder „Hey, Love“ oder „TschüssiTschüss“, was etwas verwirrend ist: Sagt man zur Liebe jetzt „Hey?“ oder doch „Tschüssi“? Dabei schwören sie vor allem auf vorsichtige Pastell- und zarte Nude-Töne oder Klassiker in Schwarz und Weiß und setzen der textilen Chemnitzer Passiv-Agressivität tiefenentspannte Meditations-Mode entgegen.
Dieses It-Piece muss man haben: die Handykette in Flieder.
Wer kann’s tragen: Vor allem casual-urban Kaßberg-und Brühl-Hippies
Und zu welchen Anlässen: zum Sonntagsbrunch mit den Mädels im Dreamers oder beim Post-Yoga-Hangout, beim Makramee-Häkel-Workshop, zum großen Haarfärbe-Termin bei Atelier Götz.

 

Absolution Clothing:
Style: 
Absolution Clothing ist im Prinzip ähnlich wie TschüssiTschüss, nur dass es seine Shirts weniger random und dafür mit mehr politischer Haltung bedruckt. Es gibt zum Beispiel eine „Fuck War“-Kollektion, deren Erlös komplett an Mission Lifeline gespendet wird, und eine Atomino-Kooperation, bei der 40% der Einnahmen an den Ausbau des Clubs gehen. Wie alle coolen Chemnitz-Labels, die etwas auf sich halten, verkauft auch Absolution Clothing in erster Linie lässige Streetwear – mit streetartigen Prints, leichter Lokalkoloration und auf links gewaschenen Messages. Das dürfte vor allem überzeugte Yakuza-Träger:innen ärgern und Wutwinterschal-Widerständler provozieren.
Dieses It-Piece muss man haben: Das Kuha-Shirt mit der schönsten Chemnitzplatte (die an der Zwickauer Straße) drauf.
Wer kann’s tragenAtomino-Fans und Kulturhauptstadt-Ultras, Leute, die den Glauben an Chemnitz noch nicht komplett  verloren haben.
Und zu welchen Anlässen: Vokü im AJZ, ibug in Flöha, Atomino-Eröffnung im Wirkbau, Aufstehen gegen Rassismus-Kundgebung, überall dort, wo eine stabile Haltung wichtig ist.

 

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Die Post der Moderne (Juli): Weindorfleben https://remarx.eu/2022/08/die-post-der-moderne-juli-weindorfleben/ https://remarx.eu/2022/08/die-post-der-moderne-juli-weindorfleben/#comments Sat, 06 Aug 2022 15:02:59 +0000 https://remarx.eu/?p=11763 Es ist August 2022 und in Europa wütet der Sommer.
Früher war Sommer mal schön. Als man noch unbeschwert im Gablenzer Bad Eiserne Kreuz-Tattoos zählen und sorglos auf dem Weindorf Statistiken über das Camp-David-Aufkommen erheben konnte. Als man noch täglich 5000 Kilogramm Rinderhüftsteak auf dem Webergrill oder – noch männlicher – über offenen Feuer wenden durfte, ohne dabei von permanenter Waldbrandgefahr belästigt zu werden. Heute ist Sommer vor allem eins: belastend. Schlimmer noch, der Sommer ist mittlerweile eine Art dystopischer Vorbote zur Klima-Hölle geworden, in deren Fegefeuer wir zukünftig alle schmoren werden wie einst unsere XXL-Bratwürste auf dem Grillrost. In der Sächsischen Schweiz, die ehrlich gesagt schon immer ein Vorhof zu Hölle war, lodern jetzt nicht nur die Fackeln der Nazis, sondern ganze Wälder, und auch bei Kretsche ist mal wieder der geballte Cringe entflammt. 

Der Sommer grassiert auch in Chemnitz, der Stadt, in der alle Trends fünf Jahre später ankommen, aber dem Klimawandel ist die Chemnitzer Trendresistenz egal. In der Chemnitzer City kann man sich zum Glück schon mal an das zukünftige Leben in der städtischen Sachsen-Steppe akklimatisieren, hier hat man sich bereits jetzt gut an die extremen Betonwüstenbedingungen angepasst: Baumlose Betonplätze laden dazu ein, auch bei großer Hitze im kühlen Häuserschatten zu verweilen, und wer beim Stadtbummel nicht in der prallen Sonne verglühen will, findet fast überall ein unschattiges Parkplätzchen, auf dem ein graues SUV-Lüftchen weht. Kein Wunder also, dass es viele junge Chemnitzer:innen aktuell wieder aufs Dorf zieht – also aufs Weindorf, wo man den Hitzschlag herrlich mit Grauburgunder runterspülen kann. Immerhin hat die Stadt im Frühjahr drei Trinkwasserbrunnen installiert, wobei man nie genau wissen kann, ob man es überhaupt noch dort hin schafft oder ob man vorher schon durstig auf dem heißen Pflaster des Chemnitzer Neumarktes verendet. Kurz: Selbst Death Valley ist ein lebensfreundlicherer Ort als die Chemnitzer Innenstadt. 

Doch unsere Stadtverwaltung hat mal wieder ein bisschen zu viel C gezogen und eine paradiesische Ruhe-Oase geschaffen, in der man sich in OB Svennis Schatten (Rathaus) erholen und entspannt dem modernen Yuccie-Lifestyle (Young Urban Chemnitzers) nachgehen, also Roster essen und sich aufregen kann. Fünf C-förmige Sessel, nicht mal in Lulatschfarben, eine Sitzinsel in den beeindruckend schönen Umrissen der Stadt und EINE traurige Pflanze sollen der Innenstadt jetzt Leben einimpfen. Das ist in etwa so, als würde man eine kleine Schüssel Wasser in die Wüste stellen, und hoffen, dass sich dort sofort Leben ansiedelt.
So geht er, der Chemnitzer Summer in the City: In den nicht mal ironisch hässlichen ILoveC-Badeschlappen zum C-Sessel schlürfen, ein CFC-Reservierungs-Handtuch drüber werfen, einen chilligen Hitzetag in der City verbringen, das vielfältige Culturprogramm von „Urban C“ genießen und anschließend auf dem Weindorf hitzetrunken zu Covermusik schunkeln. Die Stadt Chemnitz hat in Sachen Stadtmarketing mittlerweile ein Cringe-Level erreicht, das jegliche Satire eigentlich völlig überflüssig und uns im Grunde arbeitslos macht.
Die Stadt braucht dringend einen calten C-Entzug – seitdem ihr der Kulturhauptstadterfolg derart hart zu Kopf gestiegen ist, scheint sie völlig abhängig von dem Teufels-Ceug zu sein. Dabei gibt es auch andere tolle Buchstaben. E zum Beispiel, aber das kann man sich in Chemnitz nicht leisten. Deshalb fährt seit Juni auch „nur“ ein IC, ein langsamer Bummel-Intercity ohne Express, nach Berlin beziehungsweise Warnemünde, aber egal: Chemnitz kann jetzt Fernzug. Auch wenn Hater auf Twitter behaupten, dass der schicke neue IC nur eine weiß angemalte Regionalbahn sei. Dafür fährt er aber immerhin auch zwei mal am Tag ab Chemnitz Hauptbahnhof, für Chemnitzer Verhältnisse also richtig oft. Außerdem hat er WLan, richtiges Bahnpersonal, einen Kaffee- und einen Snack-Automaten und dazu eine Art Bordbistro-Simulation. Das einzige Problematische an diesem Zug ist eigentlich nur, dass er leider auch in Dresden hält. 

Stichwort Dresden: Während der einzig wahre rechtmäßige Sachsenkönig, Roland Kaiser, in Dresden alles abreißt, was keine Barockschnörkel hat, trumpft Chemnitz mit seiner ganz eigenen Kaiser Mania auf.  Wir meinen natürlich die Sven Schulze Sommertour. In deren Rahmen besucht OB Svenni wieder die sozialen Brennpunkte der Stadt, also das Weindorf und die Brauereimeile. Zwischendurch flext er noch lässig im CVAG-Baustellen-Fahrzeug und wenn dann doch noch nach Sozial aussehen soll (Schulze ist ein FDPler gefangen im Körper eines Sozialdemokraten, also wie Olaf Scholz), macht er noch ein paar rührige Fotos im Altersheim. Dieser Mann kennt seine Zielgruppe. Deshalb geht Svenni immer genau da hin, wo es nicht wehtut: Feuerwehr, Freibadpommesbude, FDP-Sommerempfang. Auch im größten Sommerloch bleibt er seiner weißen Wohlfühlwelt treu. An die Ränder der Chemnitzer Stadtgesellschaft traut er sich nicht, oder hat man ihn schon mal im Stadthallenpark Drogentütchen verstecken oder auf dem Sonnenberg Hakenkreuze tätowieren sehen? Hat er schon mal am Schlossteich mit Geflüchteten eingweggegrillt oder im AJZ die Küfa ausgegeben? Hat man ihn schon mal Tischkicker im Heckert-Jugendclub spielen oder bei der Obdachlosenhilfe gesehen? Besucht er auch andere dauerhaft Benachteiligte, wie z.B. den Klub Solitär und sonstige schwer marginalisierte Subkulturakteure? Steht das S in Svenni wirklich für Sozialdemokrat? Oder steht es für still, still, still, weil die Mitte schön weiter schlummern will. 

Um unseren CFC war es lange derart ruhig, dass die SuperIllu schon eine „Was macht eigentlich“-Homestory aus der Gellertstraße geplant hatte, doch jetzt meldet sich Chemnitz’ peinlichster Verein eindrucksvoll zurück, und zwar mit neuen Sponsoren: Der Energydrink 28Black prangt in der neuen Saison auf den prächtigen CFC-Spieler-Brüsten, der CFC kann sich also in Schwarze Dose Chemnitz umbenennen und das RB Leipzig Südwestsachsens werden. Auch in Sachen Fashion-Swag muss sich der CFC fortan nicht mehr hinter Spielern erstklassiger Vereine verstecken, denn unsere Himmelblauen dürfen jetzt offiziell Camp David tragen, den Stoff, aus dem Chemnitzer Textil-Träume sind. Damit ist der CFC jetzt nicht nur offiziell der neue Lieblingsclub von Dieter Bohlen, sondern auch der Aufsteiger der Chemnitzer Modeherzen und definitiv der Engelbert Strauß unter den Regionalliga-Vereinen. 

Chemnitz wird sich verändern, haben wir mal geschrieben, als die Stadt kometenhaft vom Weindorf zur Kulturhauptstadt aufstieg, und ja, Chemnitz hat sich verändert, aber ganz anders als wir dachten. Erst kamen die E-Roller, dann stiegen die Olivenpreise, dann zogen Menschen in die tanzende Siedlung, um vom benachbarten aaltra Silent Disco zu fordern. Jetzt fährt ein klimatisierter IC direkt nach Berlin, der New Yorker schreibt über die Chemnitzer Oper, und wenn das alles so weiter geht, wird irgendwann auch noch unsere gute alte MRB weggentrifiziert.  Seit neuesten hat Chemnitz auch einen eigenen Lurch, das Chemnitzion richteri, und ist damit endgültig in die erste Lurch-Liga der Großstädte aufgestiegen: In Leipzig gibt’s Lerche, in Chemnitz gibt’s Lurche. Und zwar nicht nur irgendwelche Lurche, die 291 Millionen Jahre alt und so langweilig versteinert wie die Marketingideen der Chemnitzer Stadtverwaltung sind, sondern kultige Kulturlurche, die „Marcel“ heißen und die Kulturhauptstadt als Lurch-Maskottchen noch mal auf ein ganz anderes Level bringen werden. In der Stadt ist man sich einig: Kulturlurch, das ist nicht etwa ein erfolgloser männlicher Kulturakteur, nein, das ist die Marketing-Zukunft der Stadt. Der Lurch soll mindestens Botschafter für 2025 werden, vielleicht wird der Kulturlurch aber auch Nachtbürgermeister oder Generallurch der Kunstsammlungen oder Makerlurch oder Lurch in Residence bei den nächsten Begehungen. Jedenfalls steht fest: Mit Kulturlurch Marcel hat schon wieder ein alter Mann das Sagen im Kuha-Game, in dieser Stadt wird sich so schnell wohl nichts mehr ändern. Schon jetzt werden deshalb eifrig Germens-Hemden entworfen und Maskottchen-Kostüme genäht – damit der endgültigen Infantilisierung der Chemnitzer Kulturhauptstadt auch nichts mehr im Wege steht. 

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Die Post der Moderne (Feburar): Chempire State of Mind https://remarx.eu/2022/03/die-post-der-moderne-chempire-state-of-mind/ https://remarx.eu/2022/03/die-post-der-moderne-chempire-state-of-mind/#respond Wed, 09 Mar 2022 18:55:35 +0000 https://remarx.eu/?p=11547 Chemnitz ist gemeinhin das Windows 98 unter den Städten: Zwanzig Jahre hinterher, aber es läuft wenigstens zuverlässig. Alle fünf Jahre macht die Stadt jedoch ein Upgrade und ist dann kurz wie eine richtige Stadt, bevor sie wieder auf Burgstädt-Niveau abstürzt. Das letzte große Chemnitz-Upgrade gab es, als der Ringbus – damals noch als Technobus – zum ersten Mal seine Halbkreise mit Endhaltestelle durch das Stadtgebiet zog und Chemnitz taktschlagartig Berlin wurde. Fast fünf Jahre, einen Kulturhauptstadttitel, zwei E-Roller-Flotten, mehrere Nazi-Skandale, unzählige neue Chemnitz-Neurosen, viele Cheesecakes und noch immer keinen Starbucks später ist es also nur logisch, dass Chemnitz jetzt New York ist. Wofür soll das C in NYC auch sonst stehen? 

Das hat endlich auch die Stadtmarketing-Abteilung erkannt und beschlossen, die Stadt nicht mehr wie ein überdimensionales Dorf zu behandeln, sondern wie die Trendmetropole, die sie ja eigentlich ist. Nach vermutlich wochenlangen rauschhaften Kreativrunden an trostlosen Konferenztischen ist ein neuer Meilenstein des Stadtmarketings entstanden: I LOVE C. Als Hashtag im Internet und als self-empowernder „Fotopoint“ für Menschen mit Chemnitzer Minderwertigkeitskomplex und alle, die ihn noch bekommen wollen. Es stimmt nämlich überhaupt gar nicht, dass in Chemnitz alle Trends mit fünf Jahren Verspätung ankommen, manchmal sind es auch fünfzig. Was in New York also schon in den Siebzigerjahren cool war, kann für Chemnitz im Jahr 2022 auch nicht so schlecht sein. Immerhin hat die legendäre I ❤NY-Kampagne damals aus der subversiven Subkultur-Supercity New York eine Souvenirhölle gemacht, deren Touristen-Nap-Fegefeuer auch heute noch weit in andere Welt-Metropolen hineinstrahlt. Jetzt hat es auch Chemnitz erreicht, und bald werden Menschen auf der ganzen Welt aus Chemnitz-Tassen trinken, eine Serie namens „Sachsen in the City“ feiern und Stoffbeutel, T-Shirts oder Tattoos mit „I Love C“ drauf tragen und niemand wird wissen, wofür genau das C eigentlich steht. Das C steht natürlich für Cringe, aber es könnte auch für Crimmitschau stehen oder für Cottbus oder für Christus. Oder für Corona – dieser „Fotopoint“ ist ein Faustschlag ins Gesicht aller pandemieleugnenden Aluwut-Träger:innen. Oder es steht für das C in ICE oder für cool, denn das ist Chemnitz neuerdings, oder für Cultur oder für Credibility, für Cock und für Cunt, das C schließt niemanden aus. In der Drogensprache steht es ziemlich eindeutig für Crystal Meth (manchmal auch für Kokain, aber eher nicht in Chemnitz), und man kann es durchaus als ein formvollendetes Meisterwerk der Realsatire bezeichnen, dass sich ausgerechnet die Europa-Methropole Chemnitz einen amphetaminleuchtenden „I LOVE C“-Aufsteller in die Innenstadt pflanzt, vor dem Menschen nun selbstbewusste Selfies machen sollen. 

Weil Chemnitz neuerdings wie New York und nicht mehr wie das New Yorck Center ist, hat die Stadt das glühende Selbst-Bekenntnis vor eine weitere neue, allerdings nur temporäre Touristenattraktion gestellt: Eine Eisbahn, wie es sie auch vorm Rockefeller Center oder im Central Park gibt, nur dass hier im Hintergrund keine weltstädtischen Wolkenkratzer glitzern, sondern nur provinzielle Trillerpfeifen schrillen, wenn mal wieder der örtliche Bauernaufstand der Querdenker vorbeimarschiert. Die „Chemnitzer Eiszauber“ war zwar gar nicht aus echtem Eis, sondern aus den alten Stasi-Akten von Ingo Steuer gemacht, bot dafür aber ein Wintervergnügen, für das manche extra bis nach Ischgl fahren, um dort die beschaulichen Berge zum Ballermann zu machen. Es gab Glühwein, Eierlikör und eine Discokugel für den endlosen Après-Glace-Gaudi, ökologisch korrekte VIP-Hüttenkugeln für die Schönauer Schickeria, Kaiserschmarrn und Schweizer Käse und trotzdem noch Wiener für 2,50 Euro, die Menschen trugen Tiroler Hut zum CFC-Schal, man traf illustre Prominenz wie das CSg-Maskottchen, der Weißwein glitzerte in der Sonne, kurz: Das Leben war gut auf diesem lieblos umgitterten Fleck Marktpflaster. Nur wenige Meter weiter, wo der Eiszauber längst im Betonalltag verflogen war, konnte man versprengte Freie Sachsen-Fans bei Lobgesängen auf Sahra Wagenknecht belauschen, während der Straßenmusiker nebenan ein inbrünstiges „Hallelujah“ geigte. So ist das eben in Chemnitz.

Die Eisbahn wurde zwar mittlerweile abgebaut und die zart keimende Februar-Hoffnung ist im dystopisch grauen März-Schmerz verpufft, die Chemnitzer New York-Ambitionen sind aber geblieben: Demnächst soll hier ein Snipes-Store eröffnen und ein Laden für Barfuß-Schuhe, ab Juni gibt es eine IC-Anbindung nach Berlin (und weiter nach Warnemünde), betrieben von der Deutschen Bahn – Chemnitz ist auf dem Weg zur absoluten Weltstadt.  Uns geht das alles viel zu schnell. Wir kommen noch nicht damit klar, dass nach nur 16 Jahren ohne Fernbahnanbindung bald wieder ein richtiger Intercity in Chemnitz halten soll und wir verkraften auch nicht, dass Miko Runkel bald sein Amt als Zucht- und Ordnungszorro niederlegt.  Alles, was re:marx ist, haben wir diesem Mann, haben wir diesem intercitylosen Hauptbahnhof, haben wir der sympathischen Uncoolness von Chemnitz zu verdanken. 

Urbane Panik befällt uns: Worüber sollen wir jetzt noch Witze machen? Wer nimmt uns hier noch ernsthaft die Underdog-Rolle ab, wenn Chemnitz plötzlich hip und angesagt ist? Wie wird es erst im Jahr 2025 sein, wenn Chemnitz doch jetzt schon wie New York City ist, und ab wann sollte man ernsthaft über einen Umzug in eine uncoolere Kommune nachdenken? Welche Kulturhauptverliererstadt würde sich dafür am ehesten anbieten? Kommen jetzt die ganzen großstadtgestressten Berliner:innen, die aufs Dorf ziehen wollen, und eröffnen Penis-Waffel-Läden auf der Zietenstraße? Sind wir hier bald alle belanglose Niemande, wie wir es in richtigen Städten schon seit Jahren wären?
Doch dann klicken wir uns durchs Chemnitzer Internet und sehen, dass zum Frauentag nur alte weiße Männer für die Kulturhauptstadt posieren, dass die Freien Sachsen einen bizarren Königreichstreit am Start haben, wir sehen die Fotos von OB Svenni vorm Herz, wir gehen ins Clubkino und kennen alle im Saal Anwesenden persönlich, wir atmen beruhigt auf und wissen: Chemnitz wird noch lange Windows 98 bleiben.  

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Die 500 besten Chemnitz-Songs aller Zeiten https://remarx.eu/2022/01/die-500-besten-chemnitz-songs-aller-zeiten/ https://remarx.eu/2022/01/die-500-besten-chemnitz-songs-aller-zeiten/#comments Sun, 30 Jan 2022 12:10:52 +0000 https://remarx.eu/?p=11398 Menschen, die in Chemnitz leben, müssen viel verarbeiten: Wie viele Texte, Kommentare, Tweets, Lieder, Zeit-Artikel, Insta-Posts und Bücher wurden schon über diese Stadt geweint? Wir haben den Überblick verloren. Selbst Menschen, die nicht (mehr) in Chemnitz leben, müssen Chemnitz verarbeiten – wie lässt sich sonst erklären, dass es ausgerechnet über Chemnitz so viele Songs gibt wie sonst nur über New York oder Paris oder Bochum? Es gibt finnische, französische und tschechische Chemnitz-Songs, es gibt gleich mehrere bekannte Welthits, es gibt stabile Stadtfest-Schlager und grenzwertige Gangsterrap-Versuche, es gibt viel Ironie und noch mehr Cringe, es gibt antifaschistische und Nazi-Hymnen, es gibt alles, was man sich von Chemnitz wünscht.  Wir haben uns mal wieder todesmutig ins Chemnitzer Darknet gestürzt und ALLE dort existierenden Chemnitz-Songs für euch gehört und analysiert, damit ihr es nicht tun müsst. Herausgekommen ist diese Liste der 500 besten Chemnitz-Songs aller Zeiten, deren Erstellung anstrengender war als ein Zehn/Kurze-Interview auf der Rückbank des Ringbusses: Immer, wenn wir dachten, wir hätten alles gehört, ist irgendwo ein neuer Chemnitz-Song aufgetaucht. Weil das mit den 500 Songs am Anfang nur ein Witz war, der dann aber Wirklichkeit geworden ist, ist dieser Text ein bisschen sehr lang geraten. Wer die drei Wochen Lesezeit also nicht investieren will, kann auch einfach nur die Playlist dazu hören, allen anderen wünschen wir viel Spaß mit:

Die Illustrationen hat die fabelhafte Cutseyartstuff gemacht.

The Chimneys of Chemnitz (2010)
Von: The Knockouts
Worum geht’s: „Wer zur Hölle schreibt denn ein Lied über Chemnitz?“, steht auf der Seite von laut.de, wenn man dort nach „The Knockouts“ sucht. Die Frage ist völlig falsch, wie diese intensive Darknet-Recherche zeigt, sie sollte vielmehr heißen: „Wer zur Hölle schreibt denn KEIN Lied über Chemnitz?“  The Knockouts haben jedenfalls nicht kein Lied über Chemnitz geschrieben, und das, obwohl sie aus Schweden kommen. Warum dieser Song existiert, bleibt trotzdem rätselhaft: War die Band für ein Konzert in der Stadt und hat sich im Rausch ein Lulatsch-Lichtermeer herbei halluziniert? Sind sie so gelangweilt von der schwedischen Bullerbü-Idylle, dass sie in ihren Songtexten von einer rauen beschornsteinten Industriestadt fantasieren? Ist Chemnitz mit seinem phallischen Wahrzeichen schon ein Fall für YouPorn oder doch nur ein Stadtname, der zufällig die Alliteration mit chimney perfekt macht? Dafür ist der Text dann doch zu präzise: Leere Straßen, grauer Beton, man kommt einfach nicht los davon.
Beste Textzeile: Dark grey clouds on the horizon / The dim lit streets are all empty now / The sound of factories grates in my ears / The ashes have grown cold and the flames are all gone / Bricks and glass, all smashed to pieces / And bullet holes in the concrete walls / There’s no place for us in this city / But to say goodnight took us all night long.“
Klingt wie: ein Ohrwurm, den man wochenlang nicht wieder los wird.
Unbedingt hören, wenn: Okay, „Einschusslöcher in Betonwänden“ und „kalte Asche“ klingen zwar nach Eindrücken aus dem Jugoslawien-Krieg, dieses Lied könnt ihr trotzdem gut hören, wenn ihr nach dem Punkkonzert im AJZ auf den Nachtbus wartet, der einfach nicht kommt. 


Breakfast in Chemnitz
von: Robb Johnson, dem letzten britischen politischen Liedermacher, dem Bob Dylan der Insel. Sagt zumindest Wikipedia.
Worum geht’s: Robb wollte scheinbar mal richtig dekadent in Chemnitz Frühstücken gehen, hat dann aber nur das Alex vorgefunden und seine Enttäuschung über diese orangensaftige Niederlage in einen melancholischen Song gepackt. Darin unterhält er sich mit Karl Marx darüber, dass früher alles besser war. Oder etwa nicht?
Beste Textzeile: „No, books aren’t burned now, it’s just no one reads them / and on the street of nations now we don’t need them / we let them eat Big Macs for breakfast in Chemnitz.“  Und: „Yes well, says Karl / it was nice to chat / you miss having breakfast when you’re just a statue / and on the street of nations there was this cafè you could get such good coffee / now there’s a Kaufhof the size of Berlin / but sun’s still shining and the world’s still turning and down on the street of nations the wind is blowing sharp as black coffee for breakfast in Chemnitz.“
Klingt wie: Chemnitzer „Wind of Change“.
Unbedingt hören, wenn: ihr auf der Suche nach einer guten Brunch-Location mal wieder stundenlang erfolglos durch die Stadt irrt, bis es Mittag ist und ihr völlig ausgehungert eine Thüringer Bratwurst am legendären grünen Thüringer-Bratwurst-Stand essen müsst. 

 

„Die 500 besten Chemnitz-Songs aller Zeiten“-Spezial: Andere Sprachen
Auch wenn man in Chemnitz als erste Fremdsprache lieber einen seltenen osterzgebirgischen Dialekt als Englisch spricht, scheint die Stadt doch ein Hit-Garant für fremdsprachige Musik zu sein:
Chemnitzzum Beispiel ist ein verträumt gehauchter französischer Jazz-Song von Jean-Daniel Botta über Carlfriedrich Claus oder so, den vermutlich viele Pariser:innen hören, wenn sie sehnsüchtig am Seine-Ufer sitzen und von einem Leben in Chemnitz träumen. Hach ja, Paris – das Chemnitz des Ostens. In Nic v Chemnitz wiederum singt der Tschechische Filmkomponist Michal Hruza Sachen, die wir leider nicht verstehen, aber wir wissen, dass der Song übersetzt „Nichts in Chemnitz“ heißt und dass damit auch schon alles über die Stadt gesagt ist.
Im melancholisch getriebenen „karl-marx-stadt“ von Alexander Ringbäck, einem Songwriter aus Göteborg, geht es natürlich um die Fährverbindung Sassnitz-Trelleborg. Und weil viele Künstler:innen bei der Betitelung ihrer Chemnitz-Songs so einfallsreich sind wie die Kellnberger Familiy bei der Gestaltung ihrer Betonfassaden, hat auch die finnische Gniedel-Rockband I.N.K. einen ihrer Songs ganz ausgefallen – Achtung! – „Chemnitz“ genannt.

Steig in mein Boot (Chemnitz Brühl Boulevard) (2020)
von: Poet
Worum geht’s: Zwei Freunde wollen in Chemnitz mal so richtig fett feiern und treffen sich deshalb vormittags mit einem Gummiboot und blauen Perücken auf dem Brühl, um vorm ZUHAUSE-Monument den Ballermann raushängen zu lassen. Völlig logisch eigentlich.
Beste Textzeile: „Steig in mein Boot, wir machen Fiesta / wenn du dich traust, bin ich deine Keisha“ oder auch „Badaboom Badabang / ich komm mit meiner Gang / ich stampf dich in den Boden.“ (Reimschema plötzlich vorbei).
Klingt wie: der große Rausschmeißer beim Sonntagsbrunch im Espitas.
Unbedingt hören, wenn: die Fomo mal wieder so hart kickt, dass ein klammer Schmerz im Brustkorb aufflammt. Dann hört man einfach kurz diesen Song und will garantiert nie wieder in Chemnitz feiern gehen.
Alternativ hören: I Like Karl-Marx-Stadt  von Viel zu Viel ist wahrscheinlich der bessere Abriss-Song, nervt aber nach 30 Sekunden mehr als die Nasenpenis-Armada an der örtlichen Edeka-Kasse. Dafür bringt die Textzeile „Heute Abend will ich Party machen / guck ins 371 / vergeht mir das Lachen“ das Chemnitzer Partyleben perfekt auf den Punkt.

 

Heimatkunde (2021)
Von: AG Schwebebalken
Worum geht’s: „Heimatkunde“ soll eine Art Chemnitz-Flex sein, beweist aber vor allem eines: Diese Stadt hat überhaupt gar kein, also wirklich NULL, Scham-Gefühl – sondern eine Cringe-Resistenz, von der selbst der ZDF Fernsehgarten noch viel lernen kann.
Beste Textzeile: „Noctulus mit Bollerwagen, ohne festen Standfleck/ Hinterhöfe, Beistelltische, Pinguine auf Crack“
Klingt wie: die „lustige“ Spontan-Performance von angeblichen „Freunden“ auf einer zwangsfröhlichen Hochzeit und auch ein bisschen wie „Just can’t get enough“ von Depeche Mode.
Unbedingt hören, wenn: ihr genauso fremdschamfest und cringeresistent seid wie der Rest der Stadt.

 

CHEMNITZ (unbekannt)
von: Klemmi, Sänger von ROCKWÄRTS – das waren in den Achtzigerjahren die Pioniere des Chemnitzer ROCK, und sind damit quasi die Urväter von Falko Rock. Von Klemmi gibt es übrigens ein ganzes Album namens „Made in Klemmnitz“, dieser Typ muss eine absolute Legende sein.
Worum geht’s: Was für eine verdammt geile Stadt ist eigentlich Chemnitz? Das ist eine Frage, die man hier ständig gefragt wird, woraufhin man sich natürlich erstmal euphorisch in stundenlangen Schwärmereien verliert und völlig verklärte Sachen sagt wie: „Geht schon.“ „Für Chemnitz reicht’s.“ „Vielleicht zieh ich ja auch bald weg, aber erst in drei Jahren.“
Beste Textzeile:Altes Stiefkind, wirst nie erwähnt / aber du hast dir verdient, dass du für mich die heimliche Hauptstadt bist.“
Klingt wie: die inoffizielle Kommunalhymne, bei der man im Bierzelt beim Kartoffelfest besoffen aufsteht und sich ergriffen die Hand aufs Herz legt, das „Bochum“ des Ostens.
Unbedingt hören, wenn: ihr wieder mal nachts betrunken an der Chemnitz flaniert und dabei sehr plötzlich schrecklich sentimental werdet.
Alternativ hören: Meine Stadt (Song für Chemnitz) von Felsenreich Akustik Projekt, ist nicht nur ein Lied über Chemnitz, nein, es ist auch ein Lied über die Stadt der Liebe (auch Chemnitz). „Hier drehte Kati ihre Runden, und der Ballack netzte ein, hier hab ich mein Heil gefunden und hier bin ich nie allein.“  Mehr müssen wir gar nicht dazu sagen, denn ihr „Heil“ haben hier wirklich viele gefunden, vor allem viele aus Dortmund.
In Chemnitz – Tor zum Erzgebirge  zählt die Stadtfest-Ikone Astrid Himmelreich tapfer alle drei Chemnitzer Besonderheiten auf und wird dabei grammatikalisch derart experimentell („Die Stadt heißt Chemnitz, wie ihr wisst, und das Tor zum Erzgebirge ist“ ), dass man hier schon von Pink-Floyd-Niveau sprechen kann. Von Astrid Himmelreich gibt es noch andere sächsische Super-Smash-Hits wie „Sachsen – Meine Heimat“ oder „Mein Wittgensdorf“, aber nur „Chemnitz – Tor zum Erzgebirge“ könnte auch die Titelmelodie zur Drehscheibe Chemnitz sein. Wer sich zu Punk für Astrid Himmelreich fühlt, kann alternativ auch „Chemnitz“ von den Arbeitslosen Bauarbeitern hören, das ist inhaltlich der gleiche Song, nur mit verzerrten Gitarren, und Die Arbeitslosen Bauarbeiter sind die Chemnitzer Die Ärzte, nur ohne Ironie.

 

Karl-Marx-Stadt (2011)
von: Kraftklub
Worum geht’s: Was für eine verdammt geile Stadt ist eigentlich Chemnitz? Das ist eine Frage, die man hier so gut wie nie gefragt wird. Stattdessen immer diese Fragen, in die man direkt einen mitleidigen Unterton hinein interpretiert: „Du wohnst also immer noch in Chemnitz?“ Dann verfällt man in stundenlange Rechtfertigungen darüber, warum man nicht wegziehen kann oder – noch krasser – gar nicht wegziehen will, und fühlt sich dabei, als hätte man im Leben schwer versagt. In der Allgemeinen Chemnitzwissenschaft, auch Küchenpsychologie genannt, sagt man dazu „Chemnitzer Minderwertigkeitskomplex“, und der ist derart ausgeprägt, dass er sogar einen eigenen Welthit hat.
Beste Textzeile: „Ich cruise Banane essend im Trabant um den Karl-Marx-Kopf / Die Straßen menschenleer und das Essen ohne Farbstoff / Diskriminiert, nicht motiviert / Von der Decke tropft das Wasser / nix funktioniert.“ 
Klingt wie: „Loser“ von Beck.
Unbedingt hören, wenn: ihr diese kollektive, fast schon euphorische Aufbruchsstimmung der frühen Chemnitzer Zehnerjahre noch mal kurz aufleben lassen wollt.
Alternativ hören: Meine Stadt ist zu lautaber bitte nur angemessen leise hören, sonst reichen wir sofort Lärmbeschwerde ein. Oder aber Ich will nicht nach Berlin – der einzige Berlin-Song, der tief im Herzen eigentlich ein Song über Chemnitz ist. 

 

 

Karl-Marx-Stadt (1994)
von: Megapolis
Worum geht’s: Die Mutter aller Chemnitz-Lieder, das „Like A Rolling Stone“ Sachsens, hat im Prinzip gar nichts mit Chemnitz zu tun, sondern heißt vermutlich nur aus Gründen einer basiskommunistischen Sympathie „Karl-Marx-Stadt“.
Beste und einzige Textzeile: „Karl-Marx Stadt, du bist die Stadt roter Blumen, aber ich mag nur weiß.“
Klingt wie: die Aftershowparty eines Arbeiterpartei-Plenums, viel Wodka und saure Gurken.
Unbedingt hören, bevor: die supergute Schnapslaune in wehleidige Wodkamelancholie umschlägt.

 

Chemnitz California Song (2007)
von: Mittweida Community Choir – die Chemnitzer Verzweiflung strahlt bis nach Mittelsachsen.
Worum geht’s: Chemnitz, das Kalifornien Südwestsachsens, wo sich lauter liberale Linke am Long Ufer Beach sonnen, wo das Sachsen Fernsehen selbst den Hollywood-Studios Konkurrenz macht, wo die Bleichen und Schönen mit sonnenberggebräunten Strähnen im Haar am Wall flanieren, na ihr wisst schon. So zumindest scheint Chemnitz aus der Ferne zu wirken, wenn man in Mittweida wohnen oder studieren muss. 
Beste Textzeile:  We all love the sun / We eat bratwurst in a bun / Che-he-hemnitz here we come / Right back where we started from“
Klingt wie: California von Phantom Planet natürlich. Außerdem wie die wuchtige Welle der Nostalgie, die einen überrollt, wenn man zurück an die unzähligen Jugendstunden denkt, die man mit O.C., California vorm Fernseher verbracht hat.
Unbedingt hören, wenn: ihr wissen wollt, wie trostlos sich ein Leben in Mittelsachsen anfühlen muss.

 

Urlaub am Uferstrand (2018)
von: Integral
Worum geht’s: Seitdem hier die Dreharbeiten zu „The Beach“ und die Bauarbeiten zu „Stadt am Fluss“ stattfanden, wird der einst paradiesisch entlegene Uferstrand regelrecht von Touristen überrannt. Jedes Jahr verbringt die Stille Mitte ihre Sommerfrische an der ostdeutschen Copa Cabana bei Apérol und Roster, reserviert Liegen mit Deutschlandfahnen, zeigt Hakenkreuz-Arschgeweihe beim Beach Volleyball.
Beste Textzeile:3,50 Euro für die Roster sind ja günstig“ und „Ich bin zu dämlich einen See zu finden“
Klingt wie: NCW – Neue Chemnitzer Welle, und damit sind natürlich die Beach Waves des Uferstrands gemeint.
Unbedingt hören, wenn: ihr eure Chemnitz-Urlaube bisher immer auf der Schlossteichinsel, dem Mallorca Sachsens, verbracht habt und zur Abwechslung mal was anderes sehen wollt. 

 

Chemnitz Stadt (2018)
von: Baumarkt
Worum geht’s: das weiß man nicht so genau, wir vermuten aber mal um Chemnitz, Chemnitz Stadt. Übrigens wird Chemnitz, Chemnitz Stadt in keinem anderen Chemnitz-Song öfter erwähnt als in Chemnitz, Chemnitz Stadt.
Beste Textzeile:Wir tanzen Ringel-Ringel-Reihe / stehen uns auf den Füßen und gehen dann heim / Chemnitz. Chemnitz.“
Klingt wie: die Titelmusik des völlig schrägen und hochgradig neurotischen Indiefilms mit Lars Eidinger in der Hauptrolle seines Lebens als trauriger Stille-Mitte-Mann mit zurückweichendem Haaransatz, den wir uns schon so lange wünschen.
Unbedingt hören, wenn: das Lied passt eigentlich für alle Chemnitzlagen.
Alternativ hören:  Chemnitz Stadt von Augenringemann, ein Rapsong mit Baumarkt-Sample und ironischem Flex-Text: „Chemnitz, was ne aufregende Stadt / ich fahr nach Leipzig um zu sehen, wie schön ich es hab“ 

 

Chemnitz – Karl-Marx-Stadt (2020)
von: Arba Manillah
Worum geht’s: Um Vibes. Um gute Vibes, um Anti-Bengalo-Dobermann-Vibes.
Beste und einzige Textzeile: „Chemnitz/ Karl-Marx-Stadt/ everybody known the history“
Klingt wie: die friedliche Eskalation auf der Diversity-Stage beim Chemnitzer Hutfestival.
Unbedingt hören, wenn: ihr euch mal wieder vergewissern müsst, dass in Chemnitz nicht nur alte weiße Nazi-Boomer leben. 

 

Weder grau noch braun (2018)
von: Money$Mufasa, einem jungen Rapper aus Chemnitz (inzwischen anscheinend nach Leipzig gezogen, Anm. der Red), der das Ostgame owned. Zumindest hat er in einem seiner Videos schon mal vor einem Trap-bant posiert.
Worum geht’s: Während Trettmann und KUMMER unser schönes Chemnitz immer nur schlecht machen wegen der Nazis, die es hier doch überhaupt gar nicht gibt, traut sich Money$Mufasa endlich auch mal positive Vibes aus der Stadt zu senden. Sein Song appelliert an Menschlichkeit und Zusammenhalt, was eine ehrenwerte Message ist, mitunter aber etwas übertrieben bonoesque anmutet.
Beste Textzeile: „Das geht raus an die Welt / heißt doch jeden hier willkommen/ sind alle bunt wie die Esse/ darum sing ich diesen Song.“
Klingt wie: die Buntmacher*innen als Pop-Rap-Song.
Unbedingt hören, wenn: ihr mal wieder grauen Beton mit bunter Kreide anmalt, um Hakenkreuz-Schmierereien zu kaschieren.

Bastion (2017)
von: Skrab
Worum geht’s: Wenn man in Chemnitz lebt, muss man einiges aus- und gegen vieles dagegenhalten. Das war schon vor dem August 2018 so, das war während dieser Zeit noch mal um ein Vielfaches schlimmer und auch aktuell fühlt sich sachsenweit alles ziemlich finster an. Wir glauben auch nicht, dass das in nächster Zeit besser wird, diese Menschen hat man verloren, die holt man nicht mehr zurück. Wenn man in Chemnitz lebt, und zum Beispiel regelmäßig tausende Menschen mit den Freien Sachsen durch die Stadt marschieren sieht, geht man im Kopf immer wieder individuelle Fluchtoptionen durch. Gleichzeitig fragt man sich, ob man es den Rechten damit nicht erst recht leicht macht, ob Wegziehen wirklich die Lösung ist. Skrab sagt: Nein, ist es nicht.
Beste Textzeile: Ich seh mich um / Dreckskaff / Gesichter einer Meth-Stadt / über die Ausländer wird gelästert …
Klingt wie: eine düstere Bestandsaufnahme der Chemnitzer Stadtgesellschaft und gleichzeitig wie ein Mutmacher, sich hier aktiver einzubringen. 
Unbedingt hören, wenn: ihr hier auch weiterhin tapfer die Bastion gegen die braune Invasion haltet und die Gegend nicht aufgeben wollt.

 

9010 (2019)
von: KUMMER
Worum geht’s: vor Hunderttausenden von Jahren (also Anfang der Neunzigerjahre) hatte Chemnitz mal eine andere Postleitzahl – und Faschos, die sich in Ostdeutschland durch das von der Wende hinterlassene Vakuum prügelten. Heute sieht die Chemnitzer Postleitzahl auch nicht viel anders aus und die Faschos sind immer noch da, nur anders: ihre Strukturen haben sich mittlerweile gefestigt.
Beste Textzeile: „Plastikbeutel, Korn, Westpoint-Zigarillos, schlechte Haut/Chemnitz-City-Swag, alles sieht irgendwie traurig aus“
Klingt wie: ein Faustschlag in die verharmlosende „Chemnitz-ist-bunt“-Romantik, die hier gerne für Image-Politur propagiert wird.
Unbedingt hören, wenn: euch ein armseliger Stollbergnazi aus dem tiefer gelegten BMW heraus mal wieder „Scheiß Zecken“ entgegenruft, nur weil ihr ein bisschen zu weit links steht.
Alternativ hören: Schiff, aber das ist uns persönlich viel zu negativ, sorry.

 

 

Grauer Beton (2017)
von: Trettmann
Worum geht’s: Die Neunzigerjahre beginnen, die DDR ist zu Ende. Dort, wo die Wende Leerstellen hinterlassen hat, wuchern falsche Hoffnungen, wird die euphorische Aufbruchstimmung von Enttäuschungen gedämpft, wächst man zusammen und treibt auseinander, blühen zwar keine Landschaften, aber dafür gedeihen Perspektivlosigkeit und Frustrationen – und damit auch ein Nährboden für Rechtsextremismus. Oder kurz: Tretti ist im Heckert aufgewachsen und hat ein Lied darüber geschrieben.
Beste Textzeile: eigentlich alle.
Klingt wie: ein Spaziergang in der Markersdorfer Oase, grauer Himmel, feiner Nieselregen, kalter Wind im Gesicht – all the Chemnitz-Feels.
Unbedingt hören, wenn: ihr nachempfinden oder noch mal erleben wollt, wie sich Aufwachsen in den Neunzigerjahren im Plattenbau angefühlt hat.

 

 

Chemnitz feat. Youdon (2001)
von: Tefla & Jaleel
Worum geht’s: Chemnitz ist Schrödingers Katze unter den Städten: Gleichzeitig lebendig und tot, gleichzeitig die geilste und die schlimmste Stadt aller Zeiten. Liebe und Hass, eine toxische Beziehung, von der man einfach nicht loskommt. Das war anscheinend schon vor 20 Jahren so, deshalb gibt es diesen Song – der beschreibt das widersprüchliche Chemnitz-Gefühl recht perfekt.
Beste Textzeile: Der komplette erste Verse. Und: „Der erste Sonnenstrahl entspringt im Dunst der Stadt / begleitet meine Frage nach dem Grund, was mich in deren Schoß gehalten hat. / Schlender entlang dem Kaßberg um meine Emotion zu fang’ / und Ausreden zu finden dafür wie man hier eigentlich noch leben kann.“
Klingt nach: Früher, als alles besser war. Als Hip Hop von Phlatline in Chemnitz erfunden wurde und das splash! noch am Stausee Rabenstein stattfand. Klingt aber auch so, als hätte sich in Chemnitz seitdem nichts verändert. Stimmt zwar nicht, das im Song berappte Lebensgefühl ist aber das Gleiche geblieben.
Unbedingt hören, wenn: euch zwiespältige Chemnitz-Gefühle mal wieder das Herz zerreißen.
Alternativ hören: Ein Tag am See, Meine Gegend

 

 

Bye, Bye Chemnitz (2021)
von: Jus’Thiz
Worum geht’s: Aus Chemnitz wegzuziehen ist eine große Kunst, die nur den allerwenigsten Menschen so richtig gelingt. Denn selbst diejenigen, die es aus Chemnitz raus schaffen, haben die Stadt nie so wirklich verlassen und schreiben immer noch Songs oder Gedichte oder Bücher über sie.
Beste Textzeile: „Heut hab ich verstanden, was die Message ist / Liebe diese Stadt, aber rette dich!“
Klingt wie: ein nur so mittelmäßig guter Drogentrip, der viel zu lange anhält.
Unbedingt hören, wenn: ihr es nach 3000 langen Chemnitz-Jahren dann doch endlich schaffen solltet, nach Leipzig zu ziehen. 

 

Die „500 besten Chemnitz-Songs aller Zeiten“-Spezial: Wenn Ostdeutsche auf Gangster machen
Es gibt kaum etwas Peinlicheres als Typen, die so tun, als wären sie betonharte ostdeutsche Gangster aus einer betonharten ostdeutschen Gangsterstadt („Crimenitz“), in Videos dann aber mit „Good Vibes All The Way“-Sweater vorm Segway Point posen. Während Chemnitz-Rapper auf Original Ostler machen und ständig ihre toxische Sächsichkeit raushängen lassen, lachen echte OGs vermutlich einfach nur über Chemnitz. Zum Beispiel über den Cracky City Chemnitz Rap von ähem Crack David, der sich offensichtlich in der Droge geirrt hat – Crack ist hier nicht das Problem, David! Der Track bietet auch sonst nichts weiter, außer Einblicke in die minderwertigkeitskomplexe Chemnitzer Gangster-Seele. In Chemnitz City rappt ein Dude namens H3XOR neben frauenfeindlicher Scheiße auch fast schon niedliche Bars wie „091 checkt den Sound und fühl den Bass, Chemnitz City, wir machen Hip Hop wieder krass“. Der Chemnitzer Möchtegern-Shindy träumt von einem Sektempfang am Uferstrand – das scheint sowas wie der absolute Gipfel im Chemnitzer Gangster-Game zu sein. Ein Typ namens Taiga sehnt sich wiederum nach einem Leben als Chemnitz Most Wanted  und nascht dabei Törtschen vorm Konditor, wie man das als harter Chemnitz-OG eben so macht. Dann gibt es noch (Bengalo) Dobermann, einen Rapper aus dem rechten Milieu, der neben traditionell nazihaftem CFC-Liedgut auch Songs macht, die direkt als Aufmarschmusik der örtlichen Identitären dienen könnten (Ostdeutschland / wo der Stolz noch den Trend fickt / das ist Chemnitz / hier hat Erde noch Tradition / Sachsen / ist im Herzen ein Patriot“. )
Was Chemnitzrap kann, kann Schlager übrigens schon lange: Im Schornstein- und Straßenfeger „Chemnitz und der Schornstein-Song Du bist der Größe“ (2021) flext SchlagaMike mit dem Lulatsch, dem toxischsten aller maskulinen Chemnitzer Phallus-Symbole, und disst dabei sogar Szenestadtgrößen wie Paris und Berlin.

 

Sonnenberg (2020)
von: Til Schweighöfer, unserem Mann in Hollywood.
Worum geht’s: Auch Matthias Schweighöfer ist in Chemnitz aufgewachsen, und musste damals (ca. Mitte der Neunziger) mit dem Bus über den Sonnenberg fahren, denn sein Schulweg sollte kein leichter sein. Diese Busfahrten waren anscheinend romantischer als ein Sonnenuntergang am Seine-Ufer, und deshalb hat er einen Song darüber geschrieben. Der ist die kitschige Antithese zu „Grauer Beton“ und trägt lieber „Blüten im Haar“, weil der Sonnenberg wie ja San Francisco ist, nur eben ohne Hippies. Fraglich bleibt, ob er wirklich den „echten“ Sonnenberg meint oder ihn einfach nur mit dem Kaßberg verwechselt hat (wo er ja tatsächlich zur Schule ging), was genau er damals geraucht hat oder ob adoleszente Liebe derart blind macht, dass man eine dissoziative Störung entwickelt und alles andere ausblendet und dann ausgerechnet so einen Song über den SONNENBERG!!! in den NEUNZIGERN!!!1!! komponiert.
Beste Textzeile: Träumen uns Zelte auf den Berg / Keine Schlösser in die Luft / Aber das ist viel zu lang her / Und ich vergess‘ deinen Duft
Klingt wie: die inoffizielle Sonnenberg-Hymne, der ultimative Tesla-Rausschmeißer, der beliebte Fürstenkeller-Engtanz-Hit für jung und alt.
Unbedingt hören, wenn: ihr die handelsüblichen „Heil Hitler“-Rufe an der Gellertstraße mal mit was richtig Schönem übertönen wollt.

 

 

Am Schlossteich weiß ich eine kleine Bank (1965)
von: Peter Michael und die Kolibris
Worum geht’s: Hach, Chemnitz! Wo die Romantik am Schlossteich sitzt und sich am Feuer der Einweggrille wärmt und nachts pfeffitrunken unter den polizeiblauen Lichtern des Walls tanzt. Dieser Song hat die europäische Kulturhauptstadt schon gespürt, da hatte Chemnitz noch nicht mal ihr ewiges Opfernarrativ entwickelt, sondern noch so etwas ähnliches wie ein Selbstbewusstsein.
Beste Textzeile: Wenn morgens früh der Tag erwacht zum Leben / spürst du den Pulsschlag unsrer großen Stadt / und tausend Hände schaffen die Wende / die ihr Gesicht so wunderbar verändert hat. / Und alle unsere Mühe wird sich lohnen / die Zukunft wird dich noch viel schöner sehen […] / Am Schlossteich weiß ich eine kleine Bank für dich und mich / dort wollen wir von der Zukunft glücklich träumen.
Klingt wie: ein schwärmerisch schwelgender DDR-Sinatra
Unbedingt hören, wenn: ihr euch nostalgisch durch alte „Unser Chemnitz und Karl-Marx-Stadt“-Fotogalerien klickt.
Alternativ hören: Ich hab in Chemnitz einen Liebsten wohnen

 

 

CFC Song von Steffen 
von: Steffen
Worum geht’s: FCK, das steht für Fuck – und es kann kein Zufall sein, dass es auch für den FC Karl-Marx-Stadt steht, schließlich ist der CFC am Ende. Trotzdem halten tapfere Fans weiterhin die Reichsfahne oben und versprechen sich selbst das Blaue vom Himmel. Zum Beispiel in diesem Song, der wahrscheinlich wirklich glaubt, dass der CFC noch in irgendeiner Weise relevant ist.
Beste Textzeile: „Unsre Farben in voller Pracht / denn der CFC bleibt eine Macht / und die Südkurve, die Stimmung ist gut / das macht der Mannschaft neuen Mut / und wir feuern die Spieler an / himmelblaue Fahnen schwenken dann.“
Klingt wie: der größte anzunehmende Bautz’ner Senf-Unfall.
Unbedingt hören, wenn:  ihr im CFC-Kreissaal gerade dafür sorgt, dass dem CFC die treuen Fans niemals ausgehen werden.
Alternativ hören: Meine Liebe mein Verein“ von die Arbeitslosen Bauarbeiter

 

 

Triff Chemnitz  (2009)
von: Hörfaktor
Worum geht’s: Die wenigsten wissen es, aber das Internet, wie wir es heute kennen und nutzen, wurde einst in Chemnitz erfunden. Es hieß damals in seiner Beta-Version noch Triff Chemnitz und war eine Art digitaler Dorfplatz der Stadt, ein Forum der Verzweiflung. Wenn die Chemnitzer Straßen mal wieder wie leergefegt waren, dann nur, weil gerade alle online auf Triff Chemnitz abhingen. Mittlerweile wurde Triff Chemnitz zwar von Condé Nast gekauft und in Reddit umbenannt, aber es hat einen eigenen Song und der wird für immer bleiben.
Beste Textzeile:Alter, ein Gewinnspiel für zwei Kinokarten / steht direkt unterm ‚Chemnitzer des Tages‘, den bis heute niemand kannte“
Klingt wie: The Frontpage of the Chemnitzer Internet
Unbedingt hören, wenn: euch die Chemnitz Memes auf Instagram zu langweilig geworden sind.

 

 

Chemnitz Girl (2019)
von: Barock Project
Worum geht’s: Die Chemnitzer Girls: Sie schleichen ständig schlecht gelaunt durch die Straßen, die Haare nicht gemacht, die harte Chemnitz-Vergangenheit in schwermütiges Schweigen gehüllt. Sie rauchen viel und lächeln nie, sie sind so verschlossen wie ihre Stadt (Vgl. Anonyme Melancholiker). Der Mann hinter re:marx kann das bestätigen.
Beste Textzeile:Grey silent buildings standing up /shatterd games from stolen memories“ oder so und „She wears thick old-fashioned clothes / and hair-do clearly out of style.“ 
Klingt wie:  ein barock mansplaintes Ostklischee.
Unbedingt hören, wenn: ihr auf dem Mittelaltermarkt im Badezuber chillt und die Chemnitz-Fressen an euch vorbeiziehen seht.

 

 

Bochum:
Von: Herbert Grönemeyer
Worum geht’s: Chemnitz gilt gemeinhin als sehr hässliche Stadt. Aber das macht Chemnitz weder besonders, noch ist die Stadt damit allein, denn andere Städte haben auch hässliche Häuser. Bochum zum Beispiel. Über Bochum gibt es einen Herbert Grönemeyer-Song, in dem er die Hässlichkeit der Stadt derart inbrünstig besingt, dass man a) denkt, er würde Chemnitz meinen, und sich b) allein vom Zuhören so fühlt, als würde man selbst aus Bochum kommen. Und tatsächlich gibt es zwischen potthässlichen Pott-Städten und ostdeutschen Industriewracks wie Chemnitz mehr Parallelen, als man denkt: Eine davon ist die Abneigung gegenüber einer dekadenten Landeshauptstadt, die sich in beiden Bundeslandfällen mit DD abkürzen lässt. 
Beste Textzeile: „Du bist keine Schönheit / vor Arbeit ganz grau / du liebst dich ohne Schminke / bist ne ehrliche Haut / leeiiiiider total verbaut / aber gerade das macht dich aus!“ 
Klingt wie: eine etwas aus dem Ruder geratene Cover-Version des echt erzgebirgischen Steigerlieds und wie der beste Chemnitz-Song, der niemals über Chemnitz geschrieben wurde.
Unbedingt hören, wenn: ihr euch im harten Chemnitz-Alltag allein und unverstanden fühlt. 

 

 

Honorable Mentions (oder: wir hatten leider keine Lust mehr)

Lied der Chemnitzer Köche(Chemnitzer Köche)

Chemnitz du ALTES HAUS

Hitradio RTL Sachsenhit: Chemnitz 

Chemnitz (The Inserts)

Karl-Marx-Stadt (Convex Level)

Chemnitz (Sendemann)

Lost in Chemnitz (Onlee)

Chemnitz Cracker (Jens Gamboni)

 

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https://remarx.eu/2022/01/die-500-besten-chemnitz-songs-aller-zeiten/feed/ 3
Ohne Vergnügen: Zehn Dinge, die du 2031 in Chemnitz erlebt haben musst https://remarx.eu/2021/06/zehn-dinge-die-du-2032-in-chemnitz-erlebt-haben-musst/ https://remarx.eu/2021/06/zehn-dinge-die-du-2032-in-chemnitz-erlebt-haben-musst/#respond Mon, 21 Jun 2021 22:45:49 +0000 https://remarx.eu/?p=10875 Chemnitz war bisher immer eine Stadt, die gerne zurückschaut, die mit wehleidig wimmernder Sachsen-Stimme von früher erzählt, die sich verzweifelt an eine Vergangenheit klammert, in der die Stadt noch groß und glorreich war. Dabei scheint sie ganz zu vergessen, dass es ja auch noch eine Zukunft gibt, in der sie wieder groß und glorreich, naja zumindest groß, sein könnte. Doch seitdem Chemnitz werdende Kulturhauptstadt ist, ist auch das neumodische Konzept „Zukunft“ in der Stadt angekommen, und man denkt nicht mehr nur darüber nach, was früher alles besser war, sondern plötzlich auch darüber, was übermorgen alles beschissen sein könnte. Wir sind auf den Mega-Trend der Zukunftsprognose aufgesprungen und haben weeeiiit nach vorne geblickt, auch wenn die Aussicht nicht ganz bis zum ICE gereicht hat: Was wird in zehn Jahren in den Reiseführern über Chemnitz stehen, wie wird die Kulturhauptstadt die Stadt verändern und kommt nach 2025 die große Depression? Wir haben einen kleinen Travelguide für Chemnitz im Jahr 2031 geschrieben. Diese zehn Dinge wirst du in zehn Jahren in Chemnitz erlebt haben werden müssen: 

 

1) BUNTE STADT CHEMNITZ

Von der Nachwendezeit bis in die frühen Zwanzigerjahre galt Chemnitz als eine Stadt, in der die depressivsten Schattierungen der Farbe Grau von den Betonfassaden direkt in die Seelen der Einwohner:innen tropften. Ein trister Ort im No-Go-Lebensraum „Osten“, wo man die Lebensfreude vergeblich suchte, dafür aber gewaltbereite Nazis sowie zahn- und perspektivlose Meth-Münder fand. Doch Dank des beispiellosen Engagements einer Gruppe namens Buntmacher*Innen gehört dieses Bild längst der Vergangenheit an: Als Chemnitz am allergrausten schien, nahmen sie beherzt die Pinsel in die Hand und brachten Farbe in die Stadt. Alles fing mit der mittlerweile weltberühmten „Lego-Treppe“ an, auf der sich an Wochenenden tausende Influencerinnen für ein perfektes Chemnitz-Foto räkeln. Heute laden in Chemnitz viele regenbogen- und reichsflaggenbunte Highlights zum Verweilen ein: Die bunte aaltra-Treppe, das bunte Polizeipräsidium, das bunte Ebersdorf, den bunten Mensa-Vorplatz, die bunten Einbaumbänke, die bunten Tribünen der Südkurve im Gellertstadion, die bunte Republik Innenstadt, den bunten Turm und natürlich den bunten sprechenden Nischel solltet ihr euch unbedingt anschauen. Auch die bunte Brückenstraße, auf die mutige Chemnitzer:innen im Sommer 2023 „Demokratie“, „Toleranz“ und „Akzeptanz“ gesprüht und damit sämtliche Nazistrukturen zerschlagen und einschlägige NPD-Kader zurück nach Dortmund geschickt haben, gilt heute als beliebter Touristen-Magnet. Also nix wie hin für ein cooles neues Profilfoto mit angesagter politischer Message! 

 

2) DIE EINZIGE STARBUCKSFREIE GROSSSTADT EUROPAS

Bis zu zwei Millionen Touristen kommen jährlich nach Chemnitz – doch einen Starbucks suchen sie hier vergeblich. Stattdessen lockt die sexy Sachsen-Stadt mit kleinen makergeführten Cafés und Kneipen, die sich vor allem um die Innere Klosterstraße herum angesiedelt haben. Im „Culturcafé Cuhabunt“ gibt es Apfelkuchen mit bunten Streuseln und man trifft sich abends ganz gemütlich bei Cultur-Lesungen oder Cultur-Conzerten. „Karlbucks“ lässt nicht nur Milchschaum-Träume wahr werden, sondern hat den mit Abstand besten Flat Grey in ganz Chemnitz. Wer eingeborene Kulturakteure unter die Theke trinken will, kann das in der „Kulturtanke“, im „Trinkkultur“ oder im „Cultur-Crux-Clan“ versuchen — oder gleich sein lassen, denn die Local Chemnitz Natives sind trinkfester als alle Engländer am Ballermann zusammen. Lust auf internationale Akteure? Dann ab ins „Kulturschock“ – in dieser Kneipe wird nur Englisch geredet, weshalb sich viele echte Chemnitzer gar nicht erst hin trauen. Das beste Bier und eine unglaublich gute fettig frittierte Langos-Haxe vom Grill findet ihr in Carls Culturcraftbierbrewery. Falls ihr euch nach einer durchzechten Chemnitz-Nacht mal etwas leer fühlen solltet, empfehlen wir ein ausgiebiges Brunch im „Total Verkarltert“. Wer einen entspannten Ort für Remote-Work oder Projekt-Pitches sucht, an dem man uneingeschränkt wichtig sein kann, wird im „Karl-Working-Space“ glücklich. Alle, die jetzt immer noch unbedingt einen Starbucks brauchen, haben Pech gehabt und müssen wohl zum Kaffee trinken ins benachbarte Leipzig fahren. 

 

3) HISTORISCHER MARKT IN DEN GRENZEN VON 1933

Dass im Zweiten Weltkrieg große Teile der Chemnitzer Innenstadt zerstört wurden, wissen heute nur die wenigsten – die Chemnitzer:innen reden einfach nicht gerne darüber, wie schön und wichtig ihre Stadt in den Vorkriegsjahren war und welche schweren Um- und Aufbrüche Chemnitz seitdem durchmachen musste. Doch dank der beharrlichen Initiative der Architektur-Retter von „Stadtbild Chemnitz“ gelingt es der Stadt seit ein paar Jahren, sich intensiv mit ihrer nicht immer ganz einfachen Vergangenheit auseinander zu setzen. 2026 bewirkte „Stadtbild“ mit einer Unterschriftensammlung den partiellen Abriss des Chemnitzer Marktes und seinen Wiederaufbau als Freiluftmuseum in den Grenzen von 1933. Nur das Rathaus ist im Original erhalten geblieben. Heute kann man hier wieder zwischen Pflastersteinen, künstlichem Gründerzeitpomp, Fake-Fachwerk und Disneyland-Jugendstil flanieren, auf dem historischen Schlüpfermarkt stöbern oder Kutschfahrten nach Leipzig buchen. Im „Stadtbild Chemnitz Museum“ zeigt eine spannende Augmented Reality Simulation, wie es hier in den Neunziger- und Nullerjahren aussah. Auch der „Chemnitz History“ Audio-Guide mit Guido Knopp über die lange Bombennacht 1945 und Chemnitz als Wiege der Industrialisierung sowie die private Pickelhaubensammlung des Stadtbild-Gründers sind empfehlenswert. 

 

4) STREETART-SZENE UND MURAL-MEILE AM BRÜHL

Wer den Spirit des modernen, hippen Chemnitz’ spüren will, sollte unbedingt einen Spaziergang über den Brühl machen: Alles begann mit ein paar bunten Hausfassaden, die einigen damals übrigens noch als „geschmacklose“ Hassfassaden galten. Heute zieren farbenfrohe Murals den gesamten Prachtboulevard und locken Streetart-Fans und angesagte Künstler:innen aus aller Welt in die Stadt. Die Motive reichen von kitschigen Efeuranken, sexistischen Frauen-Portraits in Airbrush über lustige Karl-Marx-Köpfe und rappende Bären bis hin zum GERMENS-Flagshipstore, der mit vielen bunten Hemden bemalt ist, und zeigen die faszinierende junge Vielfalt von Chemnitz. Der Brühl ist übrigens das erste Chemnitzer Stadtviertel, das rückgentrifiziert wurde: Vor zehn Jahren dominierten noch teure Läden, Lärmbeschwerden, exorbitante Kuchenpreise und hohe Mieten das Szene-Bild, mittlerweile reiht sich hier Späti an Späti, es gibt kleine Kunst-Galerien, Secret Bars und Keller-Clubs und Lärm bis nachts um vier, und alle, die schlafen wollen, sind zurück auf den Kaßberg oder raus nach Rabenstein gezogen. 

 

5) ERLEBNISFÜHRUNG AUGUST 2018

Die Ereignisse vom August 2018 haben Chemnitz tief gespalten, aber leider auch berühmt gemacht. Mittlerweile kitten zwar bunte Kreidemalereien und Kulturhauptstadtaufkleber die Risse, doch die Erinnerungen an die düstere Dunkelchemnitz-Zeit sind vielen geblieben. Für alle, die damals nicht dabei sein konnten, bietet die Stadt Chemnitz regelmäßig Erlebnisführungen zum August 2018 an: Vom CFC Stadion und der Südkurve führen euch gut informierte Zeitzeugen über den Sonnenberg auf die Brückenstraße. Nach einem gemeinsamen Picknick und hitzigen Meinungsaustausch vorm Marx-Kopf sowie einem Stopp im „August 2018 Fanshop – tolle Geschenkideen für links und rechts“, geht es über die Brückenstraße weiter zum ehemaligen Parkplatz an der Johanniskirche, der heute ein Supermarkt und kaum wieder zuerkennen ist. Für besonders Sensationslustige bieten manche Führungen einen kurzen Abstecher zur JVA nach Reichenhain an. 

 

6) WILLKOMMEN IM SENIOR VALLEY

Chemnitz gilt als bevölkerungsälteste Stadt Europas; doch statt dem demographischen Verfall mit Verjüngungskuren und künstlichen Urbanisierungsmaßnahmen entgegenzuwirken, hat sich die Stadt dafür entschieden, ihre chronische Altersschwäche zu ihrer großen Stärke zu machen. Chemnitz ist alt, aber sexy – nirgendwo kann man besser alt werden als hier, denn in Chemnitz ist 80 das neue 20. Vor zehn Jahren legte der ehemalige Oberbürgermeister Sven Schulze den ideellen Grundstein für die Transformation vom Florida des Ostens zum Silicon Valley des Alters. Heute wird Chemnitz auch Senior Valley genannt, schließlich liegt es in der Beige Area des Erzgebirges und gilt als Wiege des gerontologischen Fortschritts. Weltbekannte Start-Ops und Tech-Firmen wie App-O-Theke, E-Rollatoren, meckerspace.eu, eBeige, Rheumazone Prime, Enkeltinder oder der digitale Datingdienst Doppelherz sind hier zuhause. Einige der hochmodernen Innovationszentren, z.B. die eBeige-Zentrale, können besichtigt werden oder bieten geführte Touren an. 

 

7) DER SONNIGE STADTSTAAT

Der Sonnenberg, einst heruntergekommenes Arbeiterviertel mit Naziproblem und Kunstkiez-Potenzial, ist heute ein eigener Stadtstaat, der sich zu Chemnitz verhält wie der Vatikan zu Rom: Sonnenberg ist der offizielle Sitz der sächsischen Kreativ-Szene, die hier in prachtlosen Bruchbuden residiert. Im Jahr 2022 entbrannte zwischen Sonnenbergakteuren und Stadtverwaltung ein Streit um Fördergelder und Kulturhauptstadts-Einfluss, der in der Stadt loderte wie eine frisch angezündete Mülltonne. Als sämtliche Friedensresolutionen im sogenannten Kuha-Konflikt scheiterten, initiierte die Kultur-Organisation „Klub Solitaer e.V.“ einen Bürgerentscheid, der 2024 zur endgültigen Abspaltung des Sonnenbergs von Chemnitz führte. Mittlerweile ist die Lage zwar entspannt, trotzdem braucht man für die Einreise ein Visum, das ihr vorab ganz einfach online beantragen könnt. Ein Abstecher lohnt sich auf jeden Fall: Der Sonnenberg hat eine eigene Währung (Chemcoins), eine eigene Lokalhymne („Sonnenberg“ von Matthias Schweighöfer) und ist ein eigenes kleines Paralleluniversum. Während sich in Chemnitz die Kultur einem kommerziell kulturhauptstadtsrentablen Kreativkapitalismus untergeordnet hat, residiert der kreative Freigeist  hier ungestört in verfallenen Fassmannpalästen. Ein Bummel über die steilen Hügel von Sonn Francisco, wie der Sonnenberg auch liebevoll genannt wird, verspricht ost-urbanes  Abenteuer, wie man es im Leipzig der Zehnerjahre zuletzt erleben konnte. Man weiß nie, wer oder was einem unterwegs begegnet: internationale Kunstprojekte und interessante Kulturakteure, Kachelöfen, Eckkneipen, antike Hakenkreuz-Schmierereien, gesellschaftskritische Spontan-Performances, Augmented Reality Art, KI-Kunst, AI-Anarchisten, alternde Intellektuelle in verrauchten Jazzclubs, Sterni-Sänger, Beatpoetinnen, chronisch beleidigte Komplex-Akteurinnen, Waschbären-Gangs, illegale Hinterhofraves oder der Chaos Computer Club?

 

8) OST-PLACES TOUR DURCH CHEMMNITZER KULTURRUINEN 

Für die Austragung der europäischen Kulturhauptstadt-Spiele 2025 flossen die Steuergelder Milliarden kleiner Männer in den Bau oder die Sanierung Chemnitzer Kulturstätten. 2025 pilgerten Millionen euphorischer Europäer:innen in die Oper Chemnitz, ins Schauspielhaus, ins Cultur-Colosseum, in die Karl-Schmidt-Rottluf-Arena, in die Kunstsammlungen, ins Museum Gunzenhauser, ins smac oder ins Lokomov, um ihre Lieblings-Akteure beim Projekte-Realisieren anzufeuern. Heute ist der Kulturhauptstadt-Glanz von einst verblichen, die Erinnerung an ruhmreiche Tage ist einem rationalen Pragmatismus gewichen. Aus einigen Kulturstätten wurden Parkhäuser (Kunstsammlungen), aus anderen edle Eigentumswohnungen (Schauspielhaus) oder Shoppingmalls (Oper Chemnitz), viele liegen völlig verlassen – und bieten schaurig-schöne Fotomotive, die von Triumph und Verfall der ehemaligen Kulturhauptstadt erzählen. Eine Ost-Places-Tour zu Chemnitzer Kulturruinen, zum Beispiel im Gellertstadion, einem ehemaligen Fußballstadion auf dem Sonnenberg, solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen. 

 

9) K(L)EIN-LEIPZIG & ZWÖNITZTOWN

Wie in keiner anderen Stadt trifft in Chemnitz solide Sachsen-Tradition auf europäisch-urbane Moderne, rechtskonservatives Provinznest auf junge, liberale Trendmetropole. Nirgendwo wird das deutlicher als in den beiden aus einer sächsischen Diaspora heraus entstandenen Stadtvierteln K(l)ein-Leipzig und Zwönitztown. Wer der innerlichen Zerrissenheit der sächsischen Seele nachspüren möchte, sollte unbedingt Abstecher in beide Viertel machen.
Als K(l)ein-Leipzig wird die historische „Bier-Brücke“ an der Markthalle bezeichnet, auf der vor allem im Sommer junge Menschen „bridgen“ (das ist das, was früher „cornern“ war), Bier trinken, kleine halblegale Raves und die Vielfalt feiern und so tun, als wäre die Chemnitz der Karl-Heine-Kanal und K(l)ein-Leipzig das Zentrum der freien Welt. Hier ist jeder willkommen.
Ganz anders hingegen Zwönitztown, das im ehemaligen Ebersdorf liegt: Hier dampfen nicht nur die authentischen erzgebirgischen Straßenküchen, in denen die Buttermilchgetzen im heißen Fett brutzeln, hier brodelt auch die Wut der rückwärtsgewandten Welt: In Zwönitztown leben Jammerossis und Nazi-Sachsen auf engsten Raum zusammen. Das Stadtviertel ist bekannt für seine Montagsspaziergänge und Bürgerwehren, für seine gelebte Vielfalt an verfassungsfeindlichen Symbolen, für tiefer gelegte Mundwinkel ohne Aussicht auf Aufhellung.  Hier ist definitiv nicht jeder willkommen, und ihr solltet dieses Viertel am besten nur tagsüber und mit einer geführten Tour besichtigen. 

 

10) MIT DEM E-PANZER ÜBER DEN KAßBERG

Nachdem in Chemnitz der Hype um Segway und E-Roller abgeklungen war und das Fahrrad an seinem linksgrün-versifften Image gescheitert ist, hing jahrelang die Frage nach einem zukunftsfähigen Mobilitäts-Modell über den dieselbenebelten Straßen der Stadt. Bis ein junges Start-Up-Unternehmen vom Sonnenberg eine Innovations-Lösung präsentierte, für die sich viele Chemnitzer:innen begeistern konnten: Selbstfahrende E-Panzer. Mit den windschnittigen Modellen von Tank-E lässt sich nicht nur klimaneutral durch die längst verwelkten Wälder des Erzgebirges heizen, man kann auch weiterhin den Macker heraushängen lassen und seine potenziellen Penis-Komplexe mühelos im Straßenverkehr kompensieren. Der autonome E-Panzer verbindet deutsche Dominanz mit hypermodernem Design und zukunftsorientierter Technologie. Die selbstfahrenden E-Panzer von Tank-E könnt ihr euch auch ganz einfach per App für eine Chemnitz-Entdeckungstour ausleihen,  am Hauptbahnhof und vorm tietz stehen jeweils zwei Tank-E-Flotten. Wir empfehlen eine Spritztour durch die schmalen Altbau-Gassen des Kaßbergs – der Stadtteil gilt aufgrund seiner vielen Jugendstilschnörkel als ziemlich schwer befahrbares Geländewagengebiet und ihr könnt hier adrenalingeladene Drive-Action mit historischem Sightseeing verbinden. 

Der Miet-E-Panzer kostet 5 Euro pro Person in der ersten Stunde, für jede weitere halbe Stunde zahlt ihr 2 Euro drauf. 

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Wiki-How: Ins Impfzentrum einlaufen und gut dabei aussehen  https://remarx.eu/2021/03/wiki-how-ins-impfzentrum-einlaufen-und-gut-dabei-aussehen/ https://remarx.eu/2021/03/wiki-how-ins-impfzentrum-einlaufen-und-gut-dabei-aussehen/#comments Sun, 14 Mar 2021 14:25:59 +0000 https://remarx.eu/?p=10100 Sie ist die einzige Nadel im Oberarm, die wirklich cool ist: Die Corona-Schutz-Impfung. Wobei es derzeit eher Corona-Schutz-Hmpfung heißen sollte, denn die Bundesrepublik Deutschland leidet offenbar an multiplem Bürokratieversagen und krankt bei der ganzen Impfgeschichte ziemlich unglücklich rum. Weil das eine ganz normale CDU-Summe ist, haben wir Jens Spahn kürzlich eine Viertelmillion Euro überwiesen, damit wir das Chemnitzer Impfzentrum schon mal für euch testen und ein bisschen Impfpropaganda machen dürfen. Denn was im Sommer 2020 noch der Weltecho-Hof oder der Spumoni-gedeckte Balboa-Tisch war, wird bald das Impfzentrum sein: Der Place to be, der angesagteste Club der Stadt, jeder will hin, aber nicht alle kommen rein. Hier sollte man sich früher oder später oder vielmehr im Frühjahr oder später unbedingt ein- bis zweimal sehen lassen. Damit ihr gut darauf vorbereitet seid und beim Einlaufen ins Impfzentrum nicht stolpert und euch den Arm schon brecht, bevor er überhaupt geimpft werden kann, haben wir alles schon mal für euch getestet: Welcher Style ist angesagt, welche Substanzen werden konsumiert, wie hoch ist der Fun-Faktor und was sagt man eigentlich zu Bill Gates, wenn man ihn trifft? 

Coolness: Früher pilgerte man zum Feiern ins IfZ, heute macht man eine Spritztour ins ImpfZ. Das ist verständlich, denn in beiden Clubs kann man chemische Substanzen mit interessanten Nebenwirkungen konsumieren und danach völlig ungehemmt eskalieren. Also vielleicht. Das ImpfZ ist außerdem einer der wenigen Clubs, in dem man mit Anfang 30 der jüngste Gast ist, und ein bisschen wie Emmas Onkel zu besten Sonntagszeiten: Derart hip, dass man nur mit Reservierung einen Platz bekommt. Das Impf-Date vereinbart man auf einem sexy Sachsenportal, wo man sich einen passenden Termin matchen kann. Also vielleicht.

Einlass: Die Tür vom IfZ war hart, die Tür vom Impfzentrum ist härter, denn den Einlass regeln hier keine halbstarken Secus mit geschmacklosen Gesichtstattoos, sondern propere Soldaten mit freundlicher, aber eiserner Disziplin.  Die Türpolitik ist streng: Ohne Muttizettel kommt niemand rein, und nur Ausweis zeigen reicht auch nicht: Ihr braucht eure Krankenkassenkarte, einen Impfpass, die Terminbestätigung, die Einwilligungserklärung und den Anamnese-Bogen und aktuell noch ein Schreiben vom Arzt oder Arbeitgeber. Letzteres ist dann hoffentlich bald auch nicht mehr notwendig, wenn Jens den Stoff endlich für alle freigibt, #legalizeit.
Tipp: Anamnese-Bogen und Einwilligungserklärung am besten schon vorher ausfüllen und unterschreiben, im ImpfZ geht alles so schnell, dass man dafür eigentlich gar keine Zeit hat.

Schlange stehen: Weil das ImpfZ so angesagt und die Tür so hart ist, kann es schon mal passieren, dass sich davor lange Schlangen bilden, wie man sie sonst nur vorm Berghain oder vor Aldi-Märkten bei Schnelltest-Sonderangeboten sieht. Zum Zeitvertreib könnt ihr die neuesten Tweets von Karl Lauterbach lesen, Drostens Corona-Update pumpen, euch online einen Gästelistenplatz für die re:marx Printausgabe reservieren, Impfstoffe googeln und euch ein bisschen reinsteigern, bei Fassbook zynische Kommentare zum Chemnitzer CWE-Versagen abgeben oder Bananen-Witze reißen und dabei neue Boomer-Freunde finden. 

Der richtige Dresscode: Die meisten Gäste im ImpfZ tragen Beigetöne und Gestepptes in dezenten Farben, Granny Hair in verschiedenen peppigen Grau-Nuancen, dazu die angesagtesten Rollatoren oder neuesten Geh-Hilfen. Wenn ihr nichts davon habt oder braucht, kommt ihr zwar trotzdem rein, fallt aber ein bisschen auf und müsst mit abschätzigen Blicken rechnen. Ihr könnt natürlich auch endlich wieder mal Lippenstift auftragen, aber im ImpfZ herrscht Maskenpflicht, deshalb ist es sinnvoll, beim Make-Up eher die Augen zu betonen. Generell gilt für alle: Beim Impfen zeigt man Oberarm! Egal ob kurzärmliges Camp-David-Hemd, auffällige Germens-Kreation, Vintage-Vetements-Weste aus dem Gems, Siebzigerjahre-Fixer-Glam a la Christiane F. oder das heruntergekommene Home-Office-Muscle-Shirt – hier trägt man armfrei. Denn die Nadel ist der Star, und die bohrt sich am besten in den nackten Oberarm. Wer stolze Bizeps präsentieren möchte, sollte diese vorher noch gut einölen, Tätowierungen müssen allerdings nicht überschminkt werden. Tipp: Wer mit Rollator kommt, bekommt den BioNTech-Impfstoff gratis. 

Welche Substanzen werden konsumiert?
Im ImpfZ konsumiert man vor allem BioNTech und AstraZeneca (wenn der nicht gerade „ausgesetzt“ wird)  – beide Substanzen werden nicht gesnifft oder geschluckt, sondern von ausgebildetem medizinischen Personal gespritzt oder von Bill Gates persönlich gechipt. Die Sache mit BioNTech und AstraZeneca ist laut Medien und allgemeiner Bedenken ein bisschen so, als müsse man sich zwischen reinstem kolumbianischen Kokain und in einer Sonnenberg-Mülltonne gekochtem Meth entscheiden. Für Chemnitz, eine Stadt zweiter Klasse, absolut kein Problem: Mit Meth kennt man sich hier aus und mit Imageproblemen auch. AstraZeneca ist das Chemnitz unter den Impfstoffen: billig, schlechter Ruf und man bekommt Kopfschmerzen davon.
Letztendlich ist das aber egal, denn wie bei jedem guten Clubbesuch gilt auch im ImpfZ: Hauptsache, das Zeug knallt. Der Anspruch, sich in einer weltweiten Notlage den Impfstoff raussuchen zu können, ist ziemlich vermessen und im Prinzip so, als würde man beim Ertrinken noch ausführlich diskutieren, in welcher Marken-Rettungsweste man aus dem Wasser gefischt werden will.  

AstraZeneca ist ein Impfstoff auf Affenbasis, der BioNTech-Impfstoff funktioniert über ein Protein, und von beiden bekommt man eventuell Impfreaktionen. Zum Beispiel den coolen „Impf-Arm“, der ein paar Tage lang weh tut, aber als das It-Piece der Saison gilt, oder grippe-ähnliche Symptome. Das ist eigentlich ganz normal, passiert z.B. auch nach einer Grippeschutz-Impfung, und heißt im Endeffekt nur, dass euer Immunsystem ordentlich arbeitet. (Wir hatten fast gar nichts, unser Immunsystem performt aber auch nicht wie es soll) Diese Impfreaktionen sind am Ende nichts, wogegen nicht eine Dosis Ibu als Downer helfen würde, und vor allem nichts, das so schlimm ist wie ein Corona-Koma oder Long-Covid.

Status-Symbole: Was das Fixie für den Weltecho-Hof ist, ist der Impfstoff im ImpfZ: Die coolen Leute sind über 80 und ballern BioNTech. Da kann es schon mal passieren, dass es zu akuten Neid-Anfällen und Missgunst-Momenten in der Impfkabine kommt. Falls ihr dazu neigt, raten wir euch, vorher noch ein kleines Awareness-Training zu absolvieren oder eine Meditations-App zu konsultieren: In der Impfkabine zählen Dankbarkeit und Bescheidenheit und vor der Nadel sind sowieso alle Oberarme gleich.

Fun-Faktor und Flirtchancen: Im ImpfZ läuft die ganze Zeit harte, schnelle Organisations-Musik, hier ist weder Zeit für Romantik noch für Spaß. Man kann sich aber eine romantische Zukunft mit einem der Bundeswehr-Soldaten ausmalen, in der man privat seltene Munitionen sammelt, abends vorm Kamin gemeinsam durch Waffen-Magazine blättert und mit dem Panzer zum Einkaufen fährt und dabei alle SUVs um sich herum blass aussehen lässt. 
Ansonsten gilt: Menschen mit Impf- oder Nadelphobie haben hier garantiert keinen Spaß, alle anderen aber auch nicht – das ImpfZ ist ein Tempel der Effektivität. Nach dem Einlass zieht man keine Line, sondern eine Nummer, und dann heißt es: warten, aufgerufen werden, wieder warten, aufgerufen werden, noch mal kurz warten, Spritze in den Arm, Stempel in den Impfpass, rausgehen, noch mal bisschen unter nüchternem Neonlicht sitzen und warten, fertig. Das ImpfZ hat sich sein Partyformat offensichtlich von der 120-Minuten Party abgeguckt: Der Clubbesuch dauert höchstens eine halbe Stunde, und da künstliche Verknappung immer funktioniert, auch bei Zeit (siehe Leben), gilt es hier, alles zu geben.  

Bill Gates: Bill Gates ist natürlich persönlich da, und klärt euch nochmal über etwaige Nebenwirkungen des Chip-Implantats auf. Achtung, er spricht kein Deutsch, deshalb am besten noch mal euer Englisch auffrischen, wenn ihr genauere Fragen zum Chip habt. 

Das Leben danach: Hypochonder, wie wir es auch ein bisschen sind, verspüren eventuell direkt beim initialen Nadeleinstich erste Lähmungserscheinungen, Übelkeit, Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen, Unfruchtbarkeitsbeschwerden, Thrombose in den Beinen oder Genmutationen. Doch zum Glück verweilt man nach der Impfung noch bisschen in einem Warteraum mit medizinischem Fachpersonal und kann sich beruhigende Videoaufnahmen von Menschen in Krankenwägen anschauen. Sobald man das ImpfZ frisch gechipt verlässt, stehen draußen schon die Partybusse nach Belantis, Malle oder Ischgl bereit, in denen man bequem seinem neuen Leben entgegen fahren kann. Allerdings wäre da noch die Zeit zwischen „Prime“ und „Boost“ – das ist kein mit Energy Drinks gestrecktes Liquid Ecstasy, sondern die erste und zweite Dosis, die man sich im ImpfZ abholt.
Nach der ersten Impfung mit AstraZeneca muss man wohl noch etwa drei Wochen warten (falls man sie überhaupt bekommt), bis der erste Schutz wirkt, allerdings sind es dann noch einmal elf Wochen bis zum goldenen Schutz, weil eine längere Wartezeit zwischen den beiden Dosen die Wirksamkeit erhöht. Das lange Warten lohnt sich, denn danach wird garantiert alles anders. Chronisch Kranke wissen jetzt endlich, wofür ihr jahrelanges Leiden gut war. Man wird garantiert zur beliebtesten Person im ganzen Freundeskreis, mit der plötzlich alle abhängen wollen, vielleicht sogar indoor. Überhaupt hat man ganz neue Freizeit-Möglichkeiten: Man kann mit gültigem digitalen Impfpass und einer rüstigen Renter-Reisegruppe im Sommer zum Wandern nach Südtirol fahren, zusammen mit glücklich-gespritzten 80jährigen im Club feiern, auf all die Konzerte gehen, die nicht stattfinden, oder sich vor einer Bar betrinken, ganz allein. Danke, Jens!

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I’m Never Gonna Dance Again: Eine imaginäre Clubtour durch Chemnitz https://remarx.eu/2021/02/im-never-gonna-dance-again-eine-imaginaere-clubtour-durch-chemnitz/ https://remarx.eu/2021/02/im-never-gonna-dance-again-eine-imaginaere-clubtour-durch-chemnitz/#comments Sat, 27 Feb 2021 23:09:32 +0000 https://remarx.eu/?p=9664 Früher war „FOMO“ eines der vielen First-World-Probleme (FIWOPRO) westlich sozialisierter Millennials: die  exklusive Angst, im Überfluss der Angebote etwas zu verpassen. Heute steht FOMO höchstens noch als Abkürzung für „Ford Mondeo“ oder äh „Follmond“ und ist mindestens so ausgestorben wie eure Lieblingsdinosaurier. Aus der „Fear of missing out“ ist der „Frust of missing going out“ geworden, FOMGO. Vielleicht ist das Aussterben der FOMO die letzte große Gerechtigkeit der Corona-Pandemie, denn jeder sitzt derzeit auf seine Art allein für sich zuhause, und wenn nichts passiert, kann auch niemand was verpassen. Doch das staatlich verordnete Ableben der FOMO trifft einige hart: das Nachtleben zum Beispiel, und alle Existenzen, die daran hängen. Vor allem das Chemnitzer Nachtleben hat schon ziemlich viel durchgemacht, also nicht nur Nächte, sondern auch Clubschließungen, Lärmbeschwerden, Kürzungen, Nazizeug, Stockfisch-Anschläge, Brauclub-Abende, schlechte Partys, unzählige endlose Halbkreise und jetzt auch noch das. Immer wieder wurde ihm unterstellt, es sei „tot“ oder nach Leipzig gezogen oder schon um acht eingeschlafen. Aber Totgesagte leben länger, und das Chemnitzer Nachtleben ist immer noch da (also rein theoretisch zumindest) – man könnte ihm durchaus eine gewisse Resillienz nachsagen, es lässt sich einfach nicht wegbeschweren. Aus Solidarität mit dem Chemnitzer Nachtleben, und weil wir FOMGO schieben, haben wir eine ausführliche imaginäre Clubtour gemacht, an nur einem Abend fast alle heiligen Stätten des Chemnitzer Nachtlebens besucht, und dabei endlich mal wieder die üblichen Verdächtigen getroffen. Wir haben um 17 Uhr im Balboa angefangen und um 5 Uhr im aaltra aufgehört und natürlich war Sommer. Was wir alles erlebt haben, steht in diesem Text.

Balboa: Weil wir etwas schüchtern sind, parken wir unser Fahrrad vorsichtshalber ein bisschen weiter weg, also am Brühl-Eingangsschild, und laufen über die Seitenstraßen vor ans andere Brühl-Ende. Auch vorm Balboa muss man sich zeigen, wobei es nicht ganz so anstrengend ist wie anderswo, dafür ist das Balboa viel zu sehr Safe-Space: Ein Ort für alle, der angenehmerweise nichts sein will und deshalb letztendlich eine Mischung aus ostdeutscher Eck-Kneipe und “wir spielen Italien” ist. Wir spielen also Italien, bestellen Spumoni, Aperol Spritz und Asi-Snickers, setzen uns rüber auf die spanische Treppe vorm Dreamers, kneifen die Augen fest zusammen und stellen uns vor, der Brühl wäre eine belebte italienische Altstadtgasse. Es funktioniert nicht: Statt Grillen zirpt nur ein fernes Grölen, statt kleiner flinker Vespas rattern gigantische Ego-SUVs auf der Straße, der Kaffee gibt sich zwar Mühe, aber er schmeckt hier nie auch nur irgendwo wie in Italien, und wenn man ganz ehrlich ist, ist jedes süditalienische Sechzig-Seelen-Dorf belebter als der Brühl oder Chemnitz im Allgemeinen. Wenigstens sind die Drinks gut. Wir öffnen die Augen wieder und sehen das, was man immer sieht, wenn man ins Balboa geht: Den inklusiven Akteurs-Tisch, ein Zufluchtsort für alle Akteure, die nicht auf dem Sonnenberg wohnen. Den Tisch gleich nebenan, an dem die OG-Sonnenberg-Akteure sitzen und den Nicht-Sonnenberg-Akteuren ihre städtisch institutionalisierten Projekte unter die Nase reiben. Den Künstlertisch, an dem nonchalant geraucht und getrunken wird, den Ingenieurs-Tisch mit nur Männern, die viel zu laut lachen, #Lärmbeschwerdeistraus. Und den coolen Tisch, der es irgendwie immer schafft, gleichzeitig im Weltecho-Hof und vorm Balboa zu sein, ein Wunder der Quantenmechanik äh Bekanntenmechanik. Wir bleiben in kritischer Distanz am re:marx-Tisch sitzen, an den sich leider niemand traut, bestimmt aus Angst, das eigene Inszenierungsverhalten könnte Stoff für den nächsten Artikel werden, was wir überhaupt gar nicht verstehen können. Wir grüßen fröhlich aus der Ferne und gucken schon mal wissend, uns entgeht sowieso nichts. Plötzlich erscheint eine gigantische Menschengruppe am Horizont, ungefähr 500 Leute, alle jung, alle kreativ, alle gut gekleidet, und die Tage der anderen angesehenen Tische sind gezählt: Es ist das Bikini Kommando! Aber unser Spumoni-Glas ist leer und wir müssen weiter, der Sonnenberg ruft. 

Lokomov: Ins Lokomov geht man nicht zum Tanzen, sondern weil in der Galerie Hinten jemand ausstellt, den man kennt. Wir sind auch nur aus diesem Grund hier, und natürlich, weil wir Lars lange nicht gesehen haben. Wir schließen unser Fahrrad ans Geländer an der Kreuzung, bestellen Kunstkenntnis und Weißweinschorle an der Bar und schleichen vorsichtig Richtung Ausstellung, die aus fünf großformatigen Fotografien besteht. Blitzlicht auf Papier, Szenen einer Stadt, ein bisschen Osten und Tristesse. Die Fotos gefallen uns gut, wir nicken anerkennend und vielleicht ein bisschen zu heftig, damit nicht auffällt, dass wir eigentlich nur insgesamt drei Minuten im Ausstellungsraum verbringen. Dann gehen wir vor die Tür und tun, was man im Lokomov eben so tut, nämlich am Geländer lehnen und gucken, wer gerade gegenüber am anderen Geländer lehnt. Eine einschlägig bekannte Sonnenberg-Akteurin lehnt auch am Geländer und sieht nach szenigem Smalltalk aus. Natürlich geht es direkt um den NSU-Komplex, denn so ist der Party-Smalltalk hier in Chemnitz: Man redet über tiefgreifende Dinge wie Nazis, städtische Strukturen, psychische Probleme, prominente Frisuren und wer sich von wem getrennt hat. Wer übers Wetter reden will, sollte lieber in die Leipziger Südvorstadt ziehen. Es ist eine laue Lokomov-Nacht: SUV-Diesel in der Luft, seichte Discomusik und Pizzaduft, ein paar einsame Eintänzer, die ihre Halbkreise auf der Tanzfläche ziehen, offene Fenster und Lärmbeschwerden, denn wenn nicht mindestens einmal die Polizei kommt, um zu sagen, dass es zu laut ist, ist es einfach kein guter Abend. Plötzlich weht ein ehrfürchtiges Tuscheln durch die Akteurs-Reihen, Menschen machen Knickse oder stehen stramm, manche fangen an, am Straßenrand mit Förderanträgen zuwinken, denn Lars XIV. schreitet heran, der König ist da. Aber wir sind Anarchisten und flüchten, rüber ins 

Nikola Tesla: Das Tesla ist der clubgewordene Chemnitzer Halbkreis, und trotzdem hatten wir hier immer die besten Abende. Wobei die besten Abende vor allem darin bestehen, dass man draußen rumsteht und (in unserem Fall) passiv raucht, weil es drinnen so verdammt stickig ist. Im Tesla spielt mal wieder eine Post-Punk-Band mit kyrillischem Namen und vorm Tesla tummelt sich mal wieder die Chemnitzer Punk-Bourgeoisie, also diese coolen, anarchistischen Kettenraucher, die Samstagnacht ihren Fatalismus in die Luft blasen, sonntags dann aber meistens zuhause mit schwerem Rotwein vorm Kachelofen sitzen und Proust lesen. Wie bei jedem guten Tesla-Abend gehen wir rein tanzen, nach zwei Liedern wieder raus abkühlen, dann wieder rein tanzen, dann wieder raus abkühlen. Zwischendurch trinken wir wahlweise passiv oder massiv Mexikaner an der Bar und füllen auf der Toilette am Waschbecken Leitungswasser in unsere leere Bierflasche, was den Eindruck macht, man könnte unendliche Mengen an Alkohol unendlich gut verkraften. Ein Auto mit Stollberger Kennzeichen fährt vorbei, und jemand schreit “Scheiß Zeckööööön” aus dem Fenster, weil auch das zum Chemnitzer Nachtleben gehört. Irgendwann erkennen wir im Nebel unsere eigenen Freunde und Lifegoals nicht mehr, und wissen, dass wir weiter müssen. Wir sind kurz neidisch auf die Punk-Bourgeoisie, die von hier nie wieder wegkommen muss, weil sie eine Wohnung mit Kachelofen im Umkreis von 500 Metern gemietet hat, aber was soll’s. Wir suchen im Dunkeln unser Fahrrad und fahren in die Innenstadt. 

Döner-Drive-In: Kurze Schweigeminute am ehemaligen Döner-Drive-In. Wir gedenken der fettigen Soße, den banausigen “Burgern”, den saftlosen Salatblättern, den latenten Lebensmittelvergiftungen und abenteuerlichen Ampheta-Mythen, die unter der prächtigen Plastikeiche gediehen, wollen aber nicht allzu sentimental werden und fahren schnell weiter ins

Atomino: Das Atomino ist brechend voll, und falls sich noch jemand an das antike Wort „Einlassstopp“ erinnert – hier passiert es gerade. Schweiß tropft von den Heizungsrohren, der steinerne Wald bebt, der Vulkan-Explosions-Ticker im tietz ist aus dem Takt, die Crowd eskaliert, denn im Atomino läuft die Musik der Jugend: Toto, Journey und Fleetwood Mac. Also Bands, deren Doubles drüben in der Stadthalle Tribute-Konzerte für Best-Ager spielen, aber das finden hier alle normal. Plötzlich fühlen wir uns furchtbar alt und wünschten, hier würde Musik laufen, die wir noch aus unserer Studentendisko-Zeit kennen. Wir brechen ganz kurz in Tränen aus, denn das Atomino liegt mindestens genauso im Keller wie unsere Laune bei akutem Weltschmerz. In diesem Club kann man einfach am besten weinen und sich in den dunklen Ecken zwischen all den Menschen und Heizungsrohren seltsam einsam fühlen. Nach nur zwei Stunden Heulkrampf wischen wir die Wodkatränen weg und drängen uns an die Bar. Eigentlich wollen wir an der Bar ein Becks bestellen, aber dann treffen wir einen Bekannten vom Schlag “mittelalter Monolog-Mann”: Er redet, wir nicken, er zitiert Sartre, wir tun so, als hätten wir’s gelesen. Die drei Stunden Gespräch vergehen wie im Flug, aber irgendwann müssen wir aufs Klo. Den mittelalten Monolog-Mann gibt es auch in etwas jünger – wir treffen einen mitteljungen Monolog-Mann auf dem Weg zum Klo und schlagen ihn mit seinen eigenen Waffen, indem wir erstmal ausführlich Engels marxplainen. Eigentlich würden wir jetzt gerne zu „Go Your Own Way“ tanzen, aber wir sind ein bisschen klaustrophobisch und die Tanzfläche ist wirklich sehr voll, deshalb ziehen wir weiter ins

Weltecho: Wir trauen uns nicht, vorne durchs Tor einzulaufen, weil uns noch die getrockneten Atomino-Tränen im Gesicht kleben und weil wir weder Segway, noch E-Roller, noch Fixie fahren. Deshalb beschließen wir, einfach hinten über die über Absperrungszäune zu klettern, das ist erstens viel weniger auffällig und setzt zweitens ganz neue Coolness-Maßstäbe. Der Plan geht nicht auf:  Wir stürzen ab und landen etwas unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen, nämlich direkt neben dem coolen Tisch. Plötzlich ist es still im Innenhof, die Musik ist aus, niemand redet, alle schauen entsetzt, aber der coole Tisch ist nett und bietet Hilfe an, und wir verstehen zum ersten Mal, dass es eigentlich scheißegal ist, wie man in den Weltecho-Hof einläuft. Wir versuchen die peinliche Situation aufzulockern und machen einen Witz über die Chemnitzer Bekanntenmechanik, den niemand versteht, nicht mal wir selbst, stolpern schnell zu Vokuhila-Maik an die Bar, bestellen ein Radler und stürmen damit aus dem Hof. Dieses Mal durch den offiziellen Eingang, Hauptsache schnell weg hier. 

transit
Der Nebel steht tief im transit.
Das ist vor allem so, damit man nicht sieht, dass kaum Leute da sind, und sich nur zehn Menschen zaghaft zur brachialen Musik von raster* bewegen. Das transit ist ein schöner Club, aber irgendwie hängt hier für uns oft der graue Hauch einer Chemnitz-Depression in der Luft. Was daran liegt, dass wir immer zu den “falschen” Veranstaltungen gehen: Nämlich nicht zu Publikumsmagneten wie “Popsugars”, sondern zu verkopftem Biennale-Techno, den keiner versteht. Aber wegen genau solcher Veranstaltungen haben wir das Chemnitzer Nachtleben ins Herz geschlossen. Wir treffen zwar absolut niemanden, bleiben aber trotzdem noch ein bisschen. Das Leben ist schließlich wie eine Nacht in Chemnitz, man weiß nie, ob man die glückselige Eskalation oder den betrübten Halbkreis bekommt. Oh Gott, wir hören uns mittlerweile schon an wie die Mutter von Forrest Gump, und müssen deshalb dringend weiter, auf ins: 

Oberdeck: Das Oberdeck heißt so, weil hier die Chemnitzer Oberschicht feiert. Man fährt mit dem Privatlift hoch, auch, um die teuren tuffner-Sofakissen vor alkoholisierten Partygästen zu schützen, und betritt die glamouröse Welt der oberen Zehntausend. Das sagt man in Chemnitz so, wenn etwas oberhalb von zehntausend Euro teuren Möbelstücken liegt. Es läuft House, als wäre man über den Dächern von Berlin, und das hier die Panorama-Bar, und natürlich sind unzählige Prominente da: Til Schweiger bereitet sich auf seine neue Rolle als Chris Dietrich vor, Katarina Witt diskutiert mit Kretsche die schwierige Situation der Gastronomen, und die Männer in den wichtigen Anzügen kennen wir aus dem Top Magazin. Im Oberdeck werden Geschäfte gemacht, dicke Deals über den Dächern der Stadt, deshalb melden wir die re:marx-Firmenfeier an und bestellen zehn Gin Tonics für je zwölf Euro. Falls ihr euch jetzt fragt, wie viel wir eigentlich vertragen: gar nichts, unser Alkoholkonsum ist meistens nur fiktiv. Eigentlich wollen wir nur schnell ein Foto vom atemberaubenden Ausblick machen, doch die Secu schlägt uns freundlich das Handy aus der Hand, wir finden diese sinnlose Pseudo-Exklusivität peinlich, und fahren mit dem Privatlift wieder runter. Andere Clubs haben schließlich auch dekadente Formate.

Satir: Ehrlich gesagt waren wir noch nie im Satir, aber einen Club, der wie ein Mischwesen aus der griechischen Mythologie heißt, stellen wir uns auch genauso vor: Feuerspeiende Männer mit nacktem Oberkörper, künstliche Wasserfälle und Sektbrunnen, Weintrauben werden auf silbernen Tellern gereicht, alle tragen strassbesetzte Togas und es läuft seichter Nullerjahre-R’n’B, Dekadenz tropft von der Decke. Huch, wir müssen kurz eingeschlafen sein, wir sind gar nicht im Satir, wir sitzen an der Bushaltestelle, denn wir wollen das Kontrastprogramm, wir wollen ins

AJZ, finden aber weit und breit keinen Nachtbus, der dorthin fährt. Es ist spät und wir sind müde und uns tut vom Absturz im Weltechohof die Würde noch ein bisschen weh, und deshalb schleppen wir uns mit letzter Not die Kaßbergauffahrt hoch.

aaltra: Mittelalte Monolog-Männer hängen an der Bar und schweigen philosophisch in ihr frisch gezapftes PU, aaltra-Jörg hat Radiohead aufgelegt, Kid A, „How to Disappear Completely“, die Nacht war lang. Draußen im Biergarten sitzen versprengte Menschengruppen zwischen Laubhäufen oder am Feuer, hauptsächlich alteingesessene Kaßbergakteure, die den Anschluss verloren haben. Es ist schon wieder Herbst geworden, weil unsere Clubtour ein halbes Jahr gedauert hat. Wir atmen noch mal ganz tief das Nachtleben ein: der Winter kommt, und mit ihm erstmal lange nichts mehr.

Alle Fotos, außer die im Atomino, hat Mark Frost letztes Jahr für den Stay Home Club gemacht. 

Wenn ihr das Chemnitzer Nachtleben auch vermisst und unterstützen wollt, dann schaut mal beim Hand in Hand Bündnis vorbei, oder bei CityTicket, dort könnt ihr ein Soli-Ticket kaufen. 

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Die Post der Moderne: Was im Januar in Chemnitz geschah https://remarx.eu/2021/02/die-post-der-moderne-was-im-januar-in-chemnitz-geschah-3/ https://remarx.eu/2021/02/die-post-der-moderne-was-im-januar-in-chemnitz-geschah-3/#comments Tue, 02 Feb 2021 23:05:40 +0000 https://remarx.eu/?p=9614 Traditionsgemäß ist die erste Post der Moderne des Jahres immer etwas schlecht gelaunt bis depressiv verstimmt, denn der Januar gilt in Zeitgefühl-Fachkreisen als längster und langwierigster Monat des Jahres, er nimmt einfach kein Ende. Dieser Januar hat sich besonders lang angefühlt, er hat sich angefühlt, als wäre für immer Dezember 2020. Doch zum Glück leben wir in Chemnitz, einer Stadt, in der mittlerweile immer irgendwas ist, selbst im allertiefsten Lockdown. 

Alles begann mit unserem Sachsenkönig und Satireprinz Micha Kretsche: Der begrüßte nicht nur einen Haufen verwirrter Querdenker vor seinem privaten Wohnhaus viel zu freundlich mit roter Schneeschippe und grünem „So geht Sächsisch“-Swag, sondern auch das neue Jahr feierlich in Chemnitz vorm majestätisch leuchtenden Lulatsch. Damit ist Dresden nun ganz offiziell nur noch eine belanglose Randnotiz der sächsischen Geschichte, ein unbedeutender barocker Sandstein-Fleck an der Elbe – das Hauptstadtleben spielt sich jetzt in Chemnitz ab. 

Und in genau diesem Chemnitz lag Anfang des Monats zunächst plötzlich Schnee wie ein weiches Trostpflaster über der elenden Gleichförmigkeit der Tage, und dann lagen plötzlich überall E-Roller rum, so wie wir es unlängst prophezeit hatten. E-Roller, das gibt es sonst nur in Städten mit Fernanbindungen und Spätis, in Städten mit Wahrzeichen und Touristenattraktionen und Kaltmietpreisen von 15 Euro pro halben Quadratmeter. E-Roller sind wahlweise das Symbol des urbanen Fortschritts oder ein Vorbote aus der Hölle der Gentrifizierung, und dementsprechend fielen auch die Reaktionen aus: Die einen waren vom neuen „Wie-in-einer-richtigen-Stadt“-Gefühl völlig elektrisiert, den anderen war es dann gleich ein bisschen zu viel richtige Stadt, schließlich braucht hier niemand ein zweites New York. Als pflichtbewusste Lokalblogger haben wir natürlich direkt ein „re:marx in Gefahr“ gemacht, also zumindest in Gedanken, weil im echten Leben trauen wir uns nichts, und sind mit den E-Rollern sämtliche Chemnitz-Erhebungen hoch und runter gescootert, haben den Kids im Konkordia-Park imponiert, sind in den Weltecho-Hof eingerollt und wurden leise dafür ausgelacht, haben monströsen Kaßberg-SUVs die Parkplätze direkt vor der Kühlerhaube weggeschnappt, die MRB nach Leipzig überholt und dann, dann kam tag24 und hat den ersten E-Scooter-Check einfach wirklich gemacht und wir sind am Ende wieder nur beim Segway geblieben. 

Die „Gegenwarten“ gehen scheinbar schon jetzt in die zweite Runde und provozieren wieder mit frechen Skulpturen im öffentlichen Raum. Allerdings bewegen sie sich dieses Mal etwas näher am wutbürgerlichen Durchschnittshumor, oder wie die Mopo titeln würde: „1,5 Meter hoch! Schneepenis in Sachsen aufgetaucht!“ In Adelsberg ist ein Schneepenis aufgetaucht, vielleicht ein Kunstobjekt, vielleicht ein mysteriöser Monolith im frostigen Phallus-Gewand, vielleicht die eisige Rache Frèdèric Bußmanns am Chemnitzer Gegenwarten-Gezetere, vielleicht auch nur eine übergriffige Promoaktion der GGG. Der Adelsberger Schneepenis, der erste in Sachsen, wurde erst verschönert und verlängert, dann aber eiskalt von Vandalen zerstört, als wäre er ein alter Skoda, der im Schlossteich liegt, und dann ist in Harthau ein noch größerer Penis erschienen und hat das viel bediente Narrativ vom Chemnitzer Minderwertigkeitskomplex endlich mal neu erzählt. Noch besser als die plumpe Provokation war die lokale Berichterstattung dazu: Sätze wie „Bleibt nur zu hoffen, dass das eisige Glied den Chemnitzern eine Weile erhalten bleibt“ oder „Auch in den kommenden Tagen könnten in Chemnitzer und Umgebung weitere Schnee-Penisse auftauchen. Das Material ist vorhanden.“ oder „Das eisige Glied wurde von Unbekannten vermutlich in der Nacht zu Montag zerstört. Sauber zerhackt liegt das mühevoll gebaute Exemplar nun herum.“ , strotzen nur so vor sprachlicher Präzision, pointierter Gewitztheit und gesellschaftlicher Relevanz. Aber wen wundert das schon, MoPo reimt sich nicht umsonst fast auf Pulitzerniveau.

Weil Chemnitz immer noch Chemnitz ist, die ewig Gebeutelte, musste es natürlich geschehen, dass der größte Glücksmoment seit der feierlichen Eröffnung des Chemnitz-Centers ein bisschen ins Wanken geriet: Wir reden vom Chemnitzer Kulturhauptstadtstitel. Der ist mindestens genauso schmutzig wie die Fußball-WM in Katar oder der Wirecard-Skandal oder die Ibiza-Affäre – behauptete zumindest ein Mann namens Uwe Ritzer, der zufällig aus der schlechten Verliererstadt Nürnberg kommt, dort entsprechend vernetzt ist und ganz nebenbei als Haus- und Hof-Autor von Corona-König Markus Söder arbeitet. Der rigorose Rechercheur Ritzer hatte jedenfalls Blut geleckt, wie ein überambitionierter Spürhund mafiöse Machenschaften herbei geschnüffelt, wo gar keine waren, und dabei krasse Sachen herausgefunden, zum Beispiel, dass die professionellen Kulturhauptstadts-Berater auch noch andere Städte beraten und damit sogar Geld verdient haben. Die Süddeutsche Zeitung, ausgerechnet, hat Ritzers rachsüchtige Recherchen gedruckt, und uns damit persönlich das Herz gebrochen, weshalb wir auf unbestimmte Zeit erstmal keine Süddeutsche mehr anrühren können und jetzt nur noch MoPo lesen, die haben eh die besseren Texte, über sächsische Schneepenisse zum Beispiel. Die Kultusministerkonferenz, deren Vorsitz wiederum zufällig Bayern innehatte, war davon allerdings irgendwie beeindruckt, und hat die offizielle Ernennung erstmal verschoben. Dann hat Ritzer noch einmal zugeschlagen, woraufhin die Ernennung erneut vertagt und die Jury nochmal befragt wurde, und wir ein bisschen nervös geworden sind, Denn wenn man aus Chemnitz kommt, schwingt im Hinterkopf immer die leise Angst eines möglichen Versagens mit, das wird sich so schnell vermutlich auch nicht ändern. Und ja, vielleicht wurde der Chemnitzer Titelgewinn dadurch ein bisschen beschmutzt, die Loser-Stadt im Osten, die ohne Bestechung nichts kann, aber in vier Jahren haben das erstens alle vergessen und zweitens gucken auch alle immer noch viel Fußball, trotz Fifa und Sepp Blatter. Am 11. Januar jedenfalls wurde Chemnitz dann offiziell als Kulturhauptstadt bestätigt, wir sind innerlich noch mal jubelnd aufgesprungen, Nürnberg weint verbrannte Bratwursttränen und Chemnitz kann jetzt endlich, endlich auch mal eine Geschichte mit Happy End erzählen. 

Was sonst noch geschah: 
Der Chemnitzer Amtsarzt wollte auch irgendwas mit Kuha machen, hat das aber irgendwie verwechselt und ist dann auf Kuba gelandet, so ein Pech aber auch. Die Bundespolizei hat eine cringige Challenge im menschenleeren Chemnitzer Hauptbahnhof getanzt, Chemnitz hat noch mal was gewonnen, nämlich den Titel als deutschlandweit billigste Stadt für Mieten (die 5,20 Euro pro Quadratmeter lassen wir uns von den E-Rollern nicht wegnehmen!) und in der Stadt ist eine Taubenseuche ausgebrochen, die auf Menschen übertragbar ist. Stellt euch mal vor, wie das wäre, wenn die nächste Pandemie aus Chemnitz käme. 

Noch lacht ihr. 

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