Die Post der Moderne (März): Mackers United
Die Post der Moderne (März): Mackers United

Die Post der Moderne (März): Mackers United

Frauen. Das sind diese Menschen, die den germanischen Comedygott Mario Barth derart nerven, dass er seit Jahrmillionen immer wieder dieselben plumpen Macker-Witze über sie erzählt und damit die trostlosesten deutschen Mehrzweckhallen ausverkauft. Frauen ne, kennste? Kennste?
Damit hat Mario Barth der Stadt Chemnitz allerdings einiges voraus, denn bei ihm existieren Frauen wenigstens. Die Stadt Chemnitz hingegen ist derzeit ein einziges breitbeiniges Rock am Ring-Festival: Frauen tauchen nur ganz selten im Line-Up oder eben als Zuschauerinnen im Publikum auf. Die Stadt, vor allem aber der Oberbürgermeister, laden regelmäßig knifflige Suchbilder in die Sozialen Netzwerke, und wer darauf die eine Frau im Hintergrund findet, bekommt vielleicht sogar eine Packung Blumensamen geschenkt. Chemnitz ne, kennste? Kennste?

Im genialen Social-Media-Serienhit „Ihr fragt, der OB antwortet“ erklärte dieser übrigens kürzlich auf Nachfrage, was er vom Gendern hält (nämlich nichts), und auch, wenn man es damit natürlich halten kann, wie man will: Irgendwie passt das verdammt gut zu dem Bild, das die Stadt Chemnitz gerade abgibt. Ausgerechnet kurz vorm Frauentag hat nun also unser Oberbürgermeister mit dem testosteronüberlasteten Kulturausschuss des sächsischen Landtages auf den Rathaustreppen geflext. Allerdings durften auch Kultusministerin Babara Klepsch und Kulturbürgermeisterin Ruscheinsky (irgendwo ganz hinten) mit aufs Bild und haben durch ihre bloße Anwesenheit die peinliche Patriarchatsparty rücksichtslos gesprengt. Und als einen Tag später, nämlich genau zum Frauentag, das neue Kuha-Headquarter eröffnet wurde, saßen auf dem Podium auch wieder nur Männer, denn machen wir uns nichts vor: Die Europäische Kulturhauptstadt 2025 wird von Männern gemacht. Und in der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 läuft das schon lange so, wie es eben immer läuft: Männer treffen sich mit anderen Männern beim Kulturbier und erzählen sich gegenseitig, wie geil sie sind. Und nebenbei wird dann noch ein bisschen Politik gemacht. Nebenbei schiebt man sich gegenseitig die wichtigen Positionen zu.
Dass Frauen in diesen herrlich ungezwungenen Männer-Bier-Runden meistens fehlen, fällt ihnen wahrscheinlich gar nicht auf. Vielleicht ist es aber auch Absicht, denn dann können sie sich ungestört ihre geilen Ideen erzählen, ohne dabei „hysterische“ Fraueneinwände aushalten zu müssen. Und da ist bisher nur von Frauen, und noch nicht mal von migrantisch gelesenen Menschen oder BPOC die Rede, denn so weit ist Chemnitz nun wirklich noch nicht, hier ist ja noch nicht mal dieser neumodische Trend mit der Frauenbewegung so richtig angekommen.
Wobei der „echte“ Mann ja gerade generell wieder Renaissance feiert, er duelliert sich um Frauen und führt abscheuliche Kriege und baut sich Autokratien und zertrampelt rücksichtslos zart keimende Hoffnungen auf eine gerechtere oder friedliche Welt. Im trendresistenten Chemnitz war der allgemeine Mann sowieso nie richtig weg, in Chemnitz stellt man immer noch die „Macher der Woche“ vor, auch wenn es zwei Frauen sind, in Chemnitz glänzt ein neuer Marktbrunnen namens Manifold, in Chemnitz erzählt man stolz „Maker Stories“ und zeigt dabei kaum Frauen, in Chemnitz sind fast alle wichtigen Kuha-Player weiße Männer jenseits der 40.
Wir haben nichts gegen Männer, wirklich nicht, viele unserer besten Freunde sind Männer und manche denken, der Mann hinter re:marx wäre auch einer, aber wenn man jetzt nicht aufpasst, droht die Kuha zu einer einzigen großen Macker-Faire zu werden, zum Mackers United, bei dem alte weiße Männer ein Kulturprogramm für alte weiße Männer machen. Die werden dann einfach „Stille Mitte“ genannt und mit Maker-Themen gelockt und schon fällt das alles gar nicht mehr so sehr auf. 

Unser Oberbürgermaker kann jedenfalls nicht nur genau so gut mit Frauen wie Mario Barth, sein Verhältnis zur CWE ist auch in etwa so wie das von Fat Comedy zu Oliver Pocher: Die CWE bekommt von Schulze gerade eine derbe Klatsche. Die CWE soll nicht nur eiskalt entwirtschaftifiziert, auch der Kosmos sollte auf Galaxiegröße geschrumpft werden – dabei ist der Kosmos so ziemlich das einzige junge und innovative Format, das die Stadt noch im Germens-Ärmel hat. Eigentlich bräuchte Chemnitz nicht nur diesen einen Kosmos, sondern noch mindestens fünf weitere Paralleluniversen, aber in Chemnitz will man anscheinend immer nur aufs Hutfestival. Viele Weindörfer ergeben irgendwann eben auch eine Provinzhauptstadt. Das Hutfestival ist zwar wirklich ein netter Ersatz für das völlig zurecht gecancelte Stadtfest, aber wenn Svenni und seine Guy Gang die „Stille Mitte“ als Ausrede dafür nutzen, die europäische Kulturhauptstadt zu einem mehrmonatigen Hutfestival oder – gar nicht so abwegig – zu einem ganzjährigen Tag der Sachsen zu machen, müssen wir am Ende doch noch alle nach Magdeburg ziehen. 

Vielleicht sind wir auch wieder mal viel zu negativ, zu kritisch, vielleicht sollten wir mehr Vertrauen in die Stadt haben, vielleicht ist das geballte Chemnitzer Schildbürgertum am Ende doch total genial – auch Einstein hatte nur `ne vier in Mathe. Immerhin ist es der Stadt mit der „I Love C“-Aktion gelungen, nie da gewesenes Cringe-Level mit brillantem Stadtmarketing zu vereinen: Weil sich alle darüber lustig gemacht haben, hatte die ganze Sache am Ende extrem viel Reichweite. Fame durch cringe – der Chemnitzer Weg. Dann wäre da noch der andere, altbekannte Chemnitzer Weg: Trauriger Ruhm durch Nazis. Jetzt wurde Frédéric Bußmann, Generaldirektor der Kunstsammlungen, von besoffenen jugendlichen Neo-Nazis verprügelt, weil er was gegen ihre Hitlergrüße hatte. So ist das in Sachsen: Weggucken oder aufs Maul bekommen. Zwar kommen hier alle Trends fünf Jahre später an, aber die Baseballschlägerjahre sind schon lange da, und vielleicht waren sie nie weg. Chemnitz ist nicht weder grau noch braun, Chemnitz ist oft genau beides. Und wenn man selbsternannte Freie Sachsen montagelang ungestört durch Innenstädte marschieren und sich schöne gemütliche Strukturen aufbauen lässt, dann passiert genau so was und vermutlich leider auch wieder öfter. 

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